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Su-24 Abschuss: Ankara rudert zurück

Türkei deeskaliert.
Türkei deeskaliert. ©AP
Sieht so aus, als würde die Suppe für die Türkei sauer: Mit dem Abschuss des russischen Jets dürfte sich Ankara jedenfalls verspekuliert haben. Die NATO-Verbündeten reagieren äußerst kühl, geradezu abwiegelnd. Russland verlegt S-400 nach Syrien.

17 Sekunden. 17 Sekunden, die möglicherweise den Dingen in der Nahost-Region eine neue Wendung geben – und eine Eigendynamik entfachen könnten, deren Ausgang bislang noch nicht absehbar ist. 17 Sekunden befand sich am Dienstag eine russische Maschine im türkischen Luftraum. Soviel scheint, trotz heftigster russischer Dementis, sicher. Die Maschine wurde schließlich über syrischem Gebiet abgeschossen. Auch soviel scheint, trotz heftigster türkischer Dementis (allerdings an Heftigkeit zusehends abnehmen) ebenso sicher. Die beiden Piloten konnten sich mit Fallschirmen retten, landeten aber in von syrischen Rebellen gehaltenem Gebiet. Einer ist offensichtlich in Sicherheit, gerettet durch eine syrisch-russische Kommandoaktion. Das Schicksal des zweiten Piloten scheint auch gewiss: Er wurde von Rebellen – es ist nicht anders auszudrücken – massakriert. Schon kurz nach dem Abschuss kursierten Bilder des toten Piloten im Netz, verbreitet von Rebellengruppen. Es zeigte auch Rebellen, die ihre Füße auf den Leichnam setzten: Damit soll Verachtung ausgedrückt werden.

Kühle Reaktion von Verbündeten

Türkei, ein NATO-Staat, trommelte unmittelbar nach dem Abschuss die Verbündeten zu einer Krisensitzung zusammen. Schon in dessen Vorfeld gab es allerdings teils äußerst kühle Reaktionen in Richtung Ankara. Aus Tschechien hieß es, der Abschuss sei eine überzogene Reaktion gewesen. Außerdem gäbe es “Gerüchte”, die eine inoffizielle Kooperation zwischen der Türkei und dem IS nahelegten, verlautete es aus Prag. Bei der Krisensitzung selbst soll die Stimmung mehr als nur frostig gewesen sein. Von einer Solidarität, wie sie etwa das nicht-NATO-Land Ukraine erfahren hat – und die sich Ankara wahrscheinlich ebenso erwartet hat – soll nichts zu spüren gewesen sein. Aber nach außen wurde das Protokoll gewahrt, Russland ermahnt, die territoriale Integrität der Türkei zu respektieren. Gleichzeitig wurden aber auch deeskalierende Schritte von der Türkei als auch Russland eingefordert.

Spekulationen über Gründe

Warum sich die Türkei dazu entschloss, den Flieger abzuschießen, ist derzeit Inhalt heftiger Spekulationen. Möglicherweise wollte die türkische Führung tatsächlich “ihre” Minderheit in Syrien vor den Bombardements Russlands “schützen”, und ein “Zeichen” setzen. Möglicherweise handelt es sich um eine Racheaktion dafür, dass Russland kurz zuvor die Tanklaster-Flotte des IS arg dezimierte. So legen Gerüchte nahe, dass die Türkei massiv vom Zufluss billigen “IS”-Öls profitierte. Möglicherweise wollte die Türkei einen Keil zwischen Russland und dem Westen treiben, nachdem sich nach den Paris- und Sinai-Anschlägen so etwas wie eine Koalition rauskristallisierte. Möglicherweise wollte die Türkei “nur” die Rebellion unterstützen. Und Möglicherweise handelt es sich auch um eine Kombination all dieser Faktoren. Die offizielle Lesart, wonach die Türkei ihr “Staatsgebiet” schützen wollte, scheint als unwahrscheinlichste Variante von allen. Dafür war die Vorgehensweise, und das wird nicht nur in vielen europäischen Hauptstädten, sondern auch von vielen Experten so gesehen, viel zu aggressiv.

Russland reagiert…

Nun scheint man in der Türkei die Geister, die man rief, allerdings nicht mehr so recht loszuwerden. Russland “eskaliert” – eben auf seine Art und Weise. Moskau verlegt das topmoderne Luftabwehrsystem S-400 nach Syrien. Damit sollen Bedrohungen schon frühzeitig erkannt und ausgeschaltet werden. Konkret heißt das, dass der syrische Luftraum damit für türkische Maschinen “dicht” ist. Die Offensive gegen das Gebiet, in welchem die turkmenische Minderheit siedelt, wurde sogar noch ausgeweitet. Und Russland hat damit begonnen, Nachschubkonvois, welche die Rebellen aus der Türkei erreichen, unter Beschuss zu nehmen.

… und Ankara rudert zurück

In der Türkei scheint es den Verantwortlichen ob der Konsequenzen nun zu dräuen, dass Deeskalation das Gebot der Stunde ist. Der russische Außenminister Sergej Lawrow empfing nun eine Kondolenz und eine Entschuldigung vom türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu, für den getöteten russischen Piloten. In einem Statement gab die türkische Luftwaffe bekannt, sie habe die SU-24 nicht als russische Maschine identifiziert und deswegen die F-16 angewiesen, den Jet abzuschießen. Mit “unwilligen” Verbündeten und einem Russland in Rage scheint man am Bosporus einen Gang zurückschalten zu wollen. Es ist abzuwarten, wie Russland – und vor allem Putin – reagiert.

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