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Renate Anderl offiziell zur neuen AK-Präsidentin gewählt

Renate Anderl wurde von der AK-Hauptversammlung zur neuen Präsidentin gewählt.
Renate Anderl wurde von der AK-Hauptversammlung zur neuen Präsidentin gewählt. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Die Hauptversammlung der Bundesarbeiterkammer hat offiziell die Nachfolgerin von Rudi Kaske gewählt. Renate Anderl erhielt bei der geheimen Wahl am Freitag 56 von 59 abgegebenen Stimmen.
Anderl neue AK-Chefin

Renate Anderl, geboren am 5. September 1962, engagiert sich ihr Berufsleben lang in der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer. 2003 absolvierte sie die Betriebsräteakademie in Wien, war von 2008 bis 2014 Bundesfrauenvorsitzende und stv. Bundesvorsitzende der Produktionsgewerkschaft PRO-GE. Ab September 2014 war sie Geschäftsführende Bun-desfrauenvorsitzende und Vizepräsidentin des ÖGB. Seit 2015 ist Anderl auch Mitglied des Bundesrates. In der AK Wien war Anderl bereits seit 2008 Kammerrätin und von 2013 bis 2014 Vizepräsidentin. Seit 2013 ist Anderl Mitglied im Vorstand der AK Wien sowie der Bundesarbeitskammer. Renate Anderl ist verheiratet und hat einen Sohn.

AK-Hauptversammlung wählte Anderl

In der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer teilen sich 67 Mandate auf 4 Fraktionen auf. Die FSG stellt mit 49 Mandaten die absolute Mehrheit, die Fraktion ÖAAB-FCG hat 13 Mandate, die Freiheitlichen Arbeitnehmer 4 Mandate und die AUGE ein Mandat.

Anderl will Respekt für Arbeitnehmer

“Mein oberstes Ziel ist, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Wertschätzung und den Respekt erhalten, der ihnen gebührt.” Das sagte Renate Anderl nach ihrer Wahl zur Präsidentin der Bundesarbeitskammer. Ihr politisches Programm wird von drei Schwerpunkten geprägt sein: Arbeit, Wohnen und Chancen.Wien. “Gute Arbeit bedeutet, dass Schutzstandards, die der Gesundheit und Erholung der Beschäftigten dienen, weiterentwickelt anstatt zurückgefahren werden”, so die neue Bundesarbeitskammer-Präsidentin Renate Anderl. “Wir wollen Gold, nicht Blech, beim Skifahren und im Sport. Wir wollen Gold, nicht Blech, wenn es um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht.” Daher werde sie sich dafür einsetzen, dass die hohen Standards in Österreich weiterhin erhalten bleiben. “Als Präsidentin der Bundesarbeitskammer werde ich dafür kämpfen, dass das österreichische Arbeitsrecht, das in vielen Bereichen besser ist als die EU-Mindestnormen, nicht nur erhalten bleibt, sondern verbessert wird.” Auch einem generellen 12-Stunden-Arbeitstag oder einer 60-Stunden-Woche erteilte Anderl eine Absage.

Erhalt von Sozialstaat als Ziel von neuer AK-Präsidentin

Beim Thema Wohnen ist es Renate Anderl ein Anliegen, dass es zu einer Reform des Mietrechts kommt. Bedauerlich sei, dass die Regierung der Wohnbauinvestitionsbank, die jetzt nach jahrelanger Vorarbeit starten hätte können, die Haftung verwehrt.

“Unser Sozialstaat, wie wir ihn kennen und schätzen, hat das Mehren von Chancen für alle Menschen, für Junge und für Ältere zum Ziel. Es geht um das Ermöglichen und Ermächtigen, um Zusammenhalt und Solidarität”, so die neue AK Präsidentin Anderl. Bildung, Aus- und Weiterbildung spiele beim Schaffen von Chancen eine bedeutende Rolle. “Bei Bildung, Aus- und Weiterbildung sparen, heißt, an der guten Zukunft unserer Kinder zu sparen, und das ist der falsche Ansatz”, erklärte Renate Anderl.

