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Theatre du Soleil bei den Wiener Festwochen

Am Sonntag feierte das vierstündige Stück in der Messe Wien Premiere.
Am Sonntag feierte das vierstündige Stück in der Messe Wien Premiere. ©Michèle Laurent
Ariane Mnouchkine ist auch heuer mit ihrem Theatre du Soleil bei den Wiener Festwochen vertreten. Am Sonntag feierte  "Schiffsbruch mit verrückter Hoffnung (Morgenröte)" Premiere. Ein vierstündiges Stück über Frieden, Film und Visionen vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs.
Sogar in die Halle A der Messe bringt Ariane Mnouchkine, seit mehr als 40 Jahren mit ihrer Ausnahmecompagnie gefeiert, eine heimelige Atmosphäre. Warme Lichtbälle baumeln von der Decke, hinter transparenten Spitzenvorhängen wird geschminkt, die Regisseurin selbst begrüßt herzlich – und streng, was das Abschalten von Handys angeht. Mit einem geheimnisvollen Lächeln lädt sie ein zum Heimkommen ins Theater, zu einer vierstündigen Vorstellung, die sich wie eine Backstageführung anfühlt, bei der die Faszination des Spielens, Bastelns, Träumens und Wahrmachens auf der Bühne zum Greifen nah ist.

Ein Stück über Filmemacher und Visionen

Wir sind auf dem Dachboden des Heurigen “Zur verrückten Hoffnung”. Man schreibt das Jahr 1914. Eine Truppe begeisterter Filmemacher rund um die Geschwister Jean und Gabrielle werkt wie besessen an einem gewaltigen Unterfangen: ein Film im Geiste des Sozialismus. Jeder darf mitspielen, nur Visionen soll er haben. Gedreht wird die Geschichte einer Bootsfahrt, eine Gruppe von Emigranten sticht auf der “Verrückten Hoffnung” in See gen Australien. Sträflinge, Industrielle, Arbeiter. Sie erleiden Schiffbruch am Kap Hoorn – und bekommen die einmalige Chance, von Grund auf eine gerechte Gesellschaft zu errichten.

Ein Film, der Kolonialismus und Kapitalismus entlarvt

Es soll ein Film sein, sagt Jean, der Kolonialismus und Kapitalismus entlarvt, der die Gier an den Pranger stellt. Seinen Anfang nimmt er mit dem österreichischen Kronprinz Rudolf, der sich soeben öffentlich zum Sozialismus bekennen will, als er ermordet wird. Gabrielle kurbelt an der Kamera, das Hintergrundgemälde ist zu klein, die Crew wuselt um die Szene herum. Allerlei Fäden werden gezogen: An der Kleidung sind sie befestigt, die im Wind wehen soll, an den Tafeln für die Übertitel des Stummfilms, an den Vögeln, die durchs Bild flattern. Jeder hat eine Aufgabe. Und sei es nur, den Kunstschnee immer wieder einzusammeln und zu verteilen.

Der Krieg macht auch vor dem Filmstudio nicht halt

Doch auch woanders werden die Fäden gezogen: Über die täglich gebrachte Zeitung dringt immer mehr der schrecklichen Realität in das improvisierte Filmstudio. Der Erste Weltkrieg wird kommen, er scheint nicht mehr aufzuhalten. Es bleibt nicht viel Zeit. Jaures wird ermordet. Nicht nur die Stimmung am Dachboden, auch der Film wird düsterer. Gabrielle versucht, den bösen Geist mit einer Zigarre auszuräuchern – statt dessen scheucht sie in den Ecken die frischverliebten Filmpaare auf. Es darf immer noch gelacht und erleichtert geseufzt werden. Aber: Die Hoffnung war eine verrückte.

Vier Stunden spielt das Theatre du Soleil

Obwohl das Stück manche Länge hat – es zeigt die Meisterhaftigkeit Ariane Mnouchkines geradezu lehrbuchhaft. Ihre Kunst ist die der Illusion, die nicht zu täuschen versucht. Der man beim Entstehen zusehen darf. Sie lädt ein, dabei zu sein, wenn die Kraft der Vorstellung und die Spitzfindigkeit der Requisite ihre wunderbare Allianz eingehen. Dazu sitzt Jean-Jacques Lemetre wieder am Steuer der fast ununterbrochenen musikalischen Untermalung – mit Dutzenden Instrumenten, zu denen auch der Plattenspieler gehört. Und am Ende hat man nicht nur etwas gesagt bekommen, sondern man hat es selbst erlebt. Auch wenn es nur im Film war, auf der Bühne und nur in der selbst gebauten Kulisse – für ein paar Stunden sind Träume wahr geworden. 

Weitere Vorstellungen finden am 22., 23., 24., 25., 27. und 28. Mai jeweils um 19 Uhr auf der Messe Wien, Halle A, statt. (APA)

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