Konkret geht es um die Abschaffung des Verfassungsartikels 12, der gemischte Zuständigkeiten von Bund und Ländern regelt. So gibt in einigen Bereichen der Bund Grundsätze vor und die Länder erlassen eigene Gesetze. In Österreich können Länder und Gemeinden derzeit fast keine Steuern selbst festlegen – so gut wie alle Steuereinnahmen werden vom Bund abgeschöpft und für die Erledigung regionaler Aufgaben gemäß eines fixen Verteilschlüssels wieder an die Länder zurücküberwiesen. Das alles passiert im Finanzausgleich.
“System, das auf Geldverschwendung ausgerichtet ist”
“Eine reine Kompetenz-Entflechtung ist viel zu wenig. Während die Bundesländer ihre Ausgaben mit nicht einmal 3 Prozent über eigene Steuern finanzieren, gehen fast 17 Prozent der Staatsausgaben auf ihr Konto. Ein System, das geradezu auf Geldverschwendung ausgerichtet ist”, sagt Agenda Austria-Ökonomin Monika Köppl-Turyna. Der österreichische Föderalismus existiert also hauptsächlich auf der Ausgaben-Seite. In keinem anderen OECD-Land finanzieren Bundesländer ihre Ausgaben zu einem so niedrigen Anteil über eigene Steuern wie in Österreich.
Wäre es Österreichs Bundesländern möglich, unterschiedliche Steuersätze einzuheben, könnten diese laut Köppl-Turyna besser auf örtliche Gegebenheiten eingehen. Ein gutes Beispiel dafür sei die Schweiz: In einem Ballungsraum wie Zürich hat der Staat andere Aufgaben zu erledigen als in einem Bergkanton und hebt daher höhere Steuern ein.
Modell der Schweizer Kantone “nicht realistisch”
Der Leiter des Instituts für höhere Studien, Martin Kocher, betont hinsichtlich der Debatte zwischen Bund und Ländern: “Die werden noch stärker, wenn wir nicht den Ländern mehr Steuerautonomie geben und sie auch zwingen, diese zu nutzen.” Laut Kocher könnte eine Mehrwertsteuer mit länderweise unterschiedlichen Sätzen realisiert werden. Alternativ könnte auch an die Grund- oder die Gewerbesteuer gedacht werden. Unterschiedliche Einkommensteuersätze wie in Schweizer Kantonen seien für Österreich jedoch “nicht realistisch”. Zudem fordert er bei den öffentlichen Ausgaben mehr Transparenz: “Die Bürger wollen klare Einsicht haben.”
Tiroler Landeshauptmann nimmt Autonomie in Angriff
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) will eine Steuerautonomie für Länder ehebaldigst in Angriff nehmen. “Ich traue das der derzeitigen Bundesregierung zu.” Insbesondere bei Finanzminister Hartwig Löger und Justiz- und Reformminister Josef Moser (beide ÖVP) würde er großes Interesse orten, so Platter, der abermals die Steuerautonomie der Schweizer Kantone als Vorbild ins Treffen führte. Eine Steuerautonomie für die Bundesländer in Österreich sei “erstrebenswert”, schließlich würde diese den Standort stärken, argumentierte Platter. Denn zum einen werde sich der Wettbewerb unter den Ländern positiv auswirken, zum anderen wären mehr Entscheidungsmöglichkeiten im Land verankert, argumentierte Platter. Das Thema müsse vorangetrieben werden.
NEOS: “Spendierföderalismus muss enden”
Positiv überrascht reagierte der stv. NEOS-Klubobmann Niki Scherak auf den Vorstoß von Tirols Landeshauptmann Günther Platter, eine Steuerautonomie für die Länder in Angriff nehmen zu wollen: “Der herrschende Spendierföderalismus der Länder muss endlich enden. Die Länder müssen endlich Verantwortung für ihr Handeln und ihren Umgang mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler übernehmen. Wir müssen das föderale System in Österreich endlich nachhaltig reformieren, in seiner jetzigen Form hat es sich längst überlebt.” Besonders die Krankenhausorganisation sowie die Mindestsicherung gehören endlich bundeseinheitlich geregelt, so Scherak: “Dass es hier neun unterschiedliche Gesetze gibt, ist ein Unsinn, der dringend behoben gehört.”
Liste Pilz: Rolle der Steuerautonomie in Österreich abwarten
(APA/Red.)