Pistorius hatte sich am Montag erstmals seit der Tat am 14. Februar 2013 öffentlich zu dem Fall geäußert und sich bei Steenkamps Familie entschuldigt. Schluchzend hatte der Angeklagte erklärt, er habe erst im Gericht die Eltern der getöteten Reeva Steenkamp um Verzeihung gebeten, weil er zuvor einen direkten Kontakt als “unangemessen” angesehen habe.
Staatsanwalt Gerrie Nel warf Pistorius am Donnerstag – dem 20. Verhandlungstag – dagegen vor, er sei einer Begegnung mit den Eltern des Opfers ausgewichen, “weil Sie keine Verantwortung übernehmen wollen”. Und legte nach als er harsch fragte: “Fühlen Sie sich besser nach der Entschuldigung?”
Staatsanwalt beschreibt Angeklagten als Egomanen
Einen Tag nachdem er den 27-jährigen Angeklagten mit schockierenden Fotos der tödlich verletzten Reeva Steenkamp völlig aus der Fassung gebracht hatte, zeichnete Nel am Donnerstag von Pistorius das Bild eines verantwortungslosen Egomanen.
Steenkamps Mutter nannte Pistorius einen “Teufel”. “Es geht immer nur um Herrn Pistorius”, sagte Nel und las Kurznachrichten des späteren Opfers Reeva Steenkamps an ihren damaligen Freund vor, in denen sie sich enttäuscht und “verängstigt” über Pistorius’ Verhalten äußerte. Zudem beklagte sie sich über die Eifersucht ihres Partners.Er habe Steenkamp regelrecht “erniedrigen” wollen: “Tu dies nicht, mach das nicht” – was für Steenkamp wichtig gewesen sei, habe keine Bedeutung gehabt, sagte Nel. Sie solle keinen Kaugummi kauen, ihn nicht am Hals berühren, auf ihren Akzent achten, führte der Staatsanwalt an.
“Sie hat alles getan, um Sie glücklich zu machen, um Oscar glücklich zu machen – War Ihnen das egal?”, herrschte Nel in Richtung Anklagebank. “Das ist nicht wahr, Madam”, wandte sich Pistorius an die Richterin. “Es ging nur um Pistorius. Das war ihre Beziehung”, legte Nel nach, woraufhin der Angeklagte zur Richterin gewandt erneut protestierte: “Das ist nicht wahr, Madam.”
Zum Zeitpunkt des tödlichen Vorfalls kannte sich das Paar seit gut drei Monaten. In den SMS sei von Liebe nie die Rede gewesen, merkte Nel an. Er habe nie ein Liebesbekenntnis per SMS abgelegt, sagte Pistorius und räumte ein: “Ich hatte nie die Gelegenheit, Reeva zu sagen, dass ich sie liebe.”
Pistorius in Erklärungsnöten
In Erklärungsnöte brachte Nel den Angeklagten mit der Schilderung einer Episode aus einem Restaurant, als der Waffennarr im Jänner 2013 während eines Abendessens einen Schuss aus der Pistole eines Freundes abfeuerte. Er habe den Finger nicht am Abzug gehabt, wiederholte Pistorius mehrmals. “Das Wunder des Schusses, der von ganz allein losgeht”, sagte Nel sarkastisch. Nach Expertenmeinung sei dies unmöglich.
June Steenkamp: “Vom Helden zum Teufel”
Steenkamps Mutter June Steenkamp sagte der britischen Zeitung “Daily Mirror”, Pistorius sei “vom Helden zum Teufel” geworden. “Er ist eine aggressive Persönlichkeit, gewöhnt daran, Bewunderer um sich zu haben, deshalb muss es jetzt ziemlich anders für ihn sein.” Sie wolle sehen, wie er sich verhält, obwohl der Prozess für sie die “Hölle” sei.
Freundin durch Toilettentür erschossen
Pistorius hatte seine Freundin in seinem Haus in Pretoria in der Nacht zum Valentinstag 2013 durch die Toilettentür erschossen. Der am Unterschenkel amputierte Sportler beteuert, er habe sie für einen Einbrecher gehalten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm jedoch vor, seine Freundin nach einem Streit ermordet zu haben.
(APA/red)