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Reichsbürger, OPPT, Freeman und "Souverän" Tassilo: Darum geht es

Reichsbürger sind eine der bekanntesten Bewegungen der Staatsverweigerer - jedoch nicht die einzige.
Reichsbürger sind eine der bekanntesten Bewegungen der Staatsverweigerer - jedoch nicht die einzige. ©DPA
Sie nennen sich Freeman, Souveräne oder Reichsbürger. Allen gemeinsam ist eine grundsätzliche Ablehnung des Staates, Unterschiede gibt es jedoch in der Argumentation und Zielen. Wir sprachen mit dem "Souveränen" Tassilo aus Lustenau.

Eines haben sie gemeinsam: Die grundsätzliche Ablehnung der staatlichen Autorität. In der Argumentation und den Zielen unterscheiden sie sich. 750 Menschen sollen sich in Österreich Gruppierungen wie den Freemen oder den Reichsbürgern zugehörig fühlen.

Von den Behörden werden sie als Querulanten, Sektenanhängern oder als Staatsfeinde wahrgenommen, sie selbst sehen sich als Wahrheitssuchende – wie Tassilo. Der Vorarlberger versteht sich als Souverän und distanziert sich von Bewegungen wie den Reichsbürgern. Warum er an der Legitimität von Österreich zweifelt, erklärt er im Interview am Freitag. Grundsätzlich kann man mehrere Strömungen unterscheiden, die sich auch überschneiden.

Freeman/Freemen

Die Freeman-Bewegung hat ihre Wurzeln in den USA der 1970ern. Freeman lässt sich am ehesten als Freier übersetzen und wurde im Englischen auf Menschen angewendet, die weder Leibeigener waren noch Sklaven. Sie lehnen den Staat vollständig ab, viele von ihnen sehen in ihm eine reine Firma. Der Staatsbürger ist reines Personal oder gar Sklave im Besitz der Firma. Es gibt vielerlei verschiedene Ausrichtungen von Freeman mit unterschiedlichen Ausprägungen, Ansichten und Verhaltensmuster.

Gemeinsam haben sie die an die Behörden übermittelte Willenserklärung, sich aus dem Staatssystem zurückzuziehen. Auch weitestmögliche Selbstversorgung ist unter Freemen verbreitet. Ein nicht unüblicher Schritt ist es, vom Staat die Zahlung von Schadenersatzes zu fordern, zahlbar meist in Edelmetallen. Verlangt wird dieser oft als Aufwandsentschädigung für die Antworten im Briefverkehr mit den Behörden. Doch auch Schadenersatz für die Lebenszeit bis zur Abspaltungserklärung wurde bereits verlangt.

OPPT – One People’s Public Trust

OPPT ist ein Begriff, der vor allem in der deutschsprachigen Berichterstattung oft mit den Freeman in Verbindung gebracht wird. Der “One People’s Public Trust” entstand 2012 in den USA aus der Freeman-Bewegung. Damals sollen drei Juristen Pfändungsforderungen gegen Nationalstaaten und Banken im UCC Schuldenregister eingetragen haben. Da die betroffenen Organisationen keinen Widerspruch eingelegt haben, wurden die Forderungen aus Sicht des OPPT anerkannt, die Banken und Nationen wären somit insolvent und nicht länger existent. Die darauf folgende Auflösung des OPPT 2013 stelle damit das Ende der alten Wirtschaftsordnung, Nationen und aller Rechtspersonen dar – weltweit.

Diese Sichtweise ignoriert jedoch mehrere Tatsachen. Der UCC (Uniform Commercial Code) ist der Versuch eines einheitlichen Handelsrechts für die USA, das in fast allen Bundesstaaten auf Landesebene mehr oder weniger übernommen wurde. Das “UCC financial statement” dient der Durchsetzung von Forderungen gegenüber in den Bundesstaaten tätigen Unternehmen und Personen. Für den Eintrag selbst muss man nicht beweisen, dass die Forderung überhaupt besteht und rechtens ist. Dies geschieht erst bei einer Konkursverhandlung, wo die Forderung dann belegt werden muss. Die Eintragung dient bis dahin eher der Reservierung (unbewiesener) finanzieller Forderung, damit sie vor Gericht überhaupt beachtet werden.

