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Richard Grasl im Interview: Informationsabteilungen stärken, mehr Österreich-Programm im ORF

ORF-Finanzdirektor Richard Grasl im Interview
ORF-Finanzdirektor Richard Grasl im Interview ©APA
Der Kandidat für den Posten des neuen ORF-Generaldirektor, Richard Grasl, spricht im Interview von seinen Plänen rund um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Sender. Themen wie die Neuaufstellung der Programmdirektionen und auch die Stärkung der Redakteursrechte wurde dabei auch angesprochen.

Der derzeitige ORF-Finanzdirektor will im Fall seiner Bestellung freiwillig auf Alleingeschäftsführer-Kompetenzen verzichten.

Sie haben den “Wahlkampf” um den ORF unter das Motto der besten Ideen und Konzepte für den ORF gestellt. Was macht Sie zu einem besseren Generaldirektor als Alexander Wrabetz und was würden Sie anders machen?

Grasl: Ich sehe das nicht als Wahlkampf. Ich werde eine Bewerbung für eine Funktion abgeben, die demnächst öffentlich ausgeschrieben wird. Ich halte es für völlig aus der Zeit, von einer Wahlkampfsituation zu sprechen. Ich möchte vielmehr Ideen vorlegen und zu einer Diskussion um die Zukunft des ORF beitragen. Vor allem punkto Unternehmensführung und Kommunikation habe ich nach vielen Gesprächen mit Mitarbeitern den Eindruck gewonnen, dass hier Veränderungen möglich sind, und ich traue mir zu, diese mit meinem Team einzuleiten.

Sie planen das Ende der Alleingeschäftsführung und wollen die Geschäftsführung zu einem Kollegialorgan umgestalten, das Entscheidungen gemeinsam trifft. Wie soll das konkret funktionieren?

Indem sich der Generaldirektor freiwillig daran bindet, dass er Entscheidungen gemeinsam mit seinem Geschäftsführungsteam trifft. Und das soll in einer vom Stiftungsrat zu beschließenden Geschäftsordnung passieren. Ich halte mehr von Team-Orientierung, von gemeinsamen Diskussionen und gemeinsamen Entscheidungen. Außerdem ist das in so gut wie allen Unternehmen State of the art. Einige Manager, denen ich das erzählt habe, konnten gar nicht glauben, dass das bei uns noch anders ist. Das kann man – auch wenn das Gesetz anderes sagt – freiwillig anders machen.

Stimmt es, dass Sie mit den vier zentralen Direktionen Fernsehen Programm, Fernsehen Information, Radio und Online planen und Finanzen und Technik bei Ihnen nur Fachbereiche in der Generaldirektion sein sollen?

Die Frage, wie man die einzelnen Direktionen bündelt oder nicht bündelt, wird immer wieder diskutiert. Man sollte tabulos darüber nachdenken und reden. Ich möchte da aber auch noch Gespräche mit dem Technischen Direktor und der Belegschaftsvertretung führen. Noch gibt es jedenfalls keine endgültige Entscheidung.

Vor allem die TV-Information stand zuletzt in der Kritik: Faymann-Solo bei “Im Zentrum”, Lugner-Auftrittsverbot bei den Wahlduellen, die Causa Tempelberg, “Weißblaue Geschichten” statt Live-Einstieg bei der Verkündung des Wahlergebnisses. Etliche Stiftungsräte wünschen sich Optimierungen. Wie sieht Ihr Plan für die Information aus?

Ich möchte die Informationsabteilungen stärken und ihnen eine stärkere Stimme im Haus geben. Die Information ist das Kernstück des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Es muss aber auch der Pluralismus der Redaktionen, die ja selbst sagen, dass sie noch nie so frei berichten konnten, erhalten und ausgebaut werden. Es darf keinen zentralen Info-Verantwortlichen für alle Medien geben, sondern Fernsehen, Radio und Online müssen eigene Führungsebenen haben.

ORF-Generaldirektor Wrabetz hat eine Stärkung der Redakteursrechte vorgeschlagen …

Auch ich überlege, die Rechte der Redakteure zu stärken, möchte dabei aber einen anderen Weg gehen. Eine mögliche Abwahl nach einem Jahr, wie das Alexander Wrabetz vorgeschlagen hat, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Man kann hier zu einer anderen Lösung kommen, darüber möchte ich mit der Redakteursvertretung sprechen.

