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Rechtspopulisten in EU-Regierungen: Noch die Ausnahme

Die politische Etablierung von Rechtspopulisten in vielen Staaten der Europäischen Union schreitet voran, eine Sitz in der Regierung haben jedoch die wenigsten und wenn dann meist nur vorübergehend.

In der Slowakei und Finnland standen rechtspopulistische Minister heuer schon vor dem Rauswurf, in Bulgarien kracht es ebenfalls. Am stabilsten ist das ungewöhnlichste Bündnis, jenes mit der linken Syriza in Griechenland.

Rechtspopulismus: In EU-Regierungen derzeit noch die Ausnahme

In Griechenland schloss der Linkspolitiker Alexis Tsipras nach dem Erdrutschsieg seiner SYRIZA bei der Parlamentswahl im Jänner 2015 eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei “Unabhängige Griechen” (ANEL), einer Abspaltung der abgewählten konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND). Der Grund für die “unheilige Allianz”: Die beiden Parteien waren geeint in ihrer Ablehnung des “Spardiktats” der Euro-Partnerländer. Tsipras setzte das Bündnis mit ANEL-Chef und Verteidigungsminister Panos Kammenos im September 2015 fort, nachdem er sich mit vorgezogenen Neuwahlen interner Kritiker entledigt hatte.

Rechtspopulisten in EU-Regierungen
Rechtspopulisten in EU-Regierungen

Rechtspopulisten in der finnischen Regierung

Ebenfalls seit Anfang 2015 sitzen Rechtspopulisten in der finnischen Regierung. Allerdings konnten sie sich heuer nur durch einen fliegenden Parteiwechsel im Kabinett des Rechtsliberalen Juha Sipilä halten. Dieser wollte den Ministern nämlich nach einem “finnischen Knittelfeld” – der Wahl des Hardliners Jussi Halla-aho zum Chef der “Wahren Finnen” – den Sessel vor die Tür stellen. Flugs gründete das Establishment mit Außenminister Timo Soini an der Spitze eine Partei namens “Neue Alternative”, um in der Regierung weitermachen zu können.

Die Koalition in der Slowakei

In der Slowakei stand die Koalition zwischen dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Robert Fico und der rechtspopulistischen Nationalpartei (SNS) heuer ebenfalls schon vor dem Aus. SNS-Chef Andrej Danko suchte im August wegen einer Korruptionsaffäre im Bildungsministerium die Flucht nach vorne und kündigte den Koalitionsvertrag. In Krisensitzungen einigten sich Ficos Smer (Richtung), die SNS und die Ungarnpartei Most-Hid auf Ergänzungen zum Regierungsübereinkommen, das erst im Vorjahr geschlossen worden war.

Doch schon im September krachte es neuerlich. Fico drohte der SNS im Streit um die Abberufung von Sozialminister Jan Richter mit dem Aus, der daraufhin knapp ein Misstrauensvotum im Parlament überstand. Hatte sich Fico bei seiner ersten Koalition mit der SNS im Jahr 2006 noch die vorübergehende Ächtung seiner sozialdemokratischen Freunde in Brüssel zugezogen, gab es bei der Neuauflage des Bündnisses kaum Kritik.

Bulgarien und die “Vereinigten Patrioten”

In Bulgarien führt der konservative Ministerpräsident Bojko Borissow seit Mai eine Koalitionsregierung mit den rechtspopulistischen “Vereinigten Patrioten” an, denen auch die umstrittene “Ataka” des Nationalistenführers Wolen Siderow angehört. Beobachter gehen davon aus, dass das Bündnis wohl mit der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft Mitte 2018 enden wird, da einander Borissow und Siderow nicht grün sind. Der Regierungschef trägt dem Nationalistenführer nach, dass er seiner Minderheitsregierung im Jahr 2011 die Unterstützung entzogen hatte. Nach der Wahl 2013 lehnte Borissow eine Koalition mit Siderow ab und verwies auf dessen europafeindliche Haltung.

