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Polen: Ryszard Kapuscinski ist tot

Der polnische Schriftsteller und Journalist Ryszard Kapuscinski ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Das berichtete der polnische Nachrichtensender "TVN 24" am späten Dienstagabend.

Kapuscinski galt als einer der herausragenden Vertreter der literarischen Reportage. Der Autor wurde zuletzt im Vorjahr als möglicher Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis gehandelt. Im Mai 2004 wurde er in Wien mit dem mit 7.000 Euro dotierten „Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch“ des Jahres 2003 ausgezeichnet.

Der am 4. März 1932 in Pinsk im heutigen Weißrussland geborene Kapuscinski war Reporter der polnischen Nachrichtenagentur PAP, für die er als Korrespondent aus Afrika berichtete. Mit seinen Reportagen wurde er über die Grenzen Polens bekannt. Der vielfach preisgekrönte Schriftsteller zeichnete Porträts der Mächtigen (Schah, König der Könige) wie auch sensible Beschreibungen der Lebensbedingungen der Menschen in der Dritten Welt sowie der Kriege und Bürgerkriege in Afrika und Lateinamerika.

Den „Bruno-Kreisky-Preis“ erhielt Kapuscinski für sein Lebenswerk, das in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Wer Kapuscinski als Reiseschriftsteller bezeichne sei ein „ebenso großer Banause, wie jemand, der eine Stradivari zu einer Fiedel degradiere“, würdigte damals der Künstler Andre Heller den Autor in seiner Laudatio. Die „Vor-Ort-Wahrnehmung der Not“ habe ihn nicht stumpf oder weinerlich gemacht, sondern seine Beobachtungsgabe geschärft. Heller hob vor allem Kapuscinskis Schilderung der islamischen Revolution im Iran und das Porträt des letzten äthiopischen Königs Haile Selassie hervor.

Im Gespräch mit der APA am Rande der Verleihung erläuterte der Autor im Mai 2004 die Beweggründe für seine Berichterstattung aus den Armutsgebieten der Erde: „Ich war von dem Problem fasziniert. Ich habe das Gefühl gehabt, es passiert etwas Wichtiges“. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Dritte Welt auf den Titelseiten der Zeitungen gewesen. Es habe die Furcht bestanden, die neuen, unabhängigen, entkolonialisierten Staaten könnten eine Offensive starten und Europa überholen.

Während des Kalten Krieges seien die Supermächte noch an den Staaten des Südens interessiert gewesen, da sie sie auf ihrer Seite haben wollten. Danach seien sie nur mehr vernachlässigt worden. „Die wachsende Kluft ist etwas Strukturelles, die nicht überwunden werden kann ohne tiefe Reformen. Die, die mehr Geld haben, stellen sich solchen Veränderungen aber entgegen“, gab sich Kapuscinski illusionslos. Die Millenniumsziele der Vereinten Nationen, mit deren Hilfe die Anzahl der in extremer Armut Lebender bis 2015 halbiert werden soll, waren für den nunmehr verstorbenen Bruno-Kreisky-Preisträger damals „gute Absichten mit geringer Möglichkeit der praktischen Umsetzung“.

Der Blick Kapuscinskis auf Europa, das für ihn „nur ein kleiner Teil der Welt“ ist, war ein kritischer: Der Kontinent und seine Einwohner seien zu sehr mit sich selbst beschäftigt, lautete sein Urteil im APA-Gespräch. „Europa ist in einer großen Krise. Nach 500 Jahren der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Weltherrschaft muss es einen neuen Weg mit anderen Kulturen finden.“ Die Lage in seiner Heimat Polen sei „paradox“. Ökonomisch laufe es zwar gut, aber die politische Lage sei „kompliziert“ und „schlecht“.

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