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Salzburger Grenzfall: Der Wettlauf der Befreier

Ein amerikanischer Soldat blickt am 4. Mai 1945 von der Eisenbahnbrücke über die Saalach in Richtung Untersberg, hinter dem das Wettrennen um die Befreiung des Obersalzburg im Gang ist.
Ein amerikanischer Soldat blickt am 4. Mai 1945 von der Eisenbahnbrücke über die Saalach in Richtung Untersberg, hinter dem das Wettrennen um die Befreiung des Obersalzburg im Gang ist. ©LMZ
Warum die Amerikaner nicht die einzigen Befreier Salzburgs in den ersten Maitagen 1945 waren, dass Salzburg seine kampflose Übergabe zwei Deutschen, die später Österreicher wurden, verdankt, warum sich bei der Befreiung der letzten symbolträchtigen Orte des Deutschen Reichs die Alliierten gegenseitig ein Haxl stellten und wie ein Kommunist erster Nachkriegsbürgermeister Halleins wurde, verrät ein aktueller Grenzfall, der heute, Mittwoch, 6. Mai, auf www.salzburg.at, der Plattform für die Europaregion, veröffentlicht wurde.

Mai 1945. Salzburg wird von der Regenbogen-Division eingenommen. Soweit die landläufige Annahme. Heute, 70 Jahre nach den Ereignissen, die das NS-Regime und den Krieg im Land Salzburg beendeten, bringt die historische Aufarbeitung so manche kuriose Überraschung ans Licht der Nachwelt.

Amerikaner kommt mit Fahrrad

Ende April stand der endgültige Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschland unmittelbar bevor. Aus dem Berliner Führerbunker kamen Durchhalteparolen und “Endsieg”-Illusionen, während sich Adolf Hitler das Leben nahm, alliierte Truppen rückten aus allen Himmelsrichtungen auf Österreich zu. In Salzburg war nicht klar, ob die Rote Armee oder die US-Amerikaner die ersten sein würden. Am frühen Morgen des 4. Mai betritt Ernst Florian Winter, Schwiegersohn von Georg Ludwig von Trapp, bei Burghausen als erster Amerikaner österreichischen Boden – per Schlauchboot und Fahrrad.

Der bayerische Berufsoffizier Oberst Hans Lepperdinger, Kampfkommandant für den “Sicherungsbereich Salzburg”, hatte versucht, zurückströmende deutsche Truppen rasch durch den Salzburger Zentralraum ziehen zu lassen, um bei einem Verteidigungsbefehl keine Streitmacht befehligen zu müssen. Kurz nachdem ihn in den frühen Morgenstunden desselben Tags genau dieser Befehl erreicht, erklärt er um sechs Uhr morgens vom Befehlsbunker im Mönchsberg die “letzte freie deutsche Stadt zur offenen Stadt”, nachdem bereits in der Nacht die Sprengladungen unter den Innenstadtbrücken entfernt worden waren. Zeitgleich macht sich der Chef der Schutzpolizei in Salzburg, der gebürtige Hannoveraner Wilhelm Kirchhoff, auf zur Saalach-Grenze, um den dort wartenden US-Truppen die kampflose Übergabe anzubieten. Er hatte Lepperdinger zu verstehen gegeben, eine kampflose Übergabe zu unterstützen. Der Plan geht auf und die Amerikaner schicken Captain Shine – der nachweislich erste alliierte Soldat auf Salzburger Boden – mit Kirchhoff in die Stadt, der mit Lepperdinger an die blockierte Eisenbahnbrücke an der Saalach zurückkehrt, um dort die Übergabeverhandlungen zu führen. Das noch heute bestehende Gasthaus Zollhäusl dient als Quartier. Noch vor Mittag des 4. Mai erreichen Panzer der 3. US-Infanterie-Division die Staatsbrücke – Salzburg ist befreit.

