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Versauerung der Meere könnte kalkbildende Organismen hart treffen

Die Ozeanversauerung setzt Meeresbewohnern zu. Im Bild: Ein intaktes Korallenriff auf dem Palmyra Atoll im Pazifik.
Die Ozeanversauerung setzt Meeresbewohnern zu. Im Bild: Ein intaktes Korallenriff auf dem Palmyra Atoll im Pazifik. ©AP/ USFWS
Die Ozeanversauerung wird die marinen Ökosysteme im Laufe des Jahrhunderts eventuell tiefgreifend verändern. Das mögliche Ausmaß der Auswirkungen haben Forscher nun anhand zweier Klimaszenarien berechnet. Im pessimistischsten Szenario wären demnach bis zu 32 Prozent aller kalkbildenden Organismen relativ stark betroffen.

Infolge des Klimawandels nehmen Meere immer mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, was durch das Absinken des pH-Werts des Wassers zur Versauerung der Ozeane führt. Korallen, Stachelhäuter, Weich- und Krebstiere sowie Fische – in allen Gruppen gibt es laut Studie Arten, die empfindlich auf den infolge des Klimawandels erhöhten Eintrag von Kohlendioxid ins Meerwasser reagieren, berichteten Wissenschafter vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven im Fachblatt “Nature Climate Change” bereits im Jahr 2013 (Fachartikelnummer DOI:10.1038/NCLIMATE1982). Wahrscheinlich werde sich langfristig die Artenzusammensetzung der Meere verändern.

Die Versauerung der Ozeane ist eine Folge der erhöhten Kohlendioxid (CO2)-Emissionen in die Atmosphäre. Die Ozeane nehmen nämlich gut ein Viertel des ausgestoßenen CO2 auf. Im Wasser reagiert das Kohlendioxid zu Kohlensäure. Dieses lässt den pH-Wert des Wassers sinken, die Meere werden saurer. Expertenschätzungen zufolge wird der pH-Wert der Meere bis 2050 um etwa 0,26 Einheiten unter den vorindustriellen Wert sinken. Bis Ende des 21. Jahrhunderts ist ein Absinken um 0,4 bis 0,5 Einheiten denkbar – je nachdem, wie stark der Kohlendioxid-Ausstoß weltweit steigt.

Mit zunehmender Versauerung wird es für kalkschalenbildende Organismen wie Korallen, Krustentiere oder Seeigel schwerer, ihre Schutzhüllen zu bilden. Da diese Tiere eine wichtige Rolle in der Nahrungskette in marinen Ökosystemen spielen, könnte eine Dezimierung große Auswirkungen haben.

Neue Studie: Bis zu einem Drittel aller kalkbildenden Arten betroffen

In einer in der Fachzeitschrift “Environmental Science and Technology” veröffentlichten Studie haben Forscher des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien nun den Einfluss veränderter pH-Werte berechnet. Bei einem Absinken des aktuellen durchschnittlichen pH-Werts von 8,1 auf 7,95 wären demnach sieben bis zwölf Prozent der Spezies betroffen. Sinkt der Wert auf 7,8, stiege dieser Anteil allerdings auf 21 bis 32 Prozent, hieß es in einer Aussendung. Als signifikant betroffen gelten dabei Spezies, wenn mindestens zehn Prozent der Population beeinflusst werden.

Die Studie gebe jedoch keine Auskunft darüber, was das für die jeweiligen Spezies bedeutet, schränkte Studienleiterin Ligia Azevedo ein. “Eine Zehn-Prozent-Rate könnte für manche Spezies kein Problem darstellen, während es für andere, empfindlichere Spezies ein Schritt in Richtung regionale Ausrottung bedeuten kann”, erklärte die IIASA-Forscherin. (APA)

“Calcifying Species Sensitivity Distributions for Ocean Acidification”: zum Abstract

Ozeanversauerung beeinträchtigt viele Meeresbewohner

Forscher haben bereits in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass die Ozeanversauerung vermutlich Folgen für die Lebewesen im Meer haben wird und an einzelnen Arten bereits Auswirkungen festgestellt. Das Ausmaß der Bedrohung insgesamt ist aber bisher nicht gut untersucht. Astrid Wittmann und Hans-Otto Pörtner werteten 167 wissenschaftliche Studien aus, in denen insgesamt 153 Arten betrachtet worden waren. “Wir haben beispielsweise untersucht, ob sich der Stoffwechsel, das Wachstum, die Kalkbildung oder das Verhalten bei erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen verändern”, erläuterte Pörtner.

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bleached ©Die Korallenbleiche ist eine Folge der durch die globale Erwärmung steigenden Wassertemperaturen. Die zu den Nesseltieren zählenden Korallen verlieren ihre Farbenpracht und sterben ab, wie hier im Great Barrier Reef.

Die Neuauswertung zeigte, dass bei den Wirbellosen vor allem Korallen, Weichtiere und Stachelhäuter, wie Seesterne und Seeigel unter der Versauerung leiden. Krebstiere scheinen hingegen robuster zu sein. Dass die verschiedenen Tiergruppen unterschiedlich auf die Versauerung reagierten liege daran, dass sich ihre Körperfunktionen so grundlegend unterschieden, schrieben die Wissenschafter. Fische könnten zum Beispiel sinkende pH-Werte in ihrem Blut wieder ausgleichen. Korallen hingegen fehlten die physiologischen Mechanismen, um erhöhte Kohlendioxid-Werte zu kompensieren. Dies beeinträchtige zum Beispiel die Kalkbildung.

Dass die Fische scheinbar unbeeindruckt im sauren Wasser schwimmen, überraschte das Team. Untersuchungen zufolge reagieren zumindest die Larven der Fische empfindlich auf die Versauerung. Pörtner: “Nicht alle Effekte, die wir derzeit messen, sind möglicherweise langfristig für das Schicksal einer Art entscheidend.”

Die Forscher verglichen ihre Daten anschließend mit dem Massensterben der Arten vor etwa 250 und vor 55 Millionen Jahren. Damals war die Kohlendioxid-Konzentration ebenfalls hoch und Korallen verschwanden drastisch, während die Fische sich gut anpassen konnten. (APA/red)

 

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