Lega Nord in Italien

Weitere EU-Staaten haben schon rechtspopulistische Parteien an der Macht gesehen. Die italienische Lega Nord war bereits drei Mal an Regierungen beteiligt, erstmals zwischen 1994 und 1996, das letzte Mal zwischen 2008 und 2011. Unter ihrem neuen Chef Matteo Salvini hat die Partei gute Chancen, bei der Parlamentswahl im kommenden Frühjahr als stärkste Kraft des Mitte-Rechts-Bündnisses den Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten zu stellen. Auf EU-Ebene gehört die Lega Nord mit der FPÖ der von der französischen Front National angeführten Fraktion “Europa der Nationen und der Freiheit” (ENF) an.

In zwei weiteren Staaten waren rechtspopulistische Parteien indirekt an der Regierung beteiligt. In den Niederlanden stützte die mit der FPÖ verbündete Freiheitspartei (PVV) von 2010 bis 2012 eine Minderheitsregierung des rechtsliberalen Regierungschefs Mark Rutte. Wegen eines Budgetstreits entzogen die Rechtspopulisten der Regierung das Vertrauen und manövrierten damit vor allem sich selbst ins politische Aus. Heuer scheiterte die Partei von Geert Wilders klar beim Versuch, stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen zu werden.

“Externe Kooperation” in Dänemark

Stabiler funktioniert die “externe Kooperation” mit den Rechtspopulisten in Dänemark, wo die Dänische Volkspartei (DF) aktuell bereits zum zweiten Mal eine rechtsliberale Minderheitsregierung von Ministerpräsident Lars Loekke Rasmussen stützt. Dies ist umso bemerkenswerter, als die DF bei der Parlamentswahl 2015 Rasmussens Venstre überholt hat. An einer Regierungsbeteiligung hatten die dänischen Rechtspopulisten bisher aber kein Interesse, weil sie ihre Wahlchancen nicht schmälern wollen.

Als rechtspopulistisch werden von vielen Beobachtern auch die Regierungsparteien in Polen und Ungarn, “Recht und Gerechtigkeit” (PiS) und Fidesz, eingestuft. Die PiS gehört der von den britischen Tories angeführten Parteienallianz “Europäische Konservative und Reformer” (ECR) an, die Fidesz des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban ist Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP). Mit scharfen nationalistischen und einwanderungskritischen Tönen macht auch die lettische “Nationale Allianz” auf sich aufmerksam, die in einer Mitte-Rechts-Regierung sitzt und der ECR angehört.

Abwehrfront gegenüber rechtspopulistischen Parteien

In vielen EU-Staaten hat die Abwehrfront gegenüber rechtspopulistischen Parteien bisher gehalten. So schließt der tschechische Wahlsieger Andrej Babis ein Zusammengehen mit der rechtspopulistischen SPD von Tomio Okamura aus, obwohl er eigentlich keine anderen Koalitionsoptionen hat. Beobachter halten es deshalb für durchaus wahrscheinlich, dass sich Babis in letzter Konsequenz von den Rechtspopulisten tolerieren lassen wird.

In Belgien wird der rechtspopulistische Vlaams Blok (heute Vlaams Belang) nach französischem Vorbild bewusst von der Macht ferngehalten, auch in Schweden gibt es einen lagerübergreifenden Konsens gegen die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die gute Chancen haben, bei der nächsten Wahl zweitstärkste Kraft zu werden. In Deutschland gestaltet sich die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl schwierig, weil versucht wird, selbst eine indirekt von der rechtspopulistischen “Alternative für Deutschland” abhängige Regierung zu vermeiden.

In Großbritannien, Spanien, Portugal, Frankreich und Zypern sind rechtspopulistische Parteien bisher aus institutionellen Gründen (Mehrheitswahlrecht bzw. Präsidialsystem) chancenlos geblieben. In Irland, Malta, Luxemburg, Rumänien, Estland, Litauen, Slowenien, Kroatien lassen ihnen starke bürgerliche, liberale, aber auch sozialdemokratische Parteien bisher kaum Entfaltungsmöglichkeiten.

(APA/Red.)

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