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US-Konjunktur droht Rückfall in die Rezession

Zwei Jahre nach der jüngsten Wirtschaftskrise droht in den USA ein erneuter Rückfall in die Rezession. Die hohe Verunsicherung an den Finanzmärkten und schwache Konjunkturindikatoren haben eine Abwärtsspirale ausgelöst.

Besonders beunruhigend ist, dass weder die Washingtoner Regierung noch die US-Notenbank einen großen Handlungsspielraum haben.

Am Donnerstag spitzte sich die Lage dramatisch zu. Ein wichtiger Konjunkturindikator – der Philadelphia-Index – brach regelrecht ein, auf minus 30,7 und damit auf den niedrigsten Stand seit März 2009, also zu Zeiten der Finanzkrise. Folge war ein Kursrutsch an der Wall Street. In der Vergangenheit hatte ein so niedriges Niveau immer einen Rückfall in die Rezession bedeutet.

Kaum Erholung am Arbeitsmarkt

Bereits im ersten Halbjahr war die US-Wirtschaft kaum gewachsen. Ganz anders sah es noch im vergangenen Jahr aus, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um drei Prozent zulegte. 2009 war es infolge der Krise nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers noch um 3,5 Prozent geschrumpft. Marktbeobachtern bereitet zudem Kopfschmerzen, dass sich auch am Arbeitsmarkt keine nachhaltige Erholung abzeichnet. Unter einer Rezession verstehen Ökonomen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen.

Viele Ökonomen hatten zwar zuletzt eine Abkühlung der US-Konjunktur erwartet, aber keineswegs eine erneut schrumpfende Wirtschaft vorhergesehen. “Die gleichzeitig stattfindende Talfahrt an den Aktienmärkten hat aber eine Abwärtsspirale ausgelöst, die tatsächlich zu einer Rezession führen könnte”, sagte Patrick Franke, USA-Experte bei der Landesbank Hessen-Thüringen. Die Aktienmärkte wirken sich in den USA traditionell stark auf den privaten Konsum aus, da viele Haushalte Aktien halten. Zudem sichern viele Haushalte ihre Kredite mit Aktien ab.

Ursachenforschung schwierig

Die Bekämpfung der aktuellen Börsentalfahrt ist nach Ansicht von Franke schwierig, weil die Ursachen unklar sind. Ein Auslöser sei sicherlich die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) gewesen. Diese sei zwar nicht überraschend gekommen und habe sich auch nicht negativ auf den US-Staatsanleihenmarkt ausgewirkt. Dennoch sei die Unsicherheit zuletzt merklich gestiegen. Hinzu kommt die Schuldenkrise in der Eurozone: So kommen in den USA zunehmend Sorgen um die Finanzstärke europäischer Banken auf. Aufgrund von Verflechtungen mit US-Banken hätte dies auch gravierende Folgen für den dortigen Markt.

Darüber hinaus wird in den USA auch die Frage gestellt, inwieweit US-Banken italienische und spanische Anleihen halten. “Insofern hat auch das im Prinzip ergebnislose deutsch-französische Treffen die Unsicherheit weiter angeheizt”, sagte Franke. Schwieriger wird die Lage auch durch das weltwirtschaftliche Umfeld: Während in Europa in vielen Ländern die Regierungen sparen müssen, schwächt sich auch das Wachstum in Schwellenländern wie China und Brasilien ab.

So gut wie kein Handlungsspielraum

Verschlechtert wird die Stimmung auch durch die geringen Handlungsmöglichkeiten der Politik. Die US-Regierung hat bereits in der jüngsten Wirtschaftskrise die Verschuldung stark ausgeweitet. Zudem zeigt der langwierige Streit um die Anhebung der Schuldengrenze, wie schwierig Entscheidungen in Washington angesichts unterschiedlicher Mehrheiten im Repräsentantenhaus und Senat sind. Zudem dürfte der bereits anlaufende Präsidentschaftswahlkampf Kompromisse noch schwieriger machen.

Auch die US-Notenbank hat wenig Spielraum, um eine Rezession zu bekämpfen. Der Leitzins liegt bereits bei fast null Prozent. Die Währungshüter haben zudem schon zwei große Programme zum Kauf von Anleihen aufgelegt und damit die Notenpresse angeworfen. US-Notenbankchef Ben Bernanke wollte die Rendite an den Anleihemärkten senken, um die Konjunktur zu stützen.

Diese Maßnahmen überzeugen die meisten Experten allerdings kaum. “Eine zusätzliche Lockerung der amerikanischen Geldpolitik würde allenfalls negative Entwicklungen in der kurzen Frist überdecken”, sagte Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Nachhaltige und langfristige Wirkungen auf die Konjunktur seien aber nicht zu erwarten. Der Experte verwies insbesondere auf die bereits sehr niedrigen Renditen von US-Staatsanleihen und das damit günstige Zinsumfeld. Ein Rückfallen der USA in die Rezession hält Bielmeier für eher unwahrscheinlich. “Trotz Börsenturbulenzen und überwiegend schwacher US-Konjunkturdaten gehe ich nicht davon aus, dass die USA in eine Rezession abgleiten werden.”

Viele Beobachter erwarten, dass Notenbankchef Bernanke bereits Ende nächster Woche auf einer Notenbank-Tagung ein neues Kaufprogramm ankündigen könnte. Die im Juli überraschend hoch ausgefallene Inflationsrate dürfte es für die US-Notenbank allerdings schwieriger machen, weitere Maßnahmen zur Konjunkturstützung zu ergreifen. Der Widerstand in der Notenbank gegen die expansive Politik von Bernanke ist bereits jetzt sehr groß.

Auch in der Politik wird Bernanke immer schärfer angegriffen. So warf der republikanische Präsidentschaftskandidat und Gouverneur von Texas, Rick Perry, dem Fed-Chef vor: “Wenn der Kerl bis zur nächsten Wahl noch mehr Geld druckt, weiß ich nicht, was Ihr mit ihm in Iowa machen werdet”, sagte Perry bei einem Wahlkampfauftritt in dem Bundesstaat, “aber wir in Texas würden ihn ziemlich übel behandeln.”

(APA)

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