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Skandalsport Fußball

©APA/AFP/PIERRE-PHILIPPE MARCOU
Kommentar von Andreas Unterberger: Ich gebe zu: Seit meiner Jugend hat mich wie viele andere Fußball aktiv und passiv fasziniert. Es gibt keine Sportart, wo in Europa so viele Menschen zuschauen. Und dennoch – oder gerade deswegen? – ist Fußball eine besonders skandalträchtige Branche. Womit nicht schlechte Spielerleistungen oder überforderte Schiedsrichter gemeint sind.

Der aktuellste Skandal betrifft die mutmaßliche Steuerhinterziehung durch den in Spanien spielenden Portugiesen Ronaldo. Das ist gleich ein doppelter Skandal. Einerseits durch die Tat und ihre Dimensionen. Andererseits durch den öffentlichen Umgang damit.

Tatsache ist, dass in Deutschland einst etwa der Spitzenmanager Zumwinkel spektakulär vor zahllosen Kameras abgeführt worden ist. Und zwar im gleichen Augenblick, da der Verdacht der Steuerhinterziehung überhaupt erst öffentlich bekannt geworden ist. Ronaldo hingegen konnte auch nach Bekanntwerden des Skandals ohne Beschlagnahme von Handy, Computer und ohne Hausdurchsuchung ungerühnbrt und uerührt im Trainingslager verbleiben.

Dabei sind die Dimensionen des Vorwurfs durchaus unterschiedlich: Zumwinkel hat weniger als eine Million Euro hinterzogen. Der iberische Fußballer mit der Liebe zu eitlen Macho-Gesten jedoch soll hingegen mehr als 14 Millionen hinterzogen haben.

Und alle Spanien- und Fußballexperten sind  überzeugt, dass ihm auch weiterhin nichts Ernsthaftes passieren wird’s. Gilt er doch weltweit als der derzeit beste Kicker. Ich weiß zwar nicht, ob sie Recht haben, aber der Umgang mit der Causa durch Behörden und Fußballwelt ist skandalös.

Es ist aber nicht nur der weltbeste Fußballer, sondern es sind auch viele andere Spieler, die glauben, sie stünden außerhalb des Gesetzes. Sie glauben das solange vielleicht sogar zu Recht, solange ihnen Medien und Fans zujubeln. Und zumindest solange sie im Monat mehr verdienen, als die Staatsanwälte, Polizisten und Richter im Leben verdienen werden, die gegen sie vorgehen sollten. Auch hierzulande hört man ja übrigens allzuoft von Exzessen und Schwarzgeld-Affären etlicher Spitzenfußballer, die dann aber immer irgendwie hinter den Kulissen glattgebügelt werden.

Warum lassen das eigentlich die stets so dicht an den Fußballstars klebenden Medien durchgehen, die sich anderen Verdächtigen gegenüber immer – teils notwendigerweise, teils peinlich hetzerisch – als Oberjustiz aufspielen?

Mit dieser Frage sind wir gleich beim nächsten Skandal gelandet: Im Bereich Sport und Kultur fühlen sich die dort werkenden Journalisten nicht als unabhängige Beobachter, nicht als Anwälte der Bürger und Steuerzahler, sondern als Amtsverteidiger der Spitzensportler (und geldverschwendenden Theaterhäuser). Sie vertuschen möglichst viele Sportler-Untaten, zumindest solange die Sportler den Medien brav zur Verfügung stehen, und solange die Massen jubeln.

Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass jemals ein Sportjournalist investigativ dem steuerlichen oder sonstigen privaten Verhalten von Sportstars, ihrem Drogen- und Dopingkonsum nachrecherchiert hätte. Sie schreiben darüber immer nur dann, wenn andere etwas aufdecken.

Dabei sollten sie als unabhängige Journalisten eigentlich noch etwas Zweites, noch Wichtigeres recherchieren: nämlich wie viel Steuergeld ohne akzeptable Rechtfertigung in den Fußball fließt. Auf vielfältigen Wegen. Um nur die wichtigsten zu nennen:

Da gibt es die direkten Förderungen durch Bund, Länder und Gemeinden aus Steuermitteln, wo zur Tarnung beispielsweise “Jugendförderung” drübersteht.

Da gibt es oft seltsames, aber irgendwie mit der Politik verbundenes Sponsoring (etwa durch die Flugzeugfirma EADS für den SPÖ-nahen SK Rapid, ohne dass aber Rapid als Werbeträger für EADS agieren würde; was also nur als Liebesdienst an die SPÖ verstanden werden kann).

Da baut die Politik mit Steuergeldern dem Profi-Fußball immer tollere und teurere Stadien.
Und da zahlen die Steuerzahler schließlich auch die (selbst ohne den Terror) immer umfangreicher gewordenen Sicherheitsmaßnahmen rund um Fußballspiele, die ja selbst weit weg von den Stadien noch große Kosten verursachen. Etwa wenn Fans randalierend und devastierend durch Innenstädte oder Züge ziehen.

