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Warum tut sich Kern das noch an?

©APA/HERBERT PFARRHOFER
Gastkommentar von Johannes Huber. Das Schicksal des SPÖ-Vorsitzenden ist vorprogrammiert. Neben Ludwig und Niessl kann er nicht Parteichef sein.

Es ist nicht so, dass sich Christian Kern nicht darum bemüht hätte, als Kanzler einen neuen Kurs zu setzen. Und es ist auch nicht so, dass er nicht versucht hätte, die Sozialdemokratie ins 21. Jahrhundert zu holen. Immerhin hat er einen „Plan A“ vorgelegt. Und immerhin ist es ihm bei der Nationalratswahl auch gelungen, ganz besonders bei den Jüngeren in den Städten zuzulegen. Das ist schon etwas. Es hat jedoch nicht gereicht.

Und jetzt ist Christian Kern nur noch SPÖ-Vorsitzender und kann einem fast schon leidtun: Mit dem Kanzleramt ist all seine Macht verloren gegangen; er hat keine Möglichkeit mehr, zu gestalten. Geblieben ist ihm lediglich die Rolle des Oppositionsvertreters gegenüber einer relativ stabilen Bundesregierung, die sich auf populäre Maßnahmen beschränkt. Gegen eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger kann man jedenfalls genauso schwer mobilisieren wie gegen eine Kürzung der Mindestsicherung oder eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge.

Das ist das eine. Das andere: Bestimmend in der SPÖ sind mehr denn je die letzten, die noch über eine gewisse Macht verfügen. Und sie stimmen mit Kern, der eben nicht mehr dazu gehört, nur bedingt überein. Die Rede ist von den Landeshauptleuten Michael Ludwig (Wien), Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten).

Mit Kaiser könnte sich Kern noch am ehesten arrangieren. Doch der sitzt weit weg am Wörthersee. Sehr viel weniger funktioniert’s mit Ludwig: Absolut pragmatisch bemüht sich dieser mit schwarz-blauen Antworten Schwarz-Blau den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dazu setzt er auf eine gewisse „Wiener zuerst“-Politik. Das kann Kern gar nicht passen: Die grün-affinen Wähler, die er im vergangenen Herbst gewonnen hat, sind damit dahin.

Ganz zu schweigen von Hans Niessl: Die Mindestsicherung mit Deutschkenntnissen zu verknüpfen, wie es ÖVP und FPÖ nun vorhaben, hat er schon vor zwei Jahren gefordert. Grenzkontrollen sind überhaupt in seinem Sinne. Und auch die Verankerung wirtschaftlicher Interessen in der Verfassung (durch ein Staatsziel „Wachstum und Beschäftigung“) ist ganz in seinem Sinne. Anders ausgedrückt: Es gibt fast nichts, was dem Burgenländer an der Bundesregierung missfällt.

Bei solchen Parteifreunden kann sich Christian Kern nicht als Gegenspieler zu Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) positionieren: Er wird aus den eigenen Reihen heraus ständig vorgeführt als einer, der irgendetwas reden mag, aber nicht weiter beachtet wird. Ja, das ist erniedrigend.

Es erinnert an die Verhältnisse in der ÖVP vor Kurz: Auch dort haben in Wirklichkeit die Landeshauptleute gesagt, wo’s langgeht. Bundesobmänner wie Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger und Reinhold Mitterlehner haben das eine Zeit lang zur Kenntnis genommen. Irgendwann jedoch ist es ihnen zu bunt geworden. Und dann haben sie das einzig Mögliche, das einzig Gesichtswahrende getan: Sie sind gegangen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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