Sie helfen, haben somit Wirkung und auch Nebenwirkungen, hieß es Montagabend bei einem Presseseminar in Wien. Die Veranstaltung wurde auf Initiative des auf Psychopharmaka spezialisierten Konzerns Lundbeck organisiert. Die gängigen Vorurteile:
Potenzial für Suchtentwicklung, Veränderung der Persönlichkeit, “fragliche Wirkung”, die Patienten sollen “ruhig” gehalten werden.
Michael Freissmuth
“Zahlreiche Wirkstoffe können psychische Funktionen beeinflussen; als Psychopharmaka werden aber nur Arzneistoffe bezeichnet, die Angstzustände, Störungen der Stimmung und Wahrnehmung sowie wahnhaftes Erleben und Denkstörungen beeinflussen”, definierte Michael Freissmuth, Leiter des Instituts für Pharmakologie der MedUni Wien, die Gruppe dieser Arzneimittel.
Christa Rados
Tatsache sei, so die Leiterin der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am Landeskrankenhaus Villach, Christa Rados, dass die nach wie vor verbreiteten Vorurteile und Vorbehalte gegenüber psychischen Erkrankungen häufig auch die Methoden zu deren Behandlung umfassen:
“Während in anderen medizinischen Disziplinen die medikamentöse Therapie relativ hohe Akzeptanz findet und Innovationen überwiegend positiv wahrgenommen werden, ist die Haltung gegenüber Psychopharmaka deutlich kritischer.” Darin spiegle sich die Einstellung Nichtbetroffener wie Betroffener. Auch die Akzeptanz psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung insgesamt dürfte da über Umwege zuschlagen.
Georg Schönbeck
Georg Schönbeck, niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, betonte in seinem Vortrag “Psychopharmaka in der Praxis” die Wichtigkeit der Arzt-Patienten-Kommunikation gerade bei psychiatrischen Erkrankungen:
“Nur so kann ein stabiles Arzt-Patient-Verhältnis aufgebaut werden. Und dieses ist aufgrund der Spezifika, mit welchen ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin bei der Verordnung von Psychopharmaka in der Praxis konfrontiert ist, außerordentlich wichtig.”
Da sind sich die Experten einig
Keinesfalls, so die Experten, dürften alle derartigen Arzneimittel in einen Topf geworfen werden. Es handelt sich bei Antidepressiva, Antipsychotika, Schlaf- und Beruhigungsmitteln um völlig unterschiedliche Substanzen mit ebenso unterschiedlichen Profilen.
Wirkung und Nebenwirkungen
Ein erhebliches Problem, das Freissmuth ansprach: Die verzögert einsetzende Wirkung vor allem bei Psychopharmaka, die bei Depressionen und Schizophrenie zum Einsatz kommen:
“Das Gehirn ist ein plastisches Organ, in dem synaptische Kontakte ständig neu organisiert werden; die Nervenzellen lernen mit dem neuen Input fertig zu werden, sie werden reprogrammiert, weil sich ihre Genexpression ändert. Und das dauert eben.”
Oft sind die Nebenwirkungen am Beginn deutlicher ausgeprägt als die Wirkung. Doch dieses Bild verändert sich oft nach einiger Zeit der Behandlung. Häufig stellen Psychopharmaka aber auch erst eine Situation her, in der psychotherapeutische Ansätze erst wirksam werden können.
(APA)