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Pickerl: Hofer will weiter auf Endrohrmessung aus der "Steinzeit" verzichten

Norbert Hofer will künftig auf die Endrohrmessung beim "Pickerl" verzichten.
Norbert Hofer will künftig auf die Endrohrmessung beim "Pickerl" verzichten. ©APA
Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hält an seinem Vorhaben fest, künftig bei neueren Fahrzeugen bei der "Pickerl"-Überprüfung nach Paragraf 57a auf die sogenannte Endrohrmessung zu verzichten. "Die Endrohrmessung ist Steinzeit", meinte Hofer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖAMTC und ARBÖ am Mittwoch in Wien. Die Methode liefere "keine relevanten Daten", war man sich einig. Für Greenpeace ist dieser Schritt "völlig unverantwortlich".

Sie stamme noch aus einer Zeit, in der “ein zweiter Rückspiegel noch Sonderausstattung war. Sie misst auch nichts, lediglich, ob ein Partikelfilter vorhanden ist”, sagte er. Der Verordnungsentwurf des Verkehrsministeriums zur Novellierung der Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) sieht vor, bei Pkw, Lkw und Motorrädern jüngeren Baujahrs – also der Euro-Abgasklassen 4, 5 und 6 – künftig auf Tests am Auspuff im Rahmen des Pickerls zu verzichten. Stattdessen sollen lediglich Computer-Analysen, sogenannte On-Board-Diagnosen (OBD), durchgeführt werden. Die Begutachtungsfrist ist am 12. Jänner ausgelaufen, laut Hofer soll die Verordnung “noch in der ersten Februarhälfte in Kraft treten”.

Derzeitige “Pickerl”-Abgasmessung für Hofer aus der “Steinzeit”

Dieser Plan sorgt weiterhin für kritische Stimmen, unter anderem vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ), Greenpeace, der Umweltorganisation Virus und auch dem Klubobmann der Liste Pilz, Peter Kolba. Sie alle fordern die Beibehaltung der bisherigen Endrohrmessung.

Bei der Pressekonferenz wurde auch eine herkömmliche Endrohrmessung demonstriert. Hierbei wird das Messgerät mit einem Schlauch beim Auspuff angeschlossen. Der Dieselmotor wird ohne eingelegten Gang vier Mal bis zur Abregel-Drehzahl beschleunigt. Die Abgase werden durch den Schlauch in die Messkammer des Geräts gedrückt. “Gemessen wird hier lediglich der sichtbare Rauch, Stickoxide (NOx) nicht”, erläuterte Andrej Prosenc, Koordinator Technische Standards bei ÖAMTC. “Das einzige, das angezeigt werden, sind Staubpartikel aus der Umgebung”.

Die Gasstöße im Leerlauf führen laut ÖAMTC jährlich bei rund 100 Fahrzeugen zu einem Motorschaden. Bei der Finanzprokuratur landen jedes Jahr rund zehn Fälle, jedoch bleiben die Konsumenten immer auf den Kosten sitzen, was meist ein “wirtschaftlicher Totalschaden ist”, sagte ARBÖ-Generalsekretär Gerald Kumnig. Denn hierbei kann niemandem ein Fehlverhalten und somit ein Verschulden vorgeworfen werden, da die Überprüfung ja vorschriftsgemäß erfolgte.

Bei der Endrohrmessung wird lediglich festgestellt, ob “der Partikelfilter eingebaut ist und funktioniert”, sagte ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold. “Weder mit der Endrohrmessung, noch mit der OBD können Schadstoffe gemessen werden. Das ist auch nicht Zielsetzung der §57a-Überprüfung”, erläuterte Schmerold. Bei der OBD werden “viel mehr Daten erfasst, sie ist auch wesentlich schonender”, betonte Prosenc. Zusätzliche Kosten würden den Konsumenten durch die OBD laut Hofer keine entstehen.

“Ein professionelles Chip-Tuning kann allerdings weder durch die OBD-Auslese noch durch die Messung mittels Sonde entdeckt werden”, sagte Hofer. Beim Verdacht auf eine Manipulation können Prüfer auch künftig jederzeit zusätzlich eine Endrohrmessung durchführen, betonte der Minister.

In Deutschland muss der Schadstoffausstoß von Autos seit 1. Jänner wieder generell direkt am Auspuff mittels Endrohrmessung überprüft werden. Hofer führt dies darauf zurück, dass hierbei “durch veraltete Geräte” ein “gutes Geschäft” gemacht werde.