Auch gibt es die vom OPPT vorausgesetzte “stille Zustimmung” nur zwischen Kaufleuten, und selbst dann nur in klar definierten Sonderfällen. Ansonsten kann einem Vertrag und damit auch einer finanziellen Forderung nicht durch Stillschweigen zugestimmt werden. Vielmehr gilt Stillschweigen oder eine ausbleibende Handlung als Ablehnung, Zustimmung setzt im Handelsrecht in der Norm eine Aktivität voraus. Dies gilt für Einzelpersonen genau so wie für Organisationen und Staaten.

Reichsbürger

Die Reichsbürger sind vor allem in Deutschland und Österreich aktiv und stellen eine eigene Denkrichtung dar. Sie lehnen die Rechtsordnung nach 1945 ab, da aus ihrer Sicht die Bundesrepublik Deutschland nicht der Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs ist. Für sie besteht das Deutsche Reich der Zwischenkriegszeit weiter, meist in den Grenzen von 1937.

Die Ansichten der Reichsbürgerbewegung ruhen vor allem auf dem (West-)Alliierten Vorbehaltsrecht der Besatzungszeit. Dieses wurde jedoch bereits im zweiten Deutschlandvertrag 1954 weitgehend zurückgenommen. Tatsächlich galten die Grenzen von 1937 bis zur Wiedervereinigung Deutschland völkerrechtlich als von Deutschland beanspruchtes Staatsgebiet. Der 1990 geschlossene Vier-plus-Zwei-Vertrag ermöglichte 1990 die Wiedervereinigung, bestätigte die heute gültigen Grenzen Deutschlands und besiegelte das Ende des Alliierten Vorbehaltsrechts. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die BRD offiziell zum einzigen Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs und verzichtete auf seit 1937 verlorenen Gebiete.

Reichsbürger sehen diese Verträge als nicht rechtmäßig an, die BRD ist für sie ein Besatzungskonstrukt der Siegermächte, meist eine für die Verwaltung des besiegten Deutschland gegründete GmbH. Tatsächlich befinde sich dieses Deutsche Reich daher immer noch im Kriegszustand mit den Alliierten des Zweiten Weltkriegs. Sie gründen Parallelregierungen und stellen sich selbst Dokumente im Namen des Deutschen Reichs aus. Aufgrund des Gedankengutes gibt es ein Naheverhältnis und Überschneidungen von Teilen der Reichsbürgerbewegung mit rechtsextremen und nationalsozialistischen Gruppierungen und Personen.

Souveräne

In Österreich gibt es eine etablierte Freeman-Bewegung rund um Joe Kreissl. Sie verstehen sich oft als geistlich-sittliches Wesen oder moralische Person, die ihre juristische Persönlichkeit abgelegt habt. Als Eigenbezeichnung ist auch der Begriff des Souveräns beliebt. Sie haben sich damit aus ihrer Sicht dem Einflussbereich der Republik Österreich entzogen und sehen sich pro forma als Völkerrechtssubjekt – was jedoch nur Staaten und gewisse als solche anerkannte Organisationen wie das Rote Kreuz sind.

Die Staatsgewalt, deren Gesetze und Behörden werden daher von den Souveränen meist abgelehnt. Der Versuch diese mit Zwang auf ein sittlich-moralisches Wesen anzuwenden, wird von diesen als Verstoß gegen das Völkerrecht interpretiert – für Verstöße gegen das Völkerrecht ist in Österreich jedoch kein Gericht zuständig. Mit ein Grund, warum Urteile von österreichischen Gerichten nicht anerkannt werden.

Stattdessen schaffen sie teilweise eine eigene Gerichtsbarkeit, basierend auf einem scheinbaren Naturrecht. 2014 versuchten selbsternannte Sheriffs bei Hollenbach im Waldviertel, die Sachwalterin einer Souveränen festzunehmen und vor einem selbstgeschaffenen Gericht zu laden. Die Polizei reagierte darauf mit einer Razzia durch ein Großaufgebot, Beschlagnahmungen und Anzeigen.

Interview am Freitag

Auch Tassilo aus Vorarlberg distanziert sich von der Aktion in Hollenstein – klagt aber vor allem über Willkür der Polizei und überzogene Klagen vor den Gerichten. Wie er Österreich sieht und warum er an dessen Legitimität zweifelt, erklärt er am Freitag.

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