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Schluss, aus, Demokratie

©APA (Sujet)
Gastkommentar von Johannes Huber: Warum eine Wahlwiederholung in der Leopoldstadt eine Katastrophe wäre.

Auch die Wiederholung der Bezirksvertretungswahl in der Wiener Leopoldstadt war unter jeder Kritik, keine Frage: Aufgrund eines Fehlers, der weit außerhalb ihres Einflussbereiches liegt, wurden die Stimmen von 799 Wahlkarten-Wählern für ungültig erklärt; sie waren quasi Opfer des berüchtigten Klebestoffproblems geworden. Das ist unerträglich. Zumal es der Gemeinde, anders als von Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) behauptet, möglich gewesen wäre, den Wahlgang zu verschieben. Das macht die Sache noch schlimmer. Und überhaupt: Konsequenzen, die sicherstellen, dass solche Dinge nicht noch einmal passieren, sind nach wie vor ausständig. Da könnte man doch glatt zum Wutbürger werden.

Und trotzdem darf man den Bogen nicht überspannen: Als Bürger muss man sich blind darauf verlassen können, dass Wahlen ordentlich durchgeführt werden. Und da mag man eine Wiederholung vielleicht noch akzeptieren. Aber eine weitere? Das wäre entschieden zu viel.

Übertrieben? Nein: Schon am 18. September haben sich nur noch 35 Prozent der Wahlberechtigten dazu bewegen lassen, ein zweites Mal zur Urne zu gehen. Gut halb so viele wie vor einem Jahr. Bei einem dritten Mal würde die Beteiligung womöglich noch niedriger ausfallen – und das Ergebnis entsprechend zweifelhafter werden.

Schon jetzt hat beispielsweise den Grünen die Unterstützung von gerade einmal 12 Prozent der Wahlberechtigten gereicht, um auf 35 Prozent der tatsächlich abgegebenen gültigen Stimmen – und damit Platz eins – zu kommen. Anders ausgedrückt: Wären alle wählen gegangen, hätten sie dafür drei Mal mehr Unterstützung gebraucht.

Zum Problem schon bei dieser Wahlwiederholung ist im Übrigen geworden, dass ein guter Teil der Bevölkerung die Kandidaten nicht mehr sehen, geschweige denn hören konnte. Damit ist diesen Kandidaten erschwert worden, was vor einer Wahl ganz zwingend nötig ist: Eine harte Auseinandersetzung, die jeden irgendwann einmal dazu bringt, einstudierte Rollen fallenzulassen und zu zeigen, wie er wirklich tickt. Das ist unverzichtbar: Nur so können sich die Leute ein authentisches Bild machen und zu einer vernünftigen Wahlentscheidung kommen.

Schon allein vor diesem Hintergrund, wäre eine zweite Wiederholung der Bezirksvertretungswahl in der Leopoldstadt, wie sie von den Neos zuletzt auf einer Versammlung am Donaukanal diskutiert worden ist und wie sie von der obskuren EU-Austrittspartei durch eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof angestrebt wird, eine demokratiepolitische Katastrophe.

Immerhin aber ist es gar nicht so sicher, dass die Höchstrichter die Wahl vom 18. September aufheben würden, wie viele glauben. Die 799 Wahlkarten hätten nämlich nicht einmal theoretisch von nennenswertem Einfluss auf das Ergebnis sein können; zu weit liegen die Grünen mit ihren 8839 Stimmen vor den Sozialdemokraten (7071) und diese wiederum den drittplatzierten Freiheitlichen (5619).

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur österreichischen Politik. 

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