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Spanien: ETA-Terrorist im Hungerstreik

Für viele Spanier ist er der Inbegriff des ETA-Terrors. José Ignacio de Juana Chaos galt als eines der brutalsten Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation.

Er führte in den 80er Jahren das gefürchtete „Kommando Madrid“ an, das ein Armeefahrzeug mit Maschinenpistolen beschoss oder eine Autobombe neben einem Bus mit Polizeischülern zündete. 1987 wurde er wegen Teilnahme an elf Anschlägen und 25-fachen Mordes zu 3000 Jahren Haft verurteilt. In seiner Haftzelle, so heißt es, soll er ETA-Morde mit Sekt gefeiert haben.

Nach einem elfwöchigen Hungerstreik, mit dem er seine Freilassung erzwingen will, schwebt der 51-Jährige nach Angaben der Ärzte in Lebensgefahr. Die spanischen Richter standen vor einer schweren Entscheidung: Sollten sie dem Terroristen Hafterleichterung gewähren oder das Risiko eingehen, dass der Gefangene stirbt? Die Frage war in Spanien so heftig umstritten, dass die zuständigen Richter des Nationalen Gerichtshofs nicht allein entscheiden wollten, sondern alle Richter der Strafkammer einberiefen. Das Plenum entschied mit zwölf zu vier Stimmen, dass der Terrorist in Haft bleiben muss.

Die Staatsanwaltschaft hatte dafür plädiert, den Mann heimzuschicken und unter Hausarrest zu stellen. Dagegen meinte der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy: „Der Rechtsstaat darf sich nicht erpressen lassen. Was ist, wenn alle ETA-Terroristen in den Hungerstreik treten?©Kommen sie dann alle frei?“ Noch drastischer äußerte sich der sozialistische Ex-Verteidigungsminister José Bono: „Wenn De Juana sich zu Tode hungern will, warum tat er das nicht, bevor er 25 Menschen umbrachte?“

Bisher wurden in©Spanien noch nie Terroristen wegen Hungerstreiks aus der Haft entlassen. In den Jahren 1981 und 1990 starben zwei inhaftierte Mitglieder der Organisation GRAPO an den Folgen einer solchen Aktion. Der Fall von De Juana weist jedoch eine Besonderheit auf:©Der ETA-Terrorist ist kein verurteilter Gefangener, sondern Untersuchungshäftling.

Er hat – so paradox dies klingt – seine Strafe von 3000 Jahren verbüßt. Auf Grund des spanischen Rechts und guter Führung wurden daraus nur 18 Jahre. De Juana hätte vor einem Jahr aus der Haft entlassen werden müssen. Die anstehende Freilassung löste damals unter den Opfern des ETA-Terrors eine Welle von Protesten aus. Die Justiz suchte daraufhin händeringend einen Weg, den Mann weiter in Haft zu halten.

Sie entdeckte zwei Artikel, die De Juana für die Zeitung „Gara“ geschrieben hatte, in denen die Namen mehrerer Justizbeamter genannt werden. Dies interpretierten die Richter als Drohung:©Allein mit der Nennung habe De Juana die Betreffenden als Ziele für die ETA markiert. Im November 2006 wurde er deshalb zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Namhafte Juristen bezeichneten das Strafmaß als völlig überzogen. Für terroristische Drohungen gibt es normalerweise höchstens fünf Jahre Haft. De Juana trat in den Hungerstreik. Für die Separatisten im Baskenland ist er somit trotz seiner terroristischen Vergangenheit zu einer Symbolfigur geworden.

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