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Skinhead-Reportage: Ex-ORF-Chefredakteur sieht journalistische Fehler

Zwei Skinheads standen für den ORF vor der Kamera
Zwei Skinheads standen für den ORF vor der Kamera ©ORF
Der Ex-ORF-Chefredakteur Werner Mück ortet bei der "Am Schauplatz"-Reportage über den rechten Rand journalistische Fehler. So hätte FPÖ-Chef Strache darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass die Kamerateams zwei Skinheads mitbrachten, ebenso seien Zahlungen "nie die Regel" gewesen.
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Nach Ansicht Mücks, der als Chefredakteur auch für die Reportageformate verantwortlich war, hätte das Team bei dem Dreh auf der FPÖ-Wahlveranstaltung in Wiener Neustadt FPÖ-Chef Heinz Christian Strache darüber aufklären müssen, dass man zwei Skinheads mit der Kamera begleite, um deren Leben und Gedankenwelt zu schildern und sie deshalb auch zur Kundgebung mitgebracht habe. Zahlungen an Protagonisten seien in der ORF-Information seiner Erfahrung nach “nie die Regel gewesen”, sagte Mück im Interview mit der APA.

Grundsätzlich ist es für den Ex-Chefredakteur nur zulässig, die “Realität vor der Kamera abzubilden”. Weil aber “Fernsehen immer auch Konstruktion ist, müssen die Grenzen zur unseriösen Manipulation sehr genau gezogen werden, denn der Zweck heiligt nicht alle Mittel”, sagte Mück. “Es gibt ein paar Dinge, über die ein öffentlich-rechtlicher Sender, der zur Objektivität verpflichtet ist, sagen muss: ‘Schluss. Aus. Nicht bei uns'”. Dies sei etwa bei der Inszenierung oder Instrumentalisierung politischer Veranstaltungen durch mitgebrachte und bezahlte “Komparserie” der Fall, findet der Ex-Chefredakteur: “Wodurch unterscheiden wir uns sonst vom Scheckbuchjournalismus der Kommerzsender?” Man habe sich im ORF in dieser Frage immer zur freiwilligen Selbstbeschränkung bekannt. Die gestellte Szene als Stilmittel gebe es bei politischen Reportagen grundsätzlich nicht. “In anderen Bereichen muss sie deutlich als solche gekennzeichnet werden”, so Mück.

Der langjährige ORF-Journalist hält es in dem Zusammenhang auch für einen Verstoß gegen journalistische Regeln, dass das “Am Schauplatz”-Team die beiden jugendlichen Skinheads mit dem Auto nach Wiener Neustadt mitgenommen habe und das an Ort und Stelle nicht transparent gemacht worden sei: “Wenn ich schon so etwas mache, wie bei ‘Am Schauplatz’ muss ich sagen: ‘Herr Strache, ich habe zwei oder drei Leute mitgebracht’, die möchten wir mit ihnen konfrontieren. Es ist ein Fehler gewesen, dass man das verschleiert hat.”

Dass man zwei junge Rechtsradikale zu Straches Kundgebung gebracht habe, weil sich dieses Publikum ohnehin bei FPÖ-Veranstaltungen sammeln würde, sei journalistisch mehr als fragwürdig: “Das ist so, wie wenn sie einem Menschen mit anrüchigem Freundeskreis zwei Damen mit üblem Leumund zuführen, um dann entrüstet zu sagen: ‘Pfui, welch verwerflicher Lebenswandel’.”

Dass es üblich sei, Zahlungen an Protagonisten von Reportagen zu leisten, wies Mück zurück: “Wir haben in der Information eigentlich immer ‘Nein’ gesagt. Auch wegen der Beispielwirkung.” Wenn es doch vorgekommen sei, “waren es immer die Ausnahmen und nie die Regel”. Solche Ausnahmen wären nach Ansicht Mücks etwa Historiker, die ihr Fachwissen ausführlich zur Verfügung stellen und deren Aufwand damit abgegolten werden sollte. “Im Falle der Skinheads hätte ich gefragt: Welche Rechte, die man nicht auch vielen anderen Protagonisten von ORF-Produktionen abgelten müsste? Für notwendigen Sachaufwand und Reisespesen haben wir hingegen immer Ersatz geleistet.”

Werner Mück war 2001 bis 2006 Chefredakteur der ORF-Fernsehinformation und in seinem damaligen Funktionsumfang auch zuständig für den Magazinbereich. Danach leitete Mück den Spartensender TW1, 2009 trat er in Pension.

Der Magazinchef des ORF, Johannes Fischer, hat unterdessen die Kritik Mücks zurückgewiesen. Schon früher seien Zahlungen an Protagonisten geleistet worden, außerdem gebe es in der “Am Schauplatz”-Reportage über den rechten Rand “keine gestellte Szene”, betonte er.

Fischer, der als Chefredakteur heute für die Magazine des ORF-Fernsehens zuständig ist, wies die Vorwürfe seines Vorgängers brüsk zurück. “Das Erinnerungsvermögen des Herrn Mück, der sich in einer überaus luxuriösen Altprivilegienpension befindet, trügt: Selbstverständlich hat es auch in seiner Zeit Zahlungen an Protagonisten für Persönlichkeitsabgeltungen gegeben. Die entsprechenden Unterlagen liegen in unserer Buchhaltung.”

Dass das “Am Schauplatz”-Team FPÖ-Chef Heinz Christian Strache beim Dreh darauf aufmerksam machen hätte müssen, dass man zwei Protagonisten mit der Kamera begleite, war aus Fischers Sicht nicht notwendig: “Herr Strache war nicht die Hauptperson der Reportage, der war nur eine Randfigur. Herr Strache war bei einer offiziellen Wahlveranstaltung seiner eigenen Partei, mit dem muss niemand reden, der dort hinkommt.”

Die Frage nach Inszenierung auf einer politischen Veranstaltung stelle sich nicht: “Dazu ist nur zu sagen: Es gibt keine gestellte Szene. Bei jeder Strache-Veranstaltung tauchen Skinheads auf.”

Auch den Vorwurf des Scheckbuchjournalismus lässt Fischer für den ORF nicht gelten: “Wir betreiben sicher keinen Scheckbuchjournalismus. Wir kaufen keine Interviews, das ist ja lachhaft.”

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