ORF-Journalisten halten in sozialen Netzwerken mit ihren politischen Meinungen nicht hinter dem Berg. Schadet das der Glaubwürdigkeit und Objektivität des ORF?

Ich glaube, dass diese Frage eine sehr wichtige ist. Es geht zum einen um die persönliche Meinungsfreiheit, und die darf man bei Journalisten nicht beschränken, es geht aber auch um die Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Wir müssen einen Weg finden, dass dieses Spannungsfeld auflöst. Die ORF-Redakteure haben sich selbst sehr gute Social-Media-Richtlinien gegeben. Man soll in sozialen Medien nichts Dummes tun, heißt es darin. Ich würde das noch um die Empfehlung man soll nichts tun, was man nicht auch auf Sendung tun würde, erweitern. Wir könnten diese Social-Media-Richtlinien in unsere Unternehmensrichtlinien übernehmen, aber auch darüber muss man mit den Redakteurssprechern Gespräche führen.

Wohin soll ORF eins gehen. Weiter Abspielstation für US-Serien mit einigen eigenproduzierten Formaten oder generell mehr Fokus auf österreichisches Programm?

ORF eins ist eine ganz wichtige Aufgabe. Wir müssen dort unverwechselbarer werden. Derzeit erreichen wir das in vielen Strecken des Tages nicht so gut. Es wird Aufgabe des neuen Teams sein, gemeinsam zu klären, wie wir die Mittel im ORF so verteilen, dass wir dieses Ziel erreichen. Das heißt, wir werden in anderen Bereichen Abstriche machen müssen. Das kann aber nicht einer dekretieren, sondern wir müssen eine gemeinsame Lösung finden.

Die Umsetzung dieses Vorhabens ist in den letzten Jahren ja auch an finanziellen Vorgaben von Ihnen selbst gescheitert. Wo soll das Geld dafür herkommen? Weniger für ORF III, für den Wrabetz in den nächsten Jahren zusätzliche Millionen freischaufeln will, das Radio Symphonie Orchester aufgeben oder Sportrechte streichen?

Jede Antwort, die ich darauf gebe, würde meinem Ziel widersprechen, dass wir in der Geschäftsführung künftig gemeinschaftlich zu Entscheidungen kommen. Das wird die Aufgabe des neuen Teams sein.

Es kursieren bereits erste Namen für dieses Team, etwa “Presse”-Chefredakteur Rainer Nowak als Informationsdirektor oder OMV-Managerin Michaela Huber als Kaufmännische Direktorin …

Sämtliche Namen, die derzeit kursieren, stimmen nicht und sind reine Spekulation. Ich wünsche mir ein gemeinschaftliches und teamorientiertes Führungsteam, das mit neuem Spirit positiv an die Sache herangeht. Dazu zähle ich nicht nur die Fachbereichsdirektoren und die 9 Landesdirektoren, sondern einen Kreis von 30 bis 40 Mitarbeitern, die ich stärker in die Entscheidungsfindungen einbinden möchte.

Sie gelten politisch als “Ziehsohn” der niederösterreichischen ÖVP und von Landeshauptmann Erwin Pröll. Wie groß ist Ihre Nähe zur ÖVP?

Ich war noch nie in meinem Leben Mitglied einer Partei oder Vorfeldorganisation und bin es bis heute nicht. Ich habe auch noch nicht für eine Partei gearbeitet oder Wahlkämpfe für eine Partei geführt. Und ich pflege eine gute Gesprächsbasis zu Vertretern aller Parteien und Organisationen.

Es gibt auch schon Spekulationen über Ihre Zukunft, falls Sie es nicht schaffen sollten. Lotterien-Vorstand oder eine Managementfunktion bei den Raiffeisen-Medienbeteiligungen seien demnach im Gespräch, heißt es …

Es gibt keine Gespräche und keine Angebote. Ich gehe mit vollem persönlichen Risiko in diese Bewerbung. Ich bin ein positiv denkender Mensch und würde mich, falls ich nicht bestellt werde, mit dieser Frage erst im Herbst beschäftigen. Bis dahin gehört meine ganze Kraft dem ORF und den Mitarbeitern des ORF.

(APA/Red.)

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