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Türkische Zentralbank kämpft gegen drastischen Lira-Verfall

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Die Türkei stemmt sich gegen den dramatischen Verfall der Lira. Die Zentralbank des Landes kündigte am Montagmorgen an, die Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken sicherzustellen.
US-Strafzölle: Lira im freien Fall

Sie werde den Finanzmarkt genau beobachten und alle notwendigen Schritte ergreifen, um die Finanzstabilität zu sichern. Das half der Lira aber nur kurzfristig. Die türkische Währung legte zunächst zu, rutschte dann aber wieder ab.

Der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, riet der Türkei in der aktuellen Krise, Hilfen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu beantragen. “Wir müssen uns massiv Sorgen machen”, schrieb er im “Handelsblatt”. Die Ankündigung von US-Sanktionen gegen die Türkei, die seit Montagmorgen gelten, seien der “Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat”. Allerdings sind IWF-Hilfen mit Auflagen für die Wirtschaftspolitik verbunden.

Aktionsplan für Wirtschaft angekündigt

Der türkische Finanzminister Berat Albayrak hatte am Wochenende einen Aktionsplan für die Wirtschaft angekündigt, der die Märkte beruhigen und den starken Kursverfall der Lira stoppen sollte. “Von Montagmorgen an werden unsere Institutionen die notwendigen Schritte unternehmen und dies den Märkten mitteilen”, sagte der in einem Interview der Zeitung “Hürriyet”.

Die Zentralbank erklärte am Morgen, dass sie die Bestimmungen für Lira-Reserven gesenkt habe. Dadurch würden dem Finanzmarkt rund zehn Mrd. Lira, sechs Mrd. Dollar sowie Goldguthaben im Wert von drei Mrd. Dollar an Liquidität zugeführt. Zusätzlich zum Dollar könnten auch Euro zur Absicherung von Lira-Reserven genutzt werden.

40 Prozent ihres Wertes verloren

Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als 40 Prozent ihres Wertes verloren. Allein am Freitag hatte sie 18 Prozent eingebüßt und war auf ein Rekordtief von 7,24 zum Dollar gestürzt. Es war der größte Verlust an einem einzigen Tag seit 2001.

Türkische Lira im freien Fall
Türkische Lira im freien Fall ©APA

Ein wesentlicher Grund dafür sind Befürchtungen, Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seit einer Verfassungsänderung mit besonders großer Machtfülle ausgestattet ist, könnte sich massiv in die Wirtschaft und die Währungspolitik einmischen. So wächst die Besorgnis, dass die Notenbank ihre Unabhängigkeit verliert. Zudem liegt Erdogan mit dem NATO-Partner USA bei mehreren Themen über Kreuz, darunter die unterschiedlichen Interessen im Syrien-Konflikt.

Albayrak, der Schwiegersohn von Erdogan, nannte die Schwäche der Lira einen Angriff. Ähnlich äußerte sich Erdogan. Am Wochenende bezeichnete er den Kursverfall der Lira als “Raketen” in einem Wirtschaftskrieg gegen sein Land. Der Weg aus der “Währungsverschwörung” bestehe darin, die Produktion zu steigern und die Zinsen zu senken. Erdogan hat sich selbst wiederholt als “Gegner der Zinsen” bezeichnet und angekündigt, eine größere Kontrolle über die Geldpolitik auszuüben. Er will, dass die Banken billige Kredite vergeben und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Anleger befürchten jedoch, dass es zu einer Überhitzung kommen könnte. Experten haben zuletzt betont, eine deutliche Zinserhöhung könnte den Lira-Verfall bremsen.

US-Strafzölle für Türkei

Am Freitag hatte US-Präsident Donald Trump eine Verdoppelung der Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet. Erdogan drohte daraufhin mit einer wirtschaftlichen und politischen Abkehr vom Westen und kündigt eine stärkere Hinwendung zu Russland, China und der Ukraine an. Die Türkei habe Alternativen, schrieb Erdogan in einem Meinungsartikel in der “New York Times” vom Wochenende. Wenn die USA die Souveränität der Türkei nicht respektierten, könne die Partnerschaft in Gefahr geraten. Dann könne es für die Türkei nötig werden, sich “nach neuen Freunden und Verbündeten umzuschauen”.