Arbeiterkammer als Schutzschirm für Arbeitnehmer

Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Chancen, die durch die Digitalisie-rung entstehen, besser nutzen können, tritt Anderl für ein Qualifizierungsgeld und eine Woche Bildungsfreistellung pro Jahr für alle ArbeitnehmerInnen ein.

“Die Arbeiterkammer ist der starke Schutzschirm der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer. Wir gehen auch den Auftrag, den uns die Regierung bis Ende Juni erteilt hat, offen-siv an”, so Anderl. Schon in den vergangenen Jahren hat die AK ihre Leistungen laufend verändert und verbessert. “Die AK ist für ihre Mitglieder da”, sagte Anderl. “Nach den Wünschen der Mitglieder werden wir uns richten.”

Anderl gegen Mittelsenkung

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl hat sich in ihrer Antrittspressekonferenz klar gegen eine Senkung der Kammer-Umlage ausgesprochen. Streikdrohungen angesichts von Themen wie Sozialversicherungsrefom oder Arbeitszeitflexibilierung vermied sie.

Anderl verwies darauf, dass viele Pläne der Regierung noch im Ankündigungsstadium seien und man daher nicht wisse, wie sie genau aussehen würden. Ohnehin sei sie nicht eine, die als erstes mit Streikdrohungen hinausgehe. Vielmehr erwartet sie, dass die Bundesregierung mit der Kammer in Dialog tritt.

So ist die AK laut Anderl auch bereit, von der Regierung verlangte Reformkonzepte über die Zukunft der Arbeitnehmerorganisation vorzulegen. Eine Senkung der Mittelzuführung werde aber nicht dabei sein. Diese lehne sie klar ab, müsste die Kammer doch sonst “schlimme Einschnitte” bei den Tätigkeiten für die Mitglieder vornehmen. Überhaupt versteht die Präsidentin nicht, warum sich die Regierung gerade eine Organisation vornehme, die die Interessen der Arbeitnehmer vertrete.

Neo-Präsidentin leistet Widerstand gegen Hartz IV in Österreich

Als Hauptgegner hat Anderl zwei Strömungen identifiziert, die danach trachteten, die Sozialpartnerschaft zu zerstören. Darunter versteht sie einerseits die Industrie und andererseits “freiheitliche und liberale Kreise”. Mit den Christgewerkschaftern versteht sich die Präsidentin dagegen ausgezeichnet. Immerhin haben heute alle AK-Vorsitzenden die “Salzburger Deklaration” unterzeichnet, die unter anderem den “Erhalt der regionalen Krankenversicherungen mit Planungs- und Beitragshoheit”, “die Absicherung der echten regionalen Selbstverwaltung aus Dienstnehmern und Dienstgebern in den Krankenkassen” und “die autonome Finanzierung und Verwaltung der Krankenkassen” verlangt. Der schwarze Vorarlberger AK-Präsident Hubert Hämmerle versicherte dann auch im Rahmen der Hauptversammlung, dass hier kein Blatt zwischen rote und schwarze Arbeiterkämmerer passe.

Aktiv angehen will die neue Präsidentin unter anderem das Thema Arbeitszeit. Den 10-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche lehnt Anderl vehement ab. Hier gehe es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Gesundheit der Arbeitnehmer und Vereinbarkeitsfragen. Vielmehr erscheint der Präsidentin eine Verkürzung der Arbeitszeit angemessen.

Widerstand leisten will Anderl auch gegen eine Verstaatlichung des AMS sowie gegen eine Übertragung des deutschen Hartz IV-Modells auf Österreich. Weiteres Schwerpunktthema ihrer Amtszeit soll das Wohnen sein. Anderls Leitspruch für ihre erste Funktionsperiode: “Ich habe vieles vor.”

