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Salzburger Festspiele: Ex-Intendant Mortier kritisiert Flimm

Den Salzburger Festspielen fehlt aus Sicht ihres Ex-Chefs Gerard Mortier aktuell die künstlerische Vision.
“Die einzige Reflexion zur Zeit ist: Wie sind wir permanent ausverkauft”, sagte Mortier der Nachrichtenagentur dpa. Der 66-jährige Belgier hatte das Traditionsfestival nach dem Tod Herbert von Karajans von 1991 an zehn Jahre lang künstlerisch geleitet und gegen Widerstände stark reformiert. Unter anderem setzte Mortier auf moderne Inszenierungen, stärkte das Schauspiel und öffnete das Programm für die Musik des 20. Jahrhunderts. Momentan ist er Chef des Teatro Real in Madrid.

Heute gehe es wieder viel zu sehr ums Geld, kritisierte Mortier. “Es wird ja nie mehr darüber geredet, wozu haben wir die Salzburger Festspiele? Was bedeuten sie für die Kulturnation Österreich und als Maßstab für andere Festspiele weltweit?” Im Boom von Festspielen in Europa habe Salzburg an Relevanz verloren.

Das liegt aus Sicht des erfahrenen Kulturmanagers überwiegend an der Programmgestaltung. Vor allem Elemente wie in diesem Jahr die Gounod-Oper “Roméo et Juliette” oder die vom künftigen Intendanten Alexander Pereira angekündigte “La Bohème” – beide mit Publikumsmagnet Anna Netrebko – sind Mortier ein Dorn im Auge: “Die Salzburger sollten nur die besten musikalischen Werke der Geschichte vorführen und nicht die, die sich am besten verkaufen lassen.” Blockbuster seien etwas für normale Opernhäuser, Festspiele müssten sich dem Besonderen und Neuen widmen.

Für die fehlende Unterstützung von Salzburgs Stärken sieht Mortier auch den scheidenden Intendanten Jürgen Flimm in der Verantwortung. Dieser sei an anderen Theatern sicherlich ein guter Intendant: “Er hat aber die Salzburger Festspiele total vernachlässigt, das muss ich leider sagen.” Flimm habe seine Aufgabe schlicht nicht ernst genommen: ”So eine große Institution kann man nicht so führen.” Aber auch das Kuratorium sei momentan kaum offen für neue Ideen, es fehlten die großen Dirigenten und die großen Werke.

Salzburg ist für Mortier dabei symptomatisch für die ganze Kulturnation Österreich, die eigentlich ein Beispiel für ganz Europa sein könnte: ”Das große Problem ist, dass man die Kulturnation in der Beweihräucherung der Vergangenheit sieht und nicht die Vergangenheit als Möglichkeit für die Zukunft.” Man feiere sich lieber zweimal im Jahr beim Neujahrskonzert und beim Opernball selbst. “Eben immer noch ein bisschen Kaiser Franz Josef und Kaiserin Sisi.”

Dabei hat die österreichische Kulturszene für den Experten durchaus Spannendes zu bieten. Als Beispiele nennt er einige Projekte der Wiener Festwochen, das Festival Wien Modern oder das Klangforum Wien, das zahlreiche zeitgenössische Werke uraufführt. Diesen Strömungen werde nur nicht ausreichend Raum gegeben. “Salzburg muss da eine Vorreiterrolle spielen.”

Das Gespräch führte Miriam Bandar/dpa

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