Am 29. Oktober soll der mit Michel Piccoli, Bruno Ganz, Willem Dafoe und Irene Jacob glänzend besetzte Streifen mit zunächst einem guten Dutzend Kopien in die deutschen Kinos kommen.
Als zunächst schwer durchschaubares Geflecht von Handlungsfäden spinnt der 1935 in Athen geborene Kino-Künstler seine Filmerzählung, die sich zwischen Kasachstan, Kanada und Kurfürstendamm, zwischen Stalins Tod 1953 und dem 31. Dezember 1999 überaus verschachtelt entwickelt. Ein geschickter Kunstgriff a la Shakespeare ist die Schilderung von Film im Film: Der etwa 50 Jahre alte Regisseur A. (Dafoe), das Alter Ego von Angelopoulos, plant die Verfilmung des Lebens seiner Eltern, die als griechische Kommunisten nach verlorenem Bürgerkrieg in den 40er Jahren in die UdSSR emigriert sind. Sie werden dort verhaftet, getrennt und finden sich schließlich nach Jahrzehnten wieder. Den in einer hastigen Liebesnacht gezeugten Sohn besuchen sie just zum Mauerfall 1989 in Berlin.
“Der Kollaps der Ideologien und das unablässige Erproben der Historie” sei Thema seines jüngsten, bereits auf der Berlinale außer Konkurrenz gezeigten Films, erläutert Angelopoulos. So werden die meist in Kolonnen auftretenden Menschen, ob im sibirischen Gulag oder am Berliner Flughafen, zu reinen Objekten von Handlung und geschichtlicher Abläufe. Angelopoulos durchwebt in seiner assoziativen Szenenfolge Raum und Zeit, stellt jede linear- optimistische Geschichtsentwicklung infrage. Historie ist das, was der Einzelne erleidet, in seiner Erinnerung rekonstruiert.
Einzig die durch die Brutalität des totalitären Jahrhunderts geläuterte Liebe erlaubt Lichtblicke: Da ist das alternde Elternpaar Eleni und Spyros, den Piccoli in Scheitern und stiller Resignation großartig sensibel verkörpert. Da ist Jacob (Ganz), der deutsche Jude, der als treuer Freund die Griechin durch die Schneehölle des Gulag begleitet hat.
Auch wenn gelegentlich hölzerne Dialoge, unnötig häufiger und hektischer Schauplatz-Wechsel oder eine leichte Überdosis Pathos den Genuss schmälern, so ist “Der Staub der Zeit”, der sich wie Mehltau auf das abgelaufene Jahrhundert gelegt hat, ein Stück gutes europäisches Autorenkino. Dass der griechische Kino-Altmeister nichts von den Flimmerbildern der Gegenwart hält, machen nicht nur seine legendären, bedächtigen Kamerafahrten klar: In einer der Schlüsselszenen steht Regisseur A. inmitten einer Reihe zerschlagener Fernsehgeräte.