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Regierung will heuer nur 37.500 Flüchtlinge aufnehmen

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach von einem Richtwert
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach von einem Richtwert ©APA
Österreich will heuer nur noch 37.500 Asylwerber aufnehmen, bis 2019 sollen es insgesamt maximal 127.500 sein. Das haben Regierung und Landeshauptleute am Mittwoch beim Asylgipfel im Kanzleramt beschlossen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach von einem "Richtwert", Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) von einer "Obergrenze".
Bilder vom Asylgipfel
Grenzschließungen bedrohen Schengen
Internationaler Pressespiegel

Was geschehen soll, wenn die Obergrenze überschritten wird, ist offen. Dazu sollen zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben werden, kündigte die Regierungsspitze an. Faymann bezeichnete diese Vorgehensweise als “Notlösung” und “Plan B”, der auch ein “Aufrütteln” der EU bezwecke: “Wir können in Österreich nicht alle Asylwerber aufnehmen.”

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“Dynamisch dramatisch”

Mitterlehner schilderte die Entwicklung als “dynamisch dramatisch”. “Die große Anzahl an Flüchtlingen überfordert unser System”, so der Vizekanzler. Daher werde man auch im “Grenzmanagement” auf Kontrollen und Registrierungen setzen, um darauf vorbereitet zu sein, dass es an der Grenze künftig möglicherweise auch “Zurückweisungen” geben könne.

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127.500 Asylwerber bis 2019

Die “Obergrenze” bzw. der “Richtwert” soll für heuer 37.500 Asylwerber betragen, 2017 sollen es nur noch 35.000 sein, 2018 30.000 und bis 30. Juni 2019 sollen es nur noch 25.000 Asylwerber sein. In Summe wären das bis dahin also 127.500 Asylwerber – dies entspricht etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung. Die im Vorjahr bereits erfolgten 90.000 Asylanträge werden hier nicht einberechnet.

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Was passiert bei Überschreitung?

Auch auf Nachfragen konnte die Regierungsspitze nicht kundtun, was bei Überschreitung der festgelegten Obergrenze, die im übrigen auch Anträge auf Familiennachzug umfasst, passiert. Die Rede war seitens Kanzler Faymanns nur von einer massiven Verstärkung der Kontrollen an den Grenzen. Vizekanzler Mitterlehner meinte, es könne auch vermehrt zu Rückweisungen kommen.

Rechtlich will sich die Regierung über ein Gutachten absichern, das von zwei Juristen erstellt wird, angeblich vom Europarechtler Walter Obwexer und Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk.

Insgesamt geht es der Regierung auch darum, die Attraktivität Österreichs als Zielort für Asylwerber zu senken. Dazu sollen das schon seit Monaten vorliegende Konzept für “Asyl auf Zeit” sowie ein eingeschränkter Familiennachzug gesetzlich etabliert werden. Ein Beschluss ist laut Innenministerium für den Ministerrat kommende Woche geplant. Angedacht ist ferner eine weitere Ausdehnung der Liste sicherer Herkunftsstaaten.

Einschnitte bei Sozialleistungen

Zudem ist vorgesehen, Einschnitte bei Sozialleistungen für Asylwerber vorzunehmen. Auch hier wird rechtlich geprüft, ob es bei der Mindestsicherung zu einer Schlechterstellung kommen könnte. Ein Gutachten soll im Februar vorliegen.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) pochte bei der Pressekonferenz darauf, dass alle Maßnahmen rechtlich halten. Man könne nicht von anderen Staaten Rechtsstaatlichkeit verlangen, wenn man sie selbst nicht einhalte. Als Positiv-Maßnahme nannte der Stadtchef, dass Deutschkurse künftig schon bei Asylwerbern verpflichtend beginnen müssten.

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Dass Maßnahmen gesetzt werden müssten, betonte der Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz Wilfried Haslauer (ÖVP). Noch einmal so ein Jahr wie 2015 sei nicht zu bewältigen, meinte der Salzburger Landeshauptmann. Daher sei es nun die letzte politische Chance gewesen, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, “damit wir nicht ab Frühsommer untergehen”.

