Bisher seien in den Kämpfen mindestens ein Soldat getötet und weitere sieben verwundet worden. Die Zahl der Toten könnte aber auf beiden Seiten hoch sein, sagte Nuri. Mindestens acht Zivilisten seien bei den Gefechten verletzt worden.
“Die Taliban bombardieren Wohn- und Geschäftsviertel. In den vergangenen acht Stunden gab es keine ruhige Minute”, sagte ein weiterer Behördenvertreter. Ein zweiter sagte, es sei zu gefährlich für die Menschen, ihre Häuser zu verlassen. “Es ist nicht möglich, nach draußen zu gehen und den Verletzten zu helfen oder Leichen zu bergen.”
Verkehr wurde eingestellt
Ghazni hat geschätzte 150.000 Einwohner und liegt an der Ringstraße, einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung, die die Hauptstadt Kabul mit der südlichen Stadt Kandahar verbindet. Lokalen Medienberichten zufolge wurde der Verkehr auf der Route eingestellt. Sollten die Taliban Ghazni-Stadt wirklich erobern, hätten sie praktisch den Norden vom Süden abgeschnitten.
Afghanische Streitkräfte behielten die Kontrolle
Über die Lage am Freitag gab es allerdings gegensätzliche Darstellungen. Ein Sprecher des US-Militärs in Afghanistan, Martin O’Donnell, bestätigte zwar, dass mehrere Regierungsgebäude in Ghazni angegriffen wurden. Ihm zufolge sind die Kämpfe aber um etwa 08.00 Uhr morgens (Ortszeit) abgeflaut. Die afghanischen Streitkräfte hätten ihre Stellungen und die Kontrolle über alle Regierungseinrichtungen gehalten.
US-Kräfte hätten sie aus der Luft mit einer Kampfdrohne unterstützt. Der Angriff sei “ein weiterer gescheiterter Versuch der Taliban, Gebiet zu erobern, dessen Ergebnis eine weitere auffällige Schlagzeile sein wird, aber strategisch unwichtig”, sagte O’Donnell.
Laut Taliban-Sprecher seien alle Polizeibezirke erobert
Dagegen erklärte der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, auf Twitter, die Aufständischen hätten jeden Teil der Stadt infiltriert. Hunderte Kämpfer seien in die Stadt vorgedrungen, hätten das Polizeihauptquartier, alle sechs Polizeibezirke sowie ein wichtiges Militärcamp erobert. Shah Hussain Murtazawi, Sprecher des Präsidialamtes, kündigte an, dass Spezialeinheiten auf dem Weg nach Ghazni seien.
Die Taliban dominierten die Provinz schon vor Überfall
Die Sicherheit in der Provinz Ghazni hatte sich in den vergangenen Monaten noch einmal verschlechtert. Bereits vor dem Überfall haben die Taliban die Provinz militärisch dominiert und verfügten laut dem Analyseinstitut Afghanistan Analysts Network über eine starke Präsenz in fast allen der 18 Bezirkszentren. In drei größeren Gebieten in drei Bezirken der Provinz sowie in der Provinzhauptstadt konnten sie noch nicht dominieren.
Zweiter Angriff auf eine Provinzhauptstadt in diesem Jahr
Der Angriff auf Ghazni ist der zweite auf eine Provinzhauptstadt in diesem Jahr. Mitte Mai überrannten die Extremisten Teile der westlichen Stadt Farah, überfielen acht Kontrollposten und übernahmen kurzfristig mehrere Regierungsgebäude und Einrichtungen der Sicherheitskräfte, bevor sie von afghanischen Polizisten und Militärs mit Unterstützung von US-Luftangriffen wieder vertrieben wurden. Die nördliche Stadt Kunduz war 2015 und 2016 kurzzeitig an die Taliban gefallen.
Laut Militärangaben kontrollieren die Taliban aktuell knapp 14 Prozent des Landes. Weitere 30 Prozent sind umkämpft. Allerdings sehen andere Quellen eine höhere Dominanz der Aufständischen.
(APA/dpa)