Großglockner./LMZ
Großglockner./LMZ ©Großglockner./LMZ

Hindernislauf zum Obersalzberg

Mit im Verband der übergeordneten 7. US-Armee befand sich auch die französische 2. Panzerdivision unter General Leclerc. Unmittelbar nach der Befreiung der Landeshauptstadt eilten die US-Truppen sowohl über Bischofswiesen als auch über Grödig weiter nach Berchtesgaden, um die Trophäe – das inzwischen ausgebombte und von den Nazi-Befehlshabern verlassene Führersperrgebiet auf dem Obersalzberg – als erste zu befreien. Der Salzburger Militärhistoriker Gernod Fuchs vergibt den ersten Platz in diesem Wettlauf ebenfalls der 3. US-Infanterie-Division, wobei einige Franzosen bei der Flaggenparade erfolglos versuchten, neben dem Star Spangled Banner die Tricolore aufzuziehen. Der Halleiner Stadthistoriker Mag. Wolfgang Wintersteller berichtet, dass sich Truppenteile gegenseitig durch Straßensperren aufzuhalten versuchten. Den zu kurz gekommenen Franzosen dürfte dann die Idee gekommen sein, mit einer Panzereinheit über die enge alte Dürrnberger Straße nach Hallein vorzustoßen, eines der leichten Panzerfahrzeuge stürzte dabei in die Starzer-Schlucht und diente für einige Jahre Nachkriegskindern als Abenteuerspielgerät.

Halleiner Bürgermeister auf Zuruf

Auch wenn Autoren schon von Franzosen in Hallein am 3. Mai berichten – sie wären damit als erste Alliierte in Salzburg gewesen -, so ist sich Wintersteller sicher, dass ab dem 4. Mai die “Gaullisten”, wie sie die Bevölkerung nannte, Hallein einnahmen. Sie bestimmten mit dem Kommunisten Karl Nedomlel den ersten Nachkriegsbürgermeister, er war ihnen bei einem Tumult vor einer Bäckerei als besonnener Streitschlichter aufgefallen. Es gibt auch Zeitzeugen, die berichten, Nedomlel habe sich mit anschließender Billigung durch die Franzosen selber zum Bürgermeister ausgerufen.

Den Franzosen war bei der Befreiung Salzburgs wenig Glück beschieden. Schon wenige Tage später werden sie ins Hauptquartier ins bayerische Siegsdorf zurückbeordert, ein Versuch, von Berchtesgaden über den Hirschbichl in den Pinzgau zu gelangen, scheitert.

Briten, bitte

Währenddessen stauten sich in den Gebirgsgauen die deutschen Soldaten und die Verletzten in der Lazarettstadt Zell am See. Noch im Juni 1945 befanden sich an die 70.000 Wehrmachtssoldaten und mehr als 16.000 Pferde im Lungau. Dort überwog in den letzten Kriegstagen die Sorge vor den über die Steiermark heranrückenden Russen. Der Landrat des Kreises Tamsweg, Dr. Rudolf Simel, wurde aktiv und sandte eine Botin mit guten Englischkenntnissen nach Kärnten, um die dort eingetroffenen Briten um rasche Befreiung zu ersuchen. Der amerikanische Vorstoß war im Twenger Tal zum Stillstand gekommen, während die Briten bereits am 10. Mai über den Katschberg im Lungau eingetroffen waren. Danach wurden die Besatzungszonen eingeteilt. Am 25. Juni stellte die englische Besatzung ihren Dienstbetrieb ein und die Amerikaner sollten für die kommenden zehn Jahre ganz Salzburg militärisch verwalten.

Deutsche “Retter” und bunte Kurzzeitbesatzer

Mit Lepperdinger und Kirchhoff waren es zwei Deutsche, die über die kampflose Übergabe Salzburgs entschieden. Beide erhielten später die österreichische Staatsbürgerschaft. Kirchhoffs Anteil am glimpflichen Ende des Zweiten Weltkriegs in Salzburg ist heute weitgehend vergessen, rückt Historiker Fuchs die damaligen Vorgänge zurecht. Und: Die als US-amerikanische Salzburger Besatzungsmacht im Gedächtnis behaltene Rainbow-Division, die 42. Infanterie-Division, war weder Befreier in den Maitagen 1945 noch blieben die vom Salzburg-Freund Generalmajor Harry Collins – er heiratete eine Salzburgerin und wurde Ehrenbürger der Landeshauptstadt – befehligten US-Soldaten länger im Land. Bereits Ende Juli 1946 wurden die Regenbogen-Soldaten abgezogen.

 

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