Die Summe dessen, was der Steuerzahler etwa alleine für den österreichischen Fußball aufzubringen hat, sind nicht genau zu eruieren. Dazu mauern Politiker, Vereine, Behörden, Medien kollektiv viel zu intensiv. Aber es geht jedenfalls mit Sicherheit um viele Hunderte Millionen Euro im Jahr.

Dieses Geld könnte in Wahrheit durchwegs eingespart werden. Es gibt keinen einzigen validen Grund, Steuermittel an den Fußball fließen zu lassen. Selbst wenn dieser erfolgreich wäre.

Denn Profivereine sind reine Unterhaltungs- und Wirtschaftsunternehmen geworden. Und solche sollten prinzipiell nicht subventioniert werden. Wenn eine Firma ein neues Bürohaus braucht, muss sie das ja auch selber bezahlen und kann sich das nicht von der öffentlichen Hand finanzieren lassen. Wenn Disney oder Legoland einen neuen Vergnügungspark bauen, müssen sie dessen Kosten ja auch selber aufbringen. Und wenn ein Unternehmen etwa Gefahrengüter transportiert, dann muss es eben auch für die Polizeibegleitung zahlen.

Denn weder Fußballstars noch Fans setzen ein Verhalten, das man als vorbildlich subventionieren müsste.
Denn die maßlos überhöhten Fußballgagen (Ronaldo verdient ja ein Vielfaches von Spitzenmanagern) sind pädagogisch ein mehr als problematisches Signal für Jugendliche.

Denn je mehr der Spitzenfußball gefördert wird, umso mehr kommt der Hobbyfußball unter die Räder (dessen Förderung im Gegensatz zum Spitzensport ja durchaus zu rechtfertigen wäre). Wers nicht glaubt, soll einmal versuchen, kostenfrei einen Fußballplatz für ein Spiel zweier Privatmannschaften zu finden, die einfach nur etwas für ihre Gesundheit und Bewegung tun wollen. Oder er soll versuchen, seine Kinder bei einem Verein einschreiben zu lassen, ohne dass diese viermal pro Woche trainieren und deshalb ihre Chancen auf eine gute Schulbildung aufgeben müssen.

Denn im Gegensatz zum Skisport (und auch zu Staatsoper und Musikverein) schafft der Spitzenfußball kaum irgendeine Umwegrentabilität. Wegen Rapid, Austria oder Red Bull Salzburg kommt kaum ein Tourist nach Österreich oder kauft österreichische Produkte (sehr im Gegensatz zu den Skiern und zu den boomenden Wintersportorten).

Denn der europäische Spitzenfußball hat sich neuerdings selbst und freiwillig in die Kategorie exklusives und teures Entertainment zurückgezogen. Die Champions League wird nämlich künftig nirgendwo im frei empfänglichen Fernsehen zu sehen sein. Wer also Spitzenspiele sehen will, muss zusätzlich zu seinen Steuern, Abgaben und zur (für den bloßen Besitz eines empfangstauglichen Fernsehapparates fälligen) ORF-Steuer auch noch bei „Sky“ ein Abo zahlen. Das ist das gute Recht für ein Kommerzunternehmen, nicht jedoch für einen hochsubventionierten Bereich.

Warum fließt dann trotzdem im hochverschuldeten Österreich (oder gar in den noch viel höher verschuldeten Ländern wie Spanien oder Italien) so viel Steuergeld in den Fußball? Und zwar ohne dass die Bürger dazu jemals befragt worden wären. Dafür gibt es drei Gründe:

Der erste ist die Eitelkeit der Politiker, die sich gerne auf Stadiontribünen in der Nähe der Stars zeigen, und ihr Glaube, so wählernah zu werden.

Der zweite Grund ist, dass unsere Gesellschaft immer mehr zu einer dekadenten Abstiegskultur wie das alte Rom in seiner letzten Epochen geworden ist. Da haben sich Kaiser  nur noch durch Panem et circenses an der Macht halten können. Durch immer mehr ausufernde Wohlfahrtsleistungen und durch Spiele. Heute würde man sagen: durch Mindestsicherung, Donauinselfest und Fußball.

Der dritte Grund: Ein Gutteil der politischen Klasse hat jedes Gefühl dafür verloren, mit welcher Härte und Brutalität das Geld, das sie so locker verstreut, zuvor den Menschen abgenommen worden ist. Von jedem Lohn, von jedem Einkommen, bei jedem Einkauf – und noch bei Dutzenden anderen Dingen, die zusätzlich besteuert werden. Zu allen, die nicht freiwillig zahlen, kommt der Exekutor.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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