Für die Luftqualität relevante Schadstoffemissionen – insbesondere die Stickoxidwerte (NOx) – können technisch weder mit der einen noch mit der anderen Messmethode festgestellt werden. Das ist derzeit nur mit aufwendigen und mehreren tausend Euro teuren Tests an Rollenprüfständen möglich, wurde bei der Pressekonferenz betont. Erst Anfang 2016 wurden auf EU-Ebene strengere Grenzwerte und zusätzliche Abgastests beschlossen. Die entsprechende Verordnung steht kurz vor der Veröffentlichung. Diese Tests sollen dann alle EU-Länder stichprobenartig für alle genehmigten Fahrzeuge durchführen, in Österreich soll dies vom Verkehrsministerium gemeinsam mit der TU Wien erfolgen.

“Pickerl”-Abgasmessung: Aus für Greenpeace “völlig unverantwortlich”

Das geplante Ende von sogenannten Endrohrmessungen bei der Paragraf-57a-“Pickerl”-Überprüfung ist für Greenpeace “völlig unverantwortlich”. Die Umweltorganisation forderte am Mittwoch verschärfte Abgastests. “Ansonsten könnten rund 150.000 Fahrzeuge mit gesundheitsgefährdenden Mängel jährlich auf Österreichs Straßen landen”, hieß es in einer Aussendung.

Greenpeace berief sich auf internationale Studien, die zeigen würden, dass sogenannte On-Board-Diagnosen (OBD) durch ein reines Auslesen von Computerdaten allein nicht ausreichen, um Mängel oder Manipulationen in der Abgasreinigung zu entdecken. Statt die Auspuff-Messungen abzuschaffen, müssten diese massiv verbessert werden, forderte Greenpeace. Dazu gehören etwa neue, an der TU Wien entwickelte Verfahren, mit denen neben Feinstaubpartikeln auch die Stickoxide rasch und kostengünstig gemessen werden können.

Kritik kam erneut auch vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). “Bei den Abgastests braucht es rasch umfassende Verbesserungen. Was heute präsentiert wurde, ist leider genau das Gegenteil. Ein mangelhaftes System wird weiter verschlechtert”, sagte VCÖ-Experte Markus Gansterer in einer Aussendung. In Zukunft werden nur mehr die On-Board-Daten ausgelesen, aber nicht mehr der Feinstaubausstoß beim Auspuff gemessen. In Österreich betrifft das laut VCÖ 3,2 Millionen von insgesamt 4,9 Millionen Pkw.

Deutschland führte mit Jahresbeginn die Endrohrmessung wieder ein. Laut TÜV Deutschland wurden mit dem OBD-System bei rund einer Million Pkw vorhandene Mängel nicht entdeckt, berichtete der VCÖ. Werden diese Daten auf Österreich umgelegt, dann werden laut VCÖ-Zählung 100.000 Pkw in Zukunft mit viel zu hohem Schadstoffausstoß auf den Straßen unterwegs sein. Bei der Studie in Deutschland wurden mit der Kombination von Endrohrmessung und OBD-System bei 7,1 Prozent der Autos Mängel erkannt, nur mit dem OBD-System wurden nur bei 1,9 Prozent der Fahrzeuge Mängel erkannt. Das heißt, zwei Drittel der Mängel-Autos wurden durch das OBD-System nicht erkannt, verdeutlichte der VCÖ. Mangelhafte Abgaskontrollen bedeuten dann mehr Luftverschmutzung durch den Autoverkehr.

“Die geplanten Neuregelungen mögen zwar im Interesse der Automobilindustrie sein, im Interesse der Verkehrssicherheit und der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung sind sie sicher nicht”, kritisierte der Klubobmann der Liste Pilz, Peter Kolba. OBD sind reine Software-Tests ohne tatsächliche Messungen im Auspuffrohr, betonte Kolba in einer Aussendung. Dadurch würden nicht nur Mängel an der Abgasreinigung an Pkw, Lkw oder Motorrädern nicht zuverlässig erkannt, auch öffnen sie der Manipulation durch “chip-tuning” Tür und Tor. “Spätestens seit dem VW-Abgasskandal und den Versuchen der Automobilindustrie, durch zweifelhafte Studien die angebliche Unbedenklichkeit von Autoabgasen nachzuweisen, sollte auch dem Infrastrukturminister Hofer bekannt sein, dass Kontrollen über Software manipuliert sein können”, sagte Kolba.

Kritik äußerte auch die Umweltschutzorganisation Virus. “Skandale um manipulierte Software und überhöhte Abgaswerte und Tier- bzw. Menschenversuche haben jeder Form von Vertrauen in die Redlichkeit von Kfz-Herstellern den Boden entzogen. Ein Verzicht auf Abgasrohrmessungen wäre ein weiterer Kniefall und die Kapitulation der Politik,” sagte Sprecher Wolfgang Rehm. Die Umstellung auf das “ausschließliche Auslesen einer Software, deren Quellcode nicht öffentlich ist, ist angesichts der aufgetretenen massiven Manipulationen mittels eben jener Software nicht tragbar”, betonte Rehm.

>> Greenpeace: Abgasmessung für “Pickerl” muss bleiben 

(APA/Red)

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