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Raum - Trailer und Kritik zum Film

2008 wurde das Kellerverlies entdeckt, in dem Josef F. seine Tochter 24 Jahre lang eingesperrt und sieben Kinder mit ihr gezeugt hatte.

Der Fall ist nicht nur österreichweit ins Gedächtnis gebrannt, er hat auch Emma Donoghues außergewöhnlichen Roman “Raum” inspiriert. Am Donnerstag kommt die Verfilmung ins Kino – und widmet sich nicht dem Verbrechen an sich, sondern der Mutter-Kind-Beziehung.

Raum – Die Geschichte

“Raum”, das ist für den aufgeweckten Buben Jack (Jacob Tremblay) nicht begrenzt auf die neun Quadratmeter, auf denen er und seine Mutter Joy (Brie Larson) leben. Es ist sein ganzes Universum, denn er kennt nichts anderes. Hier hat er ein Bett, eine Badewanne, einen Fernseher sowie genug Platz und Zeit zum Spielen, zum Lesen, Gymnastik machen, Basteln – und natürlich seine Ma. Sie ist es, die für ihn die Illusion eines normalen Lebens aufrecht erhält, die ihn nie die Gefahr spüren lässt, in der sie beide sind, und die dramatischen Umstände, unter denen er geboren wurde. Damit er Kind sein und als solches unbeschwert entdecken und aufwachsen kann.

Bis zu Jacks fünftem Geburtstag. Dann nämlich, sagt Ma, ist Jack alt genug, um die wahre Geschichte zu erfahren: von ihrer Entführung vor sieben Jahren als 17-Jährige durch “Old Nick”, der immer dann zu ihr ins Bett kommt, wenn sich Jack im Kasten einnistet. Und von der Welt, die außerhalb dieses kleinen Raums existiert, die er im Fernsehen sehen und im kleinen Oberlicht nur erahnen kann. “Ich will eine andere Geschichte”, sagt der verwirrte Bub, doch seine Ma hat bereits einen gefährlichen Fluchtplan geschmiedet, bei dem alles an ihm hängt.

Raum – Die Kritik

Die Fluchtszene, die dann folgt, gehört zu den wohl intensivsten, nervenaufreibendsten Filmminuten der vergangenen Jahre. Der irische Independent-Regisseur Lenny Abrahamson (“Frank”) setzt sie ziemlich genau an die Hälfte seines beklemmenden, eindringlichen Dramas, das Romanautorin Donoghue selbst für die Leinwand adaptiert hat – und lässt den Zuseher nur kurz in dem Glauben, das Martyrium sei mit der gelungenen Flucht überstanden. Die Außenwelt, mit all ihren Erwartungen, überfordernden Reizen und Reportermeuten, birgt scheinbar noch mehr Gefahren für Joy und Jack, die über Jahre nur einander und diesen Raum kannten. In “Freiheit” muss das so harmonische, liebevolle Mutter-Kind-Gespann seine Beziehung neu definieren. Denn Joy droht, an der Konfrontation mit ihrer verlorenen Jugend, ihrem zerstörten Leben und ihren mittlerweile geschiedenen Eltern (Joan Allen und William H. Macy) zu zerbrechen.

Für ihre einnehmende Darstellung der seelisch schwer verwundeten, für ihren Sohn einen ungemeinen Überlebensdrang entwickelnden Frau wurde die 26-jährige Brie Larson heuer mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Was Joy bis zu dem Zeitpunkt, wo wir sie kennenlernen, erleiden musste, muss “Ma” nicht erzählen, denn man sieht es Larson an: Die Augen sind eingefallen, die Haare strähnig, die Haut unrein und ein Handgelenk blau, und in jeder noch so fantasievollen Erzählung und liebenden Umarmung ist ihre Erschöpfung, ihr Schmerz spürbar. Am beklemmendsten ist das, wenn die Opferrolle der stark geschminkten, sichtlich unglücklichen Joy bei einem TV-Interview vor laufender Kamera infrage gestellt wird – sie hätte mehr tun können, wird da suggeriert, und Erinnerungen an den grauenhaften, medialen Umgang mit Natascha Kampusch werden wach.

So viele Assoziationen an reale Fälle der Inhalt von “Raum” auch hervorruft: Die Geschichte von Joy und Jack fühlt sich wie ihre eigene an, zieht einen unmittelbar in den Bann, bedrückt und berührt. Das gelingt durch die sehr in der Realität verhaftete, intime und direkte Inszenierung von Lenny Abrahamson und die Bilder von Kameramann Danny Cohen. Die große Welt wird zum beklemmenden, engen Raum, während das Gefängnis im Garten des Entführers als Mikrokosmos gefilmt wird, in dem alles möglich scheint. Dabei passiert vieles, das schier unvorstellbar und schwer zu ertragen ist – aber es wird nie zur Gänze gezeigt, sondern ist aus Jacks Augen etwa durch den Spalt im Kasten nur zu erahnen. Generell bleibt die Kamera stets nahe an dem von Jacob Tremblay beeindruckend gespielten Buben, erleben wir die Geschichte aus seiner Perspektive und hören seine Beobachtungen ab und an im Off.

Gerade durch diese Erzählweise entwickelt “Raum” eine ungemeine Kraft, die die Zuseher mit den beiden Protagonisten kämpfen, verzweifeln und hoffen lässt. So beklemmend die 120 Minuten mitunter sind, so viel Raum für Hoffnung und Identifikation lassen sie auch. Die im Kern aufgeworfenen Fragen sind dabei allgemeingültig, drehen sich um Gefangenschaft und Freiheit, um die Grenzen der Belastbarkeit, die so starke und oft auch konfliktreiche Bindung zwischen Eltern und Kindern, die kindliche Anpassungsfähigkeit und das so schwierige Zurechtfinden in ungewohnter Umgebung.

(APA)

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