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"Passagiere des Eises": Medienhype in der Monarchie um Polarexpedition

Im Buch wird der Medienrummel in der Monarchie um die Polarexpedition beleuchtet.
Im Buch wird der Medienrummel in der Monarchie um die Polarexpedition beleuchtet. ©Böhlau Verlag/AP
Der Medienrummel um die Rückkehrer der österreichisch-ungarischen Polarexpedition im Jahr 1874 war groß, wie Historikerin Ulrike Spring erklärte. Gemeinsam mit dem Literaturwissenschafter Johan Schimanski hat sie einen bisher unbeleuchteten Aspekt der Expedition, die das Franz-Josef-Land entdeckte, erforscht. Ihre Ergebnisse haben sie im Buch "Passagiere des Eises. Polarhelden und arktische Diskurse 1874" zusammengefasst.

Das Buch “Passagiere des Eises. Polarhelden und arktische Diskurse 1874” von Ulrike Spring und Johan Schimanski wird am Dienstag, den 13. Jänner im Wien Museum präsentiert.

Obwohl Expeditionen im 19. Jahrhundert in vielen Nationen in Mode waren, sticht die österreichisch-ungarische Variante vor allem durch die Massenbegeisterung hervor, die die Forscher auslösten. Den Grund dafür sieht Spring aber nicht nur in der Entdeckung des Franz-Josef-Landes an einer Stelle, an der man eigentlich nur Eis erwartet hatte, sondern vor allem auch in der dramatischen Geschichte, die zu dieser führte.

Ursprünglich hatten die Teilnehmer ein anderes Ziel, sie wollten die Nord-Ost-Passage erforschen, berichtete die österreichische Historikerin, die an der norwegischen Sogn og Fjordane Universität unterrichtet. Doch dann wurde die Expedition vom Eis eingeschlossen und abgetrieben – über zwei Jahre lang saß man in den Eismassen fest.

Medienrummel um Polarexpedition 1874

“Niemand hat gewusst, ob sie überhaupt noch leben. Als dann beinahe alle Teilnehmer heil zurückkamen, war die Begeisterung groß”, erklärte die Historikerin. Obwohl das Schiff – und damit die meisten Ergebnisse und Aufzeichnungen – bei der Flucht aus dem Eis zurückgelassen werden mussten, beklagte das Team nur ein Todesopfer: Maschinist Otto Krisch starb an Tuberkulose.

In Wien selbst bekamen die Feierlichkeiten dann noch einen weiteren Aspekt: “Die Expedition war nicht mehr nur auf die Arktis bezogen, sondern wurde auf die österreichisch-ungarischen Verhältnisse umgelegt”, so die Historikerin. Zusammengesetzt aus Teilnehmern aller Länder der Monarchie wurde das Abenteuer zum Symbol für das bereits zu bröckeln beginnende Habsburgerreich. Gemeinsam – und unter deutschsprachiger Führung – könne man doch mehr erreichen, lautete der Spin, den auch viele Medien bereitwillig übernahmen.

Massenspektakel in Buch neu beleuchtet

Dazu mischte sich der Stolz auf die hauptsächlich aus Italien und Kroatien stammenden Matrosen, die – entgegen mancher Befürchtungen – auch die arktischen Gewässer erfolgreich bezwangen. Die starke Identifikation mit den zu Helden stilisierten Forschern erklären die beiden Autoren mit der ungewöhnlichen Finanzierung der Reise. Neben privaten Großsponsoren verließ man sich auf eine frühe Art des Crowdfundings: Die Bevölkerung wurde aufgefordert, für Materialien und Versorgung zu spenden. “So wurde dann auch der Erfolg als ein Ereignis gedeutet, das erst die Wiener und Österreicher möglich gemacht haben”, meinte Spring.

In seinen sozialen Aspekten sei das Massenspektakel ebenfalls nicht zu unterschätzen gewesen, so die Wissenschafterin. Denn an der Expedition nahmen Männer aus allen Gesellschaftsschichten teil – die Leiter waren Vertreter der neu erstarkten Mittelklasse bzw. des Kleinbürgertums. “Die Forscher wurden deshalb auch als Repräsentanten des neuen und modernen Österreichs gefeiert – jeder hatte plötzlich die Möglichkeit, ein Held zu werden.” Vor allem liberale Zeitungen hätten das Thema deshalb gerne aufgegriffen.

Hype um Expedition ging schnell zurück

Auch abseits der Medien bestimmten die Rückkehrer das Tagesgespräch und dienten als Inspirationsquelle, etwa für den Schriftsteller Peter Rosegger oder Eduard Strauss’ “Weyprecht-Payer-Marsch”. Nach dem ersten Hype geriet die Expedition und ihre Teilnehmer im Gegensatz zu Forschern wie dem Norweger Roald Amundsen eher in Vergessenheit. Das erklärt Spring einerseits mit den mageren Ergebnissen und andererseits den beiden Leitern, die sich zunehmend anderen Themen zuwandten. Payer orientierte sich etwa zum Historienmaler um.

In den vergangenen Jahren gewinne das Thema u.a. durch Klimawandel und schmelzende Polarkappen allerdings zunehmend wieder an Attraktivität, erklärte Spring. Nicht nur in Österreich – wo Christoph Ransmayrs 1984 erschienener Roman “Die Schrecken des Eises und der Finsternis” der Expedition wieder mehr Popularität verschaffte -, sondern auch in den ehemaligen Ländern der Monarchie.

(APA/Red)

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