Regelmäßig will man sich auch mit den Nachbarstaaten, speziell Deutschland und Slowenien, in Detailgesprächen abstimmen und allenfalls auf eine Veränderung der Flüchtlingsströme reagieren. Konkret wird in den Raum gestellt, dass auch am Brenner Kontrollen etabliert werden könnten, so das nötig sein sollte.

Mikl-Leitner erwartet baldigen Stopp

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat nach dem Asyl-Gipfel von Regierung und Ländern klargestellt, dass bei 37.500 Anträgen tatsächlich “gestoppt” werde. Dies könnte schon bald sein. Die Ministerin geht davon aus, dass die Obergrenze noch vor dem Sommer erreicht wird.

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Insgesamt zeigte sich Mikl-Leitner mit dem Ergebnis zufrieden: “Es wurde alles beschlossen, was mir für die Zukunft unseres Landes wichtig war.” Damit könnten Sicherheit, Ordnung und Lebensqualität der Bürger geschützt werden.

Grüne mahnen Regierung zu “Besonnenheit”

Die Grünen haben das Ergebnis des Asylgipfels wie erwartet nicht positiv aufgenommen. “Die österreichische Bundesregierung kann die Menschenrechte nicht abschaffen”, mahnte Klubobfrau Eva Glawischnig am Mittwoch via Aussendung zu “Besonnenheit und Vernunft”. Für die NEOS verabschiedet sich die Regierung “endgültig von seriöser Politik”, das Team Stronach sah ein “Schuldeingeständnis”.

“Jetzt müssen wir mit großem Druck an gemeinsamen EU-Erstaufnahmestellen arbeiten und gleichzeitig einen geordneten Grenzübertritt sicherstellen”, appellierte Glawischnig an die Parteien. Sie fragt sich öffentlich, was mit jenen Schutzsuchenden geschehen wird, die über der vereinbarten Quote liegen.

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“Die Regierung täuscht die Bevölkerung mit Schein-Maßnahmen; Menschenrechte kann man nicht durch nationale Quoten oder ‘Richtwerte’ abschaffen”, meinte Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen.

Auch die NEOS sehen in den Regierungsmaßnahmen keinen Sinn. “Wie absurd ist es eigentlich, dass jetzt auch die SPÖ für unhaltbare Vorschläge wie einer Obergrenze zu haben ist”, fragte sich NEOS-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak.

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Für ihn ist das Fixieren einer Obergrenze rein rechtlich nicht möglich. “Dazu bräuchte man keine Gutachten in Auftrag geben, man müsste nur nachlesen”, so Scherak, der ebenfalls für europäische Lösungen plädierte.

“Die ersten Ergebnisse des Asylgipfels sind ein Schuldeingeständnis der Regierung, die nun langsam die Tragweite der Willkommenspolitik erkennt”, kommentierte Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar das Ergebnis des Gipfels.

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Bevor Österreich in diesem Jahr weitere 37.500 Asylwerber aufnimmt, solle die Regierung einen Plan vorlegen, was mit jenen Flüchtlingen geschehen soll, die zum Teil entgegen der Schengen- und Dublin-Regelungen sowie der Genfer Flüchtlingskonvention in Österreich seien.

Asylgipfel für Strache gescheitert

Der Asylgipfel am Mittwoch ist nach Meinung der Freiheitlichen “wie erwartet” gescheitert. “Das Ergebnis ist ein Weiterwursteln wie bisher nur eben jetzt auf niedrigerem Niveau”, sagte FPÖ-Obmann Heinz-Christian in einer Aussendung. Statt über eine Verteilung der Migrationsströme müsse man über die Verhinderung des Zuzuges von Wirtschaftsflüchtlingen diskutieren.

