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Silva: "Präsident aller Portugiesen"

"Ich möchte und ich werde ein Präsident für alle Portugiesen sein". Das sagte der Liberalkonservative Anibal Cavaco Silva nach seinem Wahlsieg. Auch werde er mit den Sozialisten zusammenarbeiten.

Deren Ministerpräsidenten Jose Socrates erklärte, die Arbeit der Regierung habe bei der Wahl nicht zur Abstimmung gestanden. Die Portugiesen könnten nun politische Stabilität genießen, da für die kommenden dreieinhalb Jahre keine weiteren Wahlen anstünden.

Der Sieg Cavaco Silva bedeutet ein Debakel für die regierenden Sozialisten, die angesichts der stagnierenden Wirtschaft in dem ärmsten Land Westeuropas unter starkem Druck stehen. Socrates war 2005 gewählt worden. Seine Sozialisten haben zuletzt aber an Zuspruch in der Bevölkerung verloren, nachdem sie im Kampf gegen das höchste Haushaltsdefizit in der Euro-Zone drastische Einsparungen und Steuererhöhungen durchgesetzt haben.

Nach Auszählung nahezu aller Wahlzettel komme der ehemalige Ministerpräsident auf 50,59 Prozent der Stimmen, teilte die Wahlkommission am späten Sonntagabend mit. Sollte das Ergebnis auch am Ende Bestand haben, wäre keine Stichwahl notwendig, da der 66-jährige auf Anhieb die erforderliche Mehrheit der Stimmen bekommen hätte.

Cavaco Silva hatte seinen Wahlkampf ganz auf einen wirtschaftlichen Umschwung abgestellt, der das Land aus Stagnation und hoher Arbeitslosigkeit herausführen soll. Die Sozialisten hatten sich bei der Wahl am Sonntag selbst geschwächt, da sie konkurrierende Kandidaten ins Rennen geschickt hatten. Der als Konkurrent des offiziellen sozialistischen Kandidaten Mario Soares angetretene Parlamentsvizepräsident Manuel Alegre kam auf 20,72 Prozent auf den zweiten Platz. Der von Socrates ins Rennen geschickte charismatische 81-jährige Parteigründer und Ex-Präsident Soares folgte mit 14,34 Prozent auf dem dritten Platz.

Cavaco Silva folgt dem scheidenden Präsidenten Jorge Sampaio nach. Er ist der erste Präsident seit der Einführung der Demokratie 1974, der nicht aus dem Lager der Linken kommt.

Der Präsident hat zwar nur beschränkten Einfluss auf die Tagespolitik. Experten rechnen aber damit, dass Cavaco Silva seinen ganzen Handlungsspielraum nutzen wird. Er verfügt über umfangreiche politische Erfahrung als Ministerpräsident Portugals in den Jahren 1985 bis 1995 und war zudem früher Finanzminister. Der portugiesische Präsident ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, kann ein Veto gegen Gesetze einlegen, ernennt die Regierungschefs, führt ihm Kabinett den Vorsitz und darf das Parlament auflösen.

Debakel für Sozialisten

Portugal erlebt in weniger als einem Jahr zum zweiten Mal ein politisches Erdbeben. Im Februar 2005 hatten die Portugiesen bei der Parlamentswahl die Mitte-Rechts-Regierung von Pedro Santana Lopes gestürzt und den Sozialisten unter José Socrates zur absoluten Mehrheit verholfen. Nun vollzogen sie bei der Präsidentenwahl einen neuen Schwenk ins Gegenlager und machten den konservativen Kandidaten Anibal Cavaco Silva in der ersten Runde zum künftigen Staatsoberhaupt.

Die Sozialisten unter Ministerpräsident Socrates erlitten elf Monate nach ihrem Triumph eine doppelte Niederlage. Erstens mussten sie hinnehmen, dass zum ersten Mal in der neuen Geschichte des Landes ein Politiker der rechten Mitte ins höchste Staatsamt gewählt wurde. Zweitens erlebte ihr Kandidat, der frühere Präsident Màrio Soares, ein Debakel. Der 81-Jährige erhielt noch weniger Stimmen als sein Parteifreund Manuel Alegre, dessen Kandidatur die Parteiführung verhindern wollte und der sich als Unabhängiger zur Wahl stellte.

„Der Triumph von Cavaco Silva ist nicht so sehr dessen eigenes Verdienst“, meinte der Kolumnist Boaventura Sousa Santos. „Er geht vor allem auf das Versagen der Linken zurück.“ Während das bürgerliche Lager mit dem Ex-Regierungschef Cavaco Silva nur einen Bewerber ins Rennen geschickt hatten, machten sich auf der Linken gleich fünf Kandidaten, davon zwei Sozialisten, die Stimmen streitig.

Der 66-jährige Cavaco Silva steht bei vielen Portugiesen im Ruf, ein guter Wirtschaftspolitiker zu sein. Als „O©Professor“ von 1985 bis 1995 das Land regierte, erlebte Portugal eine wirtschaftliche Blüte. Dies dürfte viele Wähler zu der Hoffnung verleitet haben, dass der „Vater des Wirtschaftswunders“ das Land jetzt aus der Krise retten könntet. Portugal ist das ärmste Land in Westeuropa. Die Wirtschaft stagniert, eine Besserung ist nicht in©Sicht. Die Portugiesen blicken pessimistischer in die Zukunft als die Bürger der anderen EU-Staaten.

Allerdings hat das Image von Cavaco Silva als „effektiver Macher“ auch eine Kehrseite. Als der Politiker von der konservativ-liberalen Sozialdemokratischen Partei (PSD) vor zehn Jahren von der politischen Bühne abtrat, musste er sich von seinen Gegnern einen autoritären Stil und Arroganz vorhalten lassen. Für sein Comeback bei der Präsidentenwahl richtete er seinen Wahlkampf ganz darauf aus, das Negativimage abzulegen. „Ich stamme aus einfachen Verhältnissen“, betonte der Sohn eines Tankstellenpächters. „Ich bin ein Mann des Volkes.“

Um es sich mit niemandem zu verderben, gab der Ex-Premier sich im Wahlkampf zurückhaltend und schweigsam. Er schüttete zahllose Hände, ließ sich umjubeln und gab überwiegend Gemeinplätze von sich. Selbst eine harmlose Frage wie die nach seiner Lieblingsweinsorte wollte er nicht beantworten: „Bei Weinen kenne ich mich nicht so aus.“ Der Philosoph José Gil fühlte sich an ein „religiöses Phänomen“ erinnert. „Cavaco Silva wurden Wunderkräfte zugeschrieben, die er nicht besitzt“, schrieb er im Nachrichtenmagazin „Visao“. „Die Bevölkerung in der Provinz folgte ihm mit derselben Geisteshaltung, mit der sie bei einer Dürre Prozessionen oder Gebete für Regen organisiert.“

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