Bilder einer langen Reise zum Nordkap, die mit dem Auto zum innerfamiliären Stresstest wird. Und Bilder einer ausdauernden Ehe, die Lisa Weber in ihrem Langfilmdebüt mit Sensibilität und Humor einfängt.
Sitzfleisch – Geschichte
Die Protagonisten sind ihre Großeltern Hansi und Gertrude, die seit knapp 50 Jahren zusammen sind und deren Gespräche sich zumeist auf sehr pragmatischer Ebene abspielen. Während der Opa dabei so schön fluchen kann, wie man das nur selten im Kino zu hören bekommt, muss die Oma auf diesem Wege auch viel einstecken, was der Filmemacherin und ihrem Bruder immer wieder sauer aufstößt.
Letztendlich ist man sich zu viert auf einer langen Autofahrt aber schlicht ausgeliefert, wie Lisa Weber mit ihrer umgeschnallten Kamera eindrucksvoll dokumentiert. Ihre Rolle als Filmemacherin und Enkeltochter meistert das vielversprechende Talent von der Wiener Filmakademie mit viel Gespür für die Bruchlinien, gut unterstützt von Nachwuchsproduzent Rudi Takacs und ihrem Cutter Roland Stöttinger.
Entstanden ist so eine Mischung aus Homemovie und persönlichem Dokumentarfilm, die erfrischend offen und herzerwärmend sympathisch die sommerliche Reise in den hohen Norden festhält – weitgehend in der BMW-Blase mit den eigens mitgebrachten Würstchen und abgeschottet von anderen Reisenden, geprägt von Erwartungen und Gewohnheiten sowie Wiederholungen und Monotonie auf der Reise.
Dass das Ziel immer unwichtiger wird, während das lange Zusammenleben der beiden Großeltern mehr in den Fokus rückt, ist nur ein spannender Effekt des Films. Der Generationenkonflikt, der auch immer wieder zu offensichtlich peinlich berührten Szenen für die Filmemacherin und ihren Bruder führt, wechselt sich wie nebenbei mit Landschaftsaufnahmen, Irrfahrten, Handständen und Schlagermusik ab.
Sitzfleisch – Kritik
Und das Schöne dabei: Vielen werden die exemplarischen Dialoge von Oma und Opa oder Großeltern und Enkeln sehr bekannt vorkommen. Wenn Hansi bei einer kurzen Pause einem kaputten Fauteuil einen noch absolut passablen Zustand attestiert, bevor er laut fluchend vor einer Wespe flieht, ist das nur einer von vielen äußerst lustigen Momenten dieser universellen und doch so österreichischen Doku.
Dass der günstig produzierte Film nach der Uraufführung beim Filmfestival von Rotterdam nun auch im Kino startet, ist auf jeden Fall höchst erfreulich. Und soviel sei hinzugefügt: Sitzfleisch wird das Publikum definitiv nicht benötigen. Das 77-minütige Werk zählte bei der Diagonale in Graz zu den absoluten Publikumslieblingen – nun sind ihm auch beim regulären Kinoeinsatz zahlreiche Besucher zu wünschen.
(APA)
