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Salzburger Grenzfall: Geraubte Kunstschätze mit Station im Schloss Fischhorn

Schloss Fischhorn diente während des Zweiten Weltkriegs als Depot für geraubte Kunstschätze.
Schloss Fischhorn diente während des Zweiten Weltkriegs als Depot für geraubte Kunstschätze. ©LMZ Salzburg
Warum das Pinzgauer Schloss Fischhorn kurzzeitig zum Hort für die bedeutendsten Kunstschätze Polens wurde, warum dem ersten Kunstraub ein zweiter folgte und warum möglicherweise auf Salzburger Dachböden oder in Kellern noch weitere Kunst-Sensationen schlummern, dem geht dieser aktuelle Salzburger Grenzfall nach.
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Kulturschätze, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in Salzburg Station machten, sind keine Seltenheit. Bei der ungarischen Stephanskrone, die nach Kriegsende 1945 für einige Wochen von flüchtenden ungarischen Pfeilkreuzlern in Mattsee versteckt wurde, kann man von einer Panikreaktion angesichts der anrückenden alliierten Truppen ausgehen.

Großangelegter Raub polnischer Kunst

Planmäßiger gingen die kunstinteressierten Bonzen des NS-Regimes anfangs mit ihrer Kriegsbeute aus den eroberten Gebieten um. Nach dem Überfall auf Polen 1939 wurde alles, was den neuen Besatzern künstlerisch wertvoll schien, hauptsächlich im Nationalmuseum in Warschau konzentriert.

Zahlreiche Kunstschätze wuden Opfer eines Raubs./LMZ Salzburg
Zahlreiche Kunstschätze wuden Opfer eines Raubs./LMZ Salzburg ©Zahlreiche Kunstschätze wuden Opfer eines Raubs./LMZ Salzburg

Versteck in den “sicheren” Alpen

Nach dem Einbrechen der Ostfront und dem Warschauer Aufstand im Oktober 1944 verfügte Adolf Hitler die Verschleppung der Kunstschätze in die Salzburger Gebirgsgaue, Teil der mythischen “Alpenfestung”. Sie wurden als sicherer Kern des Deutschen Reichs vor dem Zugriff der Alliierten eingestuft. Die wertvollsten Werke aus den Sammlungen des Nationalmuseums, des Königsschlosses, der Krasiński-Bibliothek, der Nationalbibliothek, des Blauen Palasts und weiteren Orten wurden in 41 Kisten und auch als Einzelstücke auf Fahrzeuge verladen und per Zug über Schlesien nach Österreich transportiert, wo sie auf Schloss Fischhorn in Bruck an der Glocknerstraße untergebracht wurden. Bis 1807 hatten dort die Chiemseer Bischöfe residiert. 1943 hatten die Nationalsozialisten das Schloss beschlagnahmt und eine Reiterschule sowie ein KZ-Nebenlager eingerichtet.

Nicht nur polnische Kunstschätze, sondern auch ungarische, holländische und französische Kunstsammlungen fanden ihren Weg in den Pinzgau.

Kunstschwund nach Kriegsende

Anfang Mai 1945 verließen die deutschen Truppen das Schloss, nicht ohne zahlreiche Kunstgegenstände zu rauben. Das nun unbewachte Schloss und seine verbliebenen Schätze waren bis zur Besetzung durch amerikanische Truppen am 8. Mai der Plünderung ausgesetzt. Die Amerikaner reagierten rasch und ordneten die sofortige Rückgabe an – auch gegenüber den eigenen Soldaten, was Wirkung zeigte. Unabhängig davon begaben sich Vertreter der polnischen Regierung auf die Suche und spürten unter anderem in einem Forsthaus in Kaprun einen Silbertisch aus dem Warschauer Belvedere auf.

Ein Teil der Schätze kehrt zurück

Insgesamt 408 Bilder, darunter Werke von Bacciarrelli, Matejko und Gierymski, 68 Gobelins, 43 Skulpturen, 154 antike Möbel aus dem Warschauer Königsschloss und dem Schloss im Łazienki Park, Kontusche-Schärpen zu altpolnischen Nationaltrachten, Militaria und Grafiken konnten so für eine Rückführung nach Polen gesichert werden. Ein Zug mit zwölf Waggons voller polnischer Kunstwerke aus Salzburg kam am 23. April 1946 in Warschau an. Der Rest des umfangreichen Kunstraubs blieb vorerst verschollen und musste in den folgenden Jahrzehnten mühevoll Stück für Stück aufgespürt werden.

Spätes Wiedersehen

Zuweilen kam dabei der Zufall zu Hilfe. Ein Prozessionskreuz aus Limoges aus dem 12. Jahrhundert landete 2004 in Zell am See im Sperrmüll und danach in der Wohnung einer Finderin, die es “zu schade zum Wegwerfen” fand. Als sie es einem Bekannten zeigte, wurde dieser hellhörig und wandte sich an den Kustos des Bergbau- und Gotikmuseums in Leogang, Hermann Mayrhofer. Das wertvolle “Kreuz von Limoges” verursachte einen kurzen regionalen Medienhype und wurde 2008 nach Krakau zurückgebracht. Kunsthistoriker vermuten, dass es in Zukunft noch weitere Entdeckungen von ehemaligem NS-Raubgut aus Fischhorn geben könnte.

Kurioses über Grenzen hinweg

Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Bundeslandes.

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