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Michael Spindelegger tritt von allen Ämtern zurück

In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz kündigte Spindelegger Dienstagfrüh an, dass er seine Funktionen als Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Obmann zurücklegt.
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Michael Spindelegger tritt von seinen Funktionen als Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Obmann zurück. Er begründete diesen Schritt in erster Linie mit der parteiinternen Kritik an seiner Haltung in der Steuerreformdebatte. Die Entlastung der Steuerzahler sei nötig, aber “zum richtigen Zeitpunkt”, so der Finanzminister mit Verweis auf den nach wie vor hohen Staatsschuldenstand.

Die parteiinterne Kritik an Spindelegger war in den vergangenen Wochen immer lauter geworden. Mehrere schwarze Landeshauptleute hatten den Kurs der Bundespartei kritisiert und mehr Tempo bei der Steuerreform gefordert. Spindelegger war seit 2011 Vizekanzler und ÖVP-Obmann. Dem Finanzministerium stand er seit Dezember 2013 vor.

 

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Loyalität und Paktfähigkeit vermisst

In der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Finanzministerium begründete Spindelegger seinen Rücktritt mit der aktuellen Steuerreformdebatte. Hier habe er Loyalität und Paktfähigkeit vermisst. “Loyalität und Paktfähigkeit fordere ich von allen ein, auch vom Regierungspartner. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo ich mir schuldig bin, diesen Schritt zu setzen”, begründete er seinen Rücktritt. Die Entlastung der Steuerzahler sei nötig, aber “zum richtigen Zeitpunkt”, so der Finanzminister mit Verweis auf den nach wie vor hohen Staatsschuldenstand.

Parteiinterne Kritik ausschlaggebend

Die unterschiedlichen Standpunkte zur Steuerreform mit dem Koalitionspartner hätte er noch durchgestanden, erklärte Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), aber auch aus der eigenen Partei würden nun jene die Oberhand gewinnen, die “auf den Populismuszug” aufspringen. “Wenn der Zusammenhalt nicht mehr da ist, ist auch der Moment gekommen, das Ruder zu übergeben”, meinte Spindelegger bei der Pressekonferenz.

Eine Steuerreform jetzt wäre nur mit neuen Schulden oder neuen Steuern möglich, das sei für ihn nicht gangbar, betonte Spindelegger. Alle Regierungsmitglieder, Landeshauptleute und Abgeordnete würden die Zahlen zum Schuldenstand kennen. “Ehrlichkeit gegenüber den Menschen ist mir besonders wichtig.”

“Keine einfachen Jahre”

Über seine Jahre an der Parteispitze resümierte Spindelegger, dass diese “sicher keine einfachen” waren. Er hob allerdings u.a. ein respektables Ergebnis bei der Nationalratswahl und die Bestätigung des ersten Platzes bei der EU-Wahl unter seiner Führung hervor. Auch mit seinen Leistungen im Finanzressort ist Spindelegger “durchaus zufrieden”.

Er habe sicher Fehler gemacht und den einen oder anderen vielleicht beleidigt, gekränkt oder verletzt, dafür wolle er sich entschuldigen. Dies sei sein letzter Auftritt vor den Medien, sagte Spindelegger, bevor er sich – ohne Frage zuzulassen – verabschiedete. Seine Nachfolge blieb damit vorerst offen.

Folgt Mitterlehner nach?

Eine Stunde vor offiziellem Sitzungsbeginn haben sich am Dienstag die ÖVP-Spitzen zu Beratungen über die Nachfolge von Parteichef Michael Spindelegger getroffen. Die besten Karten hatte offenbar Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, dessen Beförderung zum Parteichef vom Bauernbund offen unterstützt wurde. Möglich schien aber eine Trennung von Vizekanzler und Finanzminister.

“Die ÖVP ist ein kompliziertes Wesen”

Mitterlehner hatte bereits am Nachmittag als erster Anwärter für die – allenfalls interimistische – ÖVP-Führung gegolten. Bauernbundobmann Jakob Auer sprach das vor Sitzungsbeginn auch offen aus: Er gehe “mit einem Gefühl der Erwartung einer Entscheidung” in die Sitzung, sagte er. Seitens des Bauernbundes werde man Reinhold Mitterlehner unterstützen.

Andere Parteigranden zeigten sich beim Eintreffen in der Parteizentrale – das eine Stunde vor dem offiziell für 19 Uhr angesetzten Sitzungsbeginn startete – zurückhaltend. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf glaubte zum Beispiel “eher nicht” an eine Entscheidung schon am Dienstag. Ähnlich äußerte sich Seniorenbundobmann Andreas Khol: “Die ÖVP ist ein kompliziertes Wesen. Innerhalb von zehn Stunden einen Obmann zu finden, halte ich für sehr schwierig.”

Spindelegger “will nichts ergänzen”

Angesagt hatten sich die meisten Parteigranden, einige mussten extra aus dem Ausland anreisen. Entschuldigen lassen hatte sich allerdings Niederösterreichs noch im Urlaub befindlicher Landeschef Erwin Pröll.

Selbst aus dem Spiel genommen hat sich beim Eintreffen in der Parteizentrale Prölls Landsfrau Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. “Ich stehe nicht zur Verfügung”, deponierte sie. Burgenlands Landesparteichef Franz Steindl wollte zwar keine Namen nennen, ließ aber durchblicken, dass die Obmannfrage heute geklärt wird: “Ich glaube, es werden heute Entscheidungen getroffen.”

Abwartend zeigte sich Wirtschaftsbund-Obmann Christoph Leitl, der zuerst intern diskutieren will. Er plädierte aber klar für die Trennung von Vizekanzler und Finanzminister: “Ich habe es drei Mal für einen Blödsinn gehalten und drei Mal bin ich bestätigt worden. Ein viertes Mal sollten wir es nicht machen.”

Spindelegger selbst gab sich beim Eintreffen in der Parteizentrale zugeknöpft: “Ich habe gesagt was ich zu sagen habe und will nichts ergänzen.”

(APA)

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