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Volkstheater-Erfolg: "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?"

Antoine Uitdehaag im Wiener Volkstheater, das ist in der Vergangenheit nicht unbedingt gut gegangen. Aber nachdem einige Inszenierungen eher lau umgesetzt worden waren, hat man diesmal alles richtig gemacht.

Sowohl die Inszenierung von Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun“ (2006) als auch Horvaths „Glaube Liebe Hoffnung“ (2007) blieben weitgehend hinter den Möglichkeiten der Vorlagen zurück und entließen das Publikum nach eher lauen Theaterabenden nicht gerade euphorisch. Nicht so gestern, Sonntag, Abend, wo der holländische Regisseur Edward Albees erfolgreiche, 1962 uraufgeführte Zimmerschlacht „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ in einer tief greifenden, beklemmenden Interpretation zeigte, für die sich das Publikum am Ende mit minutenlangem Jubel bedankte.

Mit Maria Bill als hysterischer, daueralkoholisierter Ehefrau Martha, dem ans Volkstheater zurückgekehrten Günter Franzmeier in der Rolle des verschrobenen Geschichteprofessors und nicht zuletzt der für den Nestroypreis nominierten Katharina Straßer als – wie gewohnt – schriller Püppi hätte es Uitdehaag zugegebener Maßen ziemlich schwer gehabt, dieses unverwüstlich geniale und 1966 mit Liz Taylor und Richard Burton verfilmte Stück in den Sand zu setzen. Gemeinsam mit dem Bühnenbildner Tom Schenk hat sich Uitdehaag jedoch voll und ganz auf den Stoff eingelassen und mit reduzierten, aber umso kraftvolleren Mitteln ein Ehe-Fiasko inszeniert, wie es sich wohl nur selten im eigenen Wohnzimmer abspielt.

Dieses hat Schenk auf eine schwebende, sich drehende, hebende, senkende und nicht selten schräglagige Plattform verlegt, die das Geschehen im wahrsten Sinne des Wortes von der Realität abhob. Als Kulisse dienten lediglich zwei bis an die Decke gespannte Wände aus Packpapier, durch die sich vortrefflich volle Whiskey-Flaschen werfen ließen. Die Bar hat er an die Rampe verlegt, wo zahllose halb volle Flaschen die Szenerie vom Publikum trennten.

Anstatt dem Stück eine alles überschattende eigene Handschrift aufzudrücken, scheint Uitdehaag lediglich alle ihm bereitgestellten Erfolgsfaktoren mit viel Gespür zu unterstützen. Sogar die Anordnung der vier beigen Fauteuils spiegelt die immer wahnsinniger werdenden Konstellationen und die Eskalation der nächtlichen Eskapaden der vier Protagonisten wider, die wechselnde Schräglage der Bühne tut den Rest. Maria Bill entstellt der Regisseur mit einer der Situation entsprechenden, lächerlichen blond-gelockten Perücke, die im Laufe des Abends mehrmals von Bill selbst als auch von ihren Kampfpartnern abgerissen wird und der Figur der Martha die letzte Fassade raubt.

Zu Beginn wirkt es noch so, als hätten Straßer und Till Firit als zurückhaltender Jungakademiker Nick keine Chance, neben Bill und Franzmeier zu bestehen, die vom ersten Auftritt bis zum bitteren Ende spannungsgeladen ihre Ehe dekonstruieren. Nicht selten wirkt das junge Ehepaar fehl am Platz, was jedoch eindeutig nicht an der mangelnden Bühnenpräsenz der Nachwuchsschauspieler liegt. Im Laufe des fast dreistündigen Abends entwickeln sie sich zu einem verjüngten Spiegelbild ihrer Gastgeber. Straßer einmal nicht als schrille, linkische und leicht ordinäre junge Frau zu sehen, wäre durchaus wünschenswert, in der Rolle der naiven, labilen und überforderten Püppi ist sie jedoch die ideale Besetzung.

Lediglich Firit bleibt als hauptsächlich schöner junger Mann ein wenig blass neben so viel Brillanz seiner Kollegen, was man mit einem zugedrückten Auge jedoch auf die Rolle schieben kann. Nicht nur in ihrem erbitterten ehelichen Kampf treten Bill und Franzmeier gegeneinander an, sie scheinen sich auch im Laufe des Abends gegenseitig mit schauspielerischen Hochleistungen übertreffen zu wollen, was den Verlauf des Stücks jedoch nur noch spannender und authentischer macht. Antoine Uitdehaag hingegen beweist auch Mut durch Respekt vor dem Text. Redundante Längen des Stücks steht er wacker durch, ohne durch panische Kürzungen den natürlichen Auf- und Abbau der Spannung zunichte zu machen. Vielmehr versinnbildlichen diese weniger kraftvollen Passagen die allgemeine Erschöpfung, die den Wahnsinn des Geschehens erst so recht deutlich macht.

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ war in Wien in den vergangenen Jahren nicht gerade selten zu sehen: 1991 war das Ehe-Drama in der Regie von Hans Neuenfels am Burgtheater mit Elisabeth Trissenaar und Klaus Maria Brandauer als Ehepaar Martha und George sowie Andrea Clausen und Markus Boysen als jungem Besucherpaar prominent besetzt, 1999 stand es bereits auf dem Spielplan des Volkstheaters (Regisseur: Harald Clemen, mit Wolfgang Hübsch und Birgit Doll). Im Vorjahr gastierte eine hochkarätige Inszenierung von Jürgen Gosch aus Berlin bei den Wiener Festwochen, mit Corinna Harfouch und Ulrich Matthes sowie Katharina Schmalenberg und Alexander Khuon. Verstecken muss sich Uitdehaags Neuinszenierung trotz dieser hohen Präsenz jedoch ganz und gar nicht. Und Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg kann auf die ersten Wochen seiner dritten Saison richtig stolz sein.

“Wer hat Angst vor Virginia Woolf?” von Edward Albee, Deutsch von Alissa und Martin Walser, Regie: Antoine Uitdehaag, Bühne: Tom Schenk, Kostüme: Erika Landertinger, Musik: Het Paleis van Boem, Mit: Maria Bill, Katharina Straßer, Till Firit, Günter Franzmeier, Volkstheater,Nächste Vorstellungen: 8., 9., 15., 17., 18., 20.10., 19.30 Uhr, Karten: 01 / 52111-400, www.volkstheater.at

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