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ÖVP-Rochade: Status Quo nach Aus für Mikl-Leitner als Innenministerin

Die ÖVP-Rochade: Wolfgang Sobotka tauscht mit Johanna Mikl-Leitner
Die ÖVP-Rochade: Wolfgang Sobotka tauscht mit Johanna Mikl-Leitner ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Die ÖVP-Rochade ist im Gange - womit nunmehr nur noch vier Frauen in der Regierung vertreten sind. Die scheidende Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) legt nach ihrer Rückkehr in die niederösterreichische Landespolitik auch das Amt der ÖAAB-Obfrau zurück. Lob für den neuen Innenminister kommt aus den eigenen Reihen, Kritik von den Grünen.
Aus für die Innenministerin
Mikl-Leitner über das Amt
Werdegang von Sobotka
Krisen und Leistungen im Amt
ÖVP-Rochade ist fixiert

Wie es aus ihrem Büro auf Anfrage der APA hieß, wird sich die künftige