Wie die Notenbank gegen den Lira-Verfall kämpft

Die türkische Zentralbank kämpft gegen den freien Fall der Lira. Doch bisher konnte sie den Absturz der Landeswährung, die seit Jahresbeginn mehr als 40 Prozent an Wert verloren hat, nur zeitweise aufhalten. Hinter dem Kursverfall stehen unter anderem Sorgen der Investoren über einen wachsenden Einfluss des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Geldpolitik.

Dazu kommen Zweifel, ob die Notenbank es schafft, die aktuell zweistellige Inflationsrate zu senken.

Übersicht über die bisherigen Schritte der Zentralbank und mögliche weitere Maßnahmen:

Wie könnte die Notenbank am meisten Wirkung erzielen?

Die stärkste Waffe sind die Leitzinsen. Um den seit Monaten anhaltenden Kurssturz zu beenden, hat sie dieses Instrument schon mehrmals eingesetzt. So hob sie in einer Krisensitzung im Mai den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld von 13,5 auf 16,5 Prozent an. Doch die Effekte verpufften rasch. Im Juni erhöhte sie den Leitzins dann um 1,25 Punkte auf das aktuelle Niveau von 17,75 Prozent. Auch dies beruhigte die Finanzmärkte nur zeitweise. Da zudem die Inflation zwischenzeitlich auf über 15 Prozent gestiegen war, rechneten Ökonomen fest mit einem erneuten Zinsschritt im Juli. Doch Notenbankchef Murat Cetinkaya machte nichts. Die Folge: Der Kurssturz der Lira beschleunigte sich.

Wie vermeidet die Notenbank Liquiditätsengpässe?

Der Währungsverfall setzt den Banken des Landes zu, die dadurch in Liquiditätsengpässe geraten könnten. Um das zu verhindern, lockerte die Notenbank schon mehrmals die Verpflichtungen der Banken für Geldreserven. In der vergangenen Woche senkte sie zum Beispiel eine wichtige Obergrenze für Fremdwährungsreserven. Durch die Herabsetzung verschaffte die Notenbank den Instituten 2,2 Mrd. Dollar (1,9 Mrd. Euro) an zusätzlicher Liquidität.

Am Montag lockerte sie zudem die Bestimmungen für Lira- und einige andere Währungsverbindlichkeiten. Zudem sollen zusätzlich zum Dollar auch Euro zur Absicherung der Lira-Reserven genutzt werden können. Durch diese Schritte erhält die Finanzwirtschaft gut 10 Mrd. Dollar an Liquidität. Die Notenbank kündigte darüber hinaus an, den Geldhäusern jedwede benötigte Liquidität bereitzustellen.

Könnten Dollar-Verkäufe helfen?

Die Zentralbank könnte zur Stützung der heimischen Währung auch Dollar verkaufen. Bisher gibt es allerdings an den Devisenmärkten keine Anzeichen dafür. Die Notenbank hat rund 21 Mrd. Dollar an Reserven. Einschließlich aller verfügbaren Mittel und Regierungskonten sind es ungefähr 100 Mrd. Dollar. Die Notenbank hat allerdings wiederholt erklärt, dass für sie direkte Interventionen am Devisenmarkt nicht länger eine politische Option sind. Experten halten die Höhe der Devisenreserven nicht für ausreichend, um eine Wirkung zu erzielen.

Was empfehlen Experten?

Die Notenbank könnte ihre Geldpolitik jetzt weiter straffen, indem sie etwa den Zinskorridor für Tagesgeld verändert. Der wirksamste Schritt wäre nach Einschätzung von Volkswirten aber eine sehr kräftige Zinsanhebung. Diese müsste aus ihrer Sicht verknüpft werden mit der Botschaft, dass die Notenbank unabhängig handle und ihre Schlüsselsätze noch für lange Zeit auf hohem Niveau belassen werde. Dafür müssten die Währungshüter ihren Leitzins nach Einschätzung von Ökonomen auf deutlich über 20 Prozent anheben.

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