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Umfrage zum Gesundheitswesen: Großteil der Österreicher beklagt Zwei-Klassen-Medizin

Die Österreicher orten im Gesundheitssystem eine Zwei-Klassen-Medizin.
Die Österreicher orten im Gesundheitssystem eine Zwei-Klassen-Medizin. ©APA/Helmut Fohringer
Acht von zehn Österreichern orten im heimischen Gesundheitswesen eine Zwei-Klassen-Medizin. "Die gibt es natürlich", sagt auch Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres.

Der Großteil der österreichischen Bevölkerung beurteilt das Gesundheitswesen ebenso wie die Wiener Ärzteschaft als Zwei-Klassen-System. Das geht aus einer Umfrage hervor, deren Ergebnisse Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres und Johannes Steinhart, Vizechef der Wiener Kammer, bei einem Pressegespräch am Dienstag präsentierten.

Für das sogenannte Gesundheitsbarometer, das vom Institut Public Opinion Strategies von Peter Hajek durchgeführt wurde, wurden 1.000 Personen in Österreich sowie 300 niedergelassene Wiener Ärzte in der ersten Septemberhälfte befragt. Demnach sind 79 Prozent der Ärzte und 82 Prozent der Bevölkerung sehr beziehungsweise eher davon überzeugt, dass es sich beim österreichischen Gesundheitswesen um ein Zwei-Klassen-System handle. “Die Zwei-Klassen-Medizin gibt es natürlich”, sagte Szekeres, der auch Wiener Kammerpräsident ist. Allerdings nicht bei akuten und schweren Erkrankungen: “Bei einem Unfall wird nicht differenziert. Bei einem planbaren Eingriff sehr wohl.”

Ärzte kritisieren: Kaum Gesundheitspolitik im Wahlkampf

Laut der Umfrage sind 71 Prozent der Wiener Ärzte der Meinung, dass sich das österreichische Gesundheitssystem in die falsche Richtung entwickelt. Die österreichische Bevölkerung sieht das weniger kritisch: 45 Prozent der befragten Bevölkerung sehen eine negative Entwicklung. 42 Prozent glauben hingegen, dass es in die richtige Richtung geht, bei den Ärzten sehen das nur 17 Prozent so. Nicht abgefragt wurde, wie zufrieden die Bevölkerung mit dem Istzustand des Gesundheitswesens ist. Hier zeige sich in Umfragen jedoch immer eine hohe Zufriedenheit, sagte Hajek.

Kaum gute Ideen und Konzepte für die Reform des Gesundheitssystems orten sowohl die Bevölkerung als auch die Ärzte bei den Parteien. Auffallend sei auch der hohe Anteil an Befragten, die keine Angabe machten, also keine Aussage darüber treffen konnten, wofür die Parteien in der Gesundheitspolitik stehen. “Dieser Wert ist alarmierend für die Politik”, meinte Hajek. Die Ärztekammer kritisierte außerdem, dass die Gesundheitspolitik im Wahlkampf kaum thematisiert worden sei.

Umfrage zum Gesundheitswesen: ELGA scheint überbewertet

Auch die Bedeutung verschiedener Aufgaben im Gesundheitsbereich, die die nächste Regierung angehen sollte, wurde abgefragt. Hier bewertet die Bevölkerung die Forderung nach 1.300 zusätzlichen niedergelassenen Kassenärzten zur Entlastung der Spitäler am höchsten. Den Ärzten sind bessere Honorare, damit wieder mehr Mediziner einen Kassenvertrag annehmen, am wichtigsten.

Nicht besonders wichtig ist der Berufsgruppe die “volle Finanzierung und Verbesserung” der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) und der E-Card. Hajek erklärte den eher geringen Wunsch nach einer Verbesserung damit, dass viele Ärzte ELGA prinzipiell ablehnend gegenüberstünden. “Ich glaube, dass die Bedeutung von ELGA und der E-Card von den Verantwortlichen bei weitem überschätzt wird. Der Fortschritt gegenüber dem Status quo ist minimal und die Usability ist nicht gegeben”, erneuerte Szekeres seine Kritik. Steinhart appellierte “ganz dringend” an die nächste Regierung, ELGA neu aufzustellen.

Das Fazit der Erhebung

“Insgesamt spiegelt das Ergebnis der Umfrage wider, dass die Bevölkerung das Gefühl hat, dass es mit dem Gesundheitssystem in die falsche Richtung geht. Noch viel mehr haben Ärzte dieses Gefühl”, interpretierte Szekeres die Ergebnisse der Umfrage. Er räumte aber ein, dass “wir zugegebenermaßen auf relativ hohem Niveau jammern”. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern habe Österreich ein sehr gutes Gesundheitssystem. Die Ärztekammer wolle jedoch rechtzeitig vor negativen Entwicklungen warnen.

Vor allem einen Ärztemangel befürchtet die Kammer. Um diesem vorzubeugen, sei es besonders wichtig, dass die Finanzierung der Lehrpraxis gesichert wird. “Das wäre ganz entscheidend, um die jungen Kollegen zu motivieren, in die Niederlassung zu gehen”, sagte Steinhart.

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