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"Tribute to Joe Zawinul" verwandelte Trauer in Freude

Zawinul allgegenwärtig: Seine Musik, eingeleitet von Aufnahmen seines Keyboards unter seinen Fotos auf der Videowall. "He is here", sagte Dirigent Kristjan Järvi, und alle konnten es spüren.

Nicht wegen seiner Zuspielungen oder seiner Bilder, sondern wegen der Menschen auf der Bühne, deren Leidenschaft zu musizieren von Zawinul angestoßen wurde. Und so schlug im „Tribute to Joe Zawinul“ gestern, Samstag, im Wiener Konzerthaus die Trauer um ihn in der gemeinsamen Liebe zur Musik immer wieder in helle Freude um.

Mit dem von Zawinul so typisch geprägten Mix aus grooviger Weltmusik und orchestralem Funk nahm das Konzert, das Kristjan Järvis’s Absolute Ensemble und das Zawinul Syndicate vereinigte, seinen Anfang. Ein Konzert, das von langer Hand geplant war – allerdings mit Zawinul selbst am Keyboard. Bis kurz vor seinem Tod hatte er gehofft, zumindest im Rollstuhl daran teilnehmen zu können. „Zawinul wollte, dass dieses Konzert den Musiker zeigte, der er über die Jahre geworden ist, nicht den, der er vor über dreißig Jahren war“, schildert Järvi die gemeinsamen Pläne im Programmheft. Nicht die altbekannten Hits prägten daher den Abend – sondern jüngere Kompositionen, die von Gitarrist Gene Prisker für das Absolute Ensemble arrangiert wurden.

Dass Järvi das Konzert ohne Zawinul nur spielen wollte, nachdem das Zawinul Syndicate zugesagt hatte, wurde gestern verständlich. Die Anwesenheit seiner engsten musikalischen Wegbegleiter bis zum Ende, die sich mit spontanen Improvisationen ins Ensemble eingliederten, machten seine eigene Abwesenheit gleichzeitig deutlicher und erträglicher. Als Syndicate-Bassist Linley Marthe zu einem Solostück anhob und sich die Musiker des Syndicate nach und nach eng um ihn scharten, um in seinen persönlichen Trauergesang einzusteigen, konnte man Zawinul als treibende Kraft, die diese fünf Ausnahmemusiker zusammengeschweißt hatte, förmlich aus ihrem bewegend harmonischen Ineinanderfügen hören.

Die Trauer währte an diesem Abend immer nur kurz – ihren Höhepunkt erreichte sie allerdings mit der „Ballad for Two“, die Zawinul, wie Järvi erklärte, unbedingt mit dem Absolute Ensemble aufnehmen wollte. Zum Auftakt tönte Zawinuls Stimme durch den großen Saal: „It’s a ballad for two musicians, but we play it with twenty – so let’s check it out.“ Noch wichtiger war dann seine andere Stimme – die seines Keyboards, die durch die gesamte Nummer hindurch zugespielt wurde. Die Musiker passten sich – wie so oft in Zawinuls Laufbahn – an seine Führung an, hörten schließlich gemeinsam auf und lauschten andächtig seinem allerletzten Solo.

Trotz solcher Momente gelang es Järvi, den Abend nicht pathetisch werden zu lassen. Stücke, die sich eher wie Sessions anließen, waren da zu hören, mit starken Basslinien, an die sich die Streicher sanft anschmiegten, mit viel und abwechlungsreicher Perkussion, oder mit schwelenden Streicher- und Gitarrenklangteppichen, die vom plötzlichen hellen Aufschrei eines Bläsers oder Sängers zerrissen wurden. Volltönende und mitreißende Musik ungeachtet aller Zawinul-Romantik.

Dass dessen Augen auf der Videowall gleichsam über die Freude aller an der Musik wachten, tat dieser Freude keinen Abbruch – im Gegenteil. Bei der letzten Nummer, dem „Spirit of Cannonball Adderley“, waren schließlich alle Musiker auf den Beinen, vielleicht um Zawinul zu zeigen, dass sie den Spirit weiterzutragen gedenken. Auf den Beinen befand sich dann auch das gesamte Publikum, als man mit tosendem Applaus von allen Musikern des Abends – Zawinul inklusive – Abschied nahm.

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