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Türkischem Chefredakteur droht lebenslange Haft

Dündar veröffentlichte Aufnahmen über angebliche Waffenlieferung der Türkei an Extremisten
Dündar veröffentlichte Aufnahmen über angebliche Waffenlieferung der Türkei an Extremisten ©AP
Dem Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" droht wegen einer Anzeige von Präsident Recep Tayyip Erdogan nach eigenen Angaben lebenslange Haft.

“Cumhuriyet”-Chef Can Dündar schrieb am Dienstagabend auf Twitter, das geforderte Strafmaß belaufe sich auf zweimal lebenslänglich und 42 Jahre Haft.

Erdogan stellte nach Angaben der regierungsnahen Nachrichtenagentur Anadolu persönlich Strafanzeige gegen den Regierungskritiker. Grund ist ein von Dündar verfasster Bericht über angebliche Waffenlieferungen von der Türkei an Extremisten in Syrien.

Prominente zeigen Solidarität

Türkische Prominente wie Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk solidarisierten sich in der Mittwochsausgabe der “Cumhuriyet” mit Dündar. Pamuk schrieb, die Pressefreiheit sei ein unverzichtbarer Teil der Demokratie und dürfe der Aufregung und dem Ärger vor der Wahl nicht zum Opfer fallen. Die Türken wählen am Sonntag (7. Juni) ein neues Parlament.

Im Jänner 2014 hatte die Staatsanwaltschaft in Adana mehrere Lastwagen stoppen lassen und dann festgestellt, dass sie in Begleitung von MIT-Agenten auf dem Weg nach Syrien waren. Offiziell handelte es sich um eine Lieferung humanitärer Hilfsgüter. Türkische Medien hatten zu diesem Zeitpunkt jedoch schon von einem versuchten Waffenschmuggel berichtet.

Nachrichtensperre missachtet

“Cumhuriyet” hatte vergangene Woche nun Aufnahmen als Beweis der Waffenlieferung veröffentlicht. Die Behörden hatten eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt. Die türkische Staatsanwaltschaft leitete am Freitag Ermittlungen gegen “Cumhuriyet” wegen Terrorpropaganda und Spionage ein.

Am Montag drohte Erdogan dem “Cumhuriyet”-Chef und sagte, der Autor werde einen “hohen Preis” für die Veröffentlichung bezahlen. Erdogan wirft Dündar in seiner persönlichen Anzeige unter anderem politische und militärische Spionage vor, wie Anadolu berichtete.

Emma Sinclair-Webb, Türkei-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, verurteilte die Ermittlungen am Mittwoch in einer Mitteilung als “neuesten Angriff auf Medien, die die Regierung herausfordern”. Sinclair-Webb forderte eine Einstellung des Verfahrens. Die politische Führung der Türkei solle zudem aufhören, Journalisten zu drohen.

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