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“Hätte man von Anfang der unkontrollierten Völkerwanderung an auf die FPÖ gehört, wäre ein derartiger Gipfel gar nicht notwendig gewesen”, ist sich Strache sicher. Mit dem Gipfel habe die Regierung unter Zuhilfenahme der Landeshauptleute versucht, den von ihr angerichteten Scherbenhaufen zu kitten. Nach Meinung der FPÖ ist die Obergrenze bereits für die kommenden Jahre überschritten, wenn man die Asylanträge des vergangenen Jahres mit einberechne. “Es geht daher nicht um noch mehr Zuzug, sondern um die rasche Abschiebung der nicht Asylberechtigten”, so Strache

Kirche kritisiert vorhaben

Scharfe Kritik an der von Regierung und Landeshauptleuten am Mittwoch beschlossenen Obergrenze für Asylwerber kommt vom Integrationsbeauftragten der Diözese Graz-Seckau, Erich Hohl. Österreich dürfe sich nicht einseitig von der Genfer Flüchtlingskonvention verabschieden, forderte Hohl via “Kathpress”. Jeder Mensch habe in jedem Land das Recht auf Asyl, wenn er persönlich verfolgt wird.

Auch das Rote Kreuz sieht in der Fixierung von Obergrenzen einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. “Wie dieses Vorhaben umgesetzt werden soll, ist nicht nur uns völlig unklar, auch die Regierung scheint das Prozedere nicht zu kennen”, sagte Präsident Gerald Schöpfer.

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Ihn würde laut eigener Aussage auch interessieren, wie die Maßnahmen im Einklang mit humanitären Werten zu gestalten sind und welche Rolle Hilfsorganisationen bei deren Umsetzung spielen sollen.

Amnesty International gegen Obergrenzen

Amnesty International hat anlässlich des Asylgipfels am Mittwoch an die Regierung und die Landeshauptleute appelliert, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Vor allem die Pläne für Asylobergrenzen stießen dabei auf erneute Kritik. Stattdessen wurden die Teilnehmer aufgefordert, “konstruktive Lösungen zu entwickeln, ohne die Rechte von Schutzsuchenden einzuschränken”, hieß es in einer Aussendung.

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“Unsere Regierung hat die Pflicht zu helfen, doch zunehmend behandelt sie Flüchtlinge so, als ginge sie das Problem nichts an”, meinte Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich und weiter: “Wir brauchen jetzt Lösungen für neue und stabilere Systeme zur Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen. Systeme, die es erlauben, dass Flüchtlinge und ihre Asylanträge rasch und fair behandelt werden, sie menschenwürdig und ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt werden. Lösungen, die weitergehen, als das, was wir in Österreich bisher gesehen haben.”

Europäische Grundwerte in Gefahr?

Anny Knapp von der Asylkoordination sieht durch mögliche Obergrenzen die europäischen Grundwerte in Gefahr. “Das Recht auf Asyl ist in der EU-Grundrechtecharta verankert, diese enthält auch die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, grundlegende Verfahrensrechte in jedem Einzelfall einzuhalten”, meinte sie in einer Aussendung. Es sei zudem realitätsfern zu glauben, dass das Ausrufen einer Obergrenze Schutzsuchende davon abhalten wird nach Österreich zu kommen. Ein “Nebeneffekt der jetzt angedrohten Maßnahmen” sei, Schlepperei zu fördern, obwohl gerade diese bekämpft werden solle.

Noch drastischer äußerte sich der Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ). “Obergrenzen töten”, hieß es in einer Aussendung. Asyl sei ein Menschenrecht, wofür es keine Obergrenze geben dürfe. “Die SPÖ muss sich gegen die unmenschliche Politik der ÖVP stellen”, forderte die VSStÖ-Vorsitzende Katrin Walch. Auch die Sozialistische Jugend nahm ihre Mutterpartei in die Pflicht. “Egal ob ‘Obergrenze’ oder ‘Richtwert'”, dies sei nicht nur menschenrechtlich gesehen unwürdig, sondern auch ein Schlag gegen das per Verfassung garantierte Recht auf Asyl, kritisierte Vorsitzende Julia Herr.

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