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Vielfalt mit Vierteltelefon

©Gebrüder Moped
Gastbeitrag der Gebrüder Moped: Die Gemeinde Wien beginnt wieder, wie im Wahlkampf versprochen, mit dem Bau von Gemeindewohnungen.

Das tut der Stadt gut und freut uns als ehemalige Kinder des Gemeindebaus besonders. Ja, wir sind aufgewachsen in einem der in schlichtem Weiß (bald später Grau) gehaltenen Betonblöcke am Rande der Stadt.

Die 70er in Wien

Zwar passierten den Verantwortlichen damals noch durchaus kleine Schnitzer im Strukturieren von neuen Wohnmöglichkeiten. Hat man in der Euphorie der Aufbruchstimmung doch gerne einmal auf die Schnelle mehrere tausend Menschleins in die (der Papierform nach urbane) Peripherie

gepflanzt und dabei weder an Gastronomie, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitgestaltung oder an einen attraktiven Anschluss ans öffentliche Verkehrsnetz gedacht. Und dennoch musste unsere jungfamiliäre Tausendschaft gut miteinander auskommen, sonst wären die täglichen Wickel um die Gesprächszeiten mit dem konfliktfreudigen Vierteltelefonanschluss ja regelrecht eskaliert.

Es war nicht alles schlecht

Doch muss man der Fairness halber sagen: Auch die quaderförmigen Wohnsilos der 70er Jahre waren natürlich in sich durchaus klug durchdacht. Jede einzelne Wohnung war raffinierterweise so konstruiert, dass sie einem eines in jedem Fall garantierte: Zimmer mit Ausblick. Auf Zimmer mit Ausblick auf Zimmer mit Ausblick.

Alle sind gleich

Und der sozialen Gerechtigkeit halber hat jede einzelne Wohnung haargenau so ausgesehen wie alle anderen. Türschilder hatten wir damals nicht, damit uns der Briefträger aufsuchen kann, sondern um unsere eigene Wohnung wieder zu finden. Am Rande: Die Postbeamten trauten sich aufgrund der hohen Dobermannquote im Bau so und so nur selten in die höheren Stockwerke

Es geht voran

Mittlerweile hat man sämtliche dieser Bauten ein wenig aufgepimpt, sie bunt bemalt, andere Häuser daneben hingestellt und damit auch die unterhalterische und versorgungstechnische Infrastruktur erweitert. Und kleinere Reibereien wird es da und dort immer geben, wo Menschen miteinander auf engstem Raum leben. Lediglich der Krach ums Durchkommen beim Vierteltelefon ist Geschichte. Die Jüngeren kennen das Phänomen Festnetz wohl generell nur noch vom Hörensagen. Ist das denn heute überhaupt noch erlaubt, ein Telefon in Käfighaltung?

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