Anderl als einzige Frau an Spitze von Sozialpartner-Organisation

Renate Anderl ist mit dem heutigen Tag die zweite Präsidentin der Arbeiterkammer und derzeit die einzige Frau an der Spitze einer Sozialpartner-Organisation. Die gelernte Sekretärin schaffte ihren gewerkschaftlichen Aufstieg über die Metaller, zuletzt war die 55-Jährige ÖGB-Frauenchefin und Vizepräsidentin. Anderl gilt nicht als jemand, der sich selbst in den Vordergrund drängt. Die Wienerin, seit bald 32 Jahren verheiratet, Mutter eines Sohnes und Großmutter eines Enkels, war daher trotz durchaus nennenswerter Positionen in der Öffentlichkeit bisher wenig präsent. Mediale Auftritte schätzt sie nicht besonders, eine Eigenschaft, die sie in ihrer neuen Rolle wohl überdenken muss.

Denn auf die AK dürften stürmische Zeiten zukommen. Spart sie nicht freiwillig bei sich selbst ein, droht die Regierung mit einer Beitragssenkung. Auch sonst sind einige Sozialmaßnahmen in der Pipeline, die von der größten Arbeitnehmer-Organisation mit Widerstand beantwortet werden dürften. Eine Mitglieder-Befragung, die die eigenen Positionen stärken soll, hat Vorgänger Rudolf Kaske bereits auf den Weg gebracht.

Anderl in Sozialfragen sensibel

Dass Anderl gerade in Sozialfragen sensibel ist, darf vorausgesetzt werden. Schon in ihrer Rolle als Betriebsrätin war ihr innerhalb der Gewerkschaft kein Problem zu klein. Sie stammt aus finanzschwachen Verhältnissen. Ihr Vater war Hausbesorger, ihre Mutter Hausfrau. Aufgewachsen ist sie im Arbeiterbezirk Wien-Favoriten.

Gleich nach der Handelsschule begann sie bei der Gewerkschaft mit administrativen Tätigkeiten. Lange blieb Anderl im Hintergrund, Frauen waren für höhere Funktionen nicht vorgesehen: “Ich würde gar nicht sagen, es gab Widerstände, man kam nur vorher gar nicht auf die Idee, Frauen zu befördern”, erzählte Anderl jüngst dem “Standard”.

Ihr gewerkschaftlicher Aufstieg, der vom legendären Metaller-Vorsitzenden Rudolf Nürnberger gefördert wurde, begann so richtig im Jahr 2008, als sie zur Frauenvorsitzenden bei den Metallern wurde und in den ÖGB-Bundesvorstand einzog. 2014, als Sabine Oberhauser in die Regierung wechselte, wurde Anderl ÖGB-Frauenchefin und stellvertretende ÖGB-Präsidentin. Ein Jahr später kam noch ein Mandat im Bundesrat hinzu, einen Sitz im Nationalrat verpasste sie bei der Wahl im vergangenen Oktober nur knapp.

AK-Präsidentin an Spitze von großer Wahlbewegung

Erstmals an der Spitze einer großen Wahlbewegung wird Anderl im kommenden Jahr stehen, wenn AK-Wahlen anstehen und die Sozialdemokraten eine große Mehrheit zu verteidigen haben. Hoffen kann sie darauf, dass die schwarz-blaue Regierung wie schon Anfang des neuen Jahrtausends der FSG bei Kammer-Wahlen sogar indirekt hilft. Denn gerade Schwarz-Blau I bescherte den roten Gewerkschaftern bei den AK-Wahlen 2004 herausragende Resultate – und damals stand mit Herbert Tumpel auch ein Funktionär an der Spitze, der nicht unbedingt als “Rampensau” galt.

Zur Person: Renate Anderl, geboren am 5. September 1962 in Wien, verheiratet, ein Sohn, ein Enkel. Gelernte Sekretärin. Ab 1980 administrative Beschäftigte in der Metallergewerkschaft (pro-ge). Ab 2003 Bundesfrauensekretärin der Metallergewerkschaft, ab 2008 Frauenvorsitzende. Seit 2014 ÖGB-Frauenchefin und ÖGB-Vizepräsidentin. Ab 2015 Mitglied des Bundesrats. Mitglied des Vorstands der Bundesarbeitskammer sowie der AK Wien.

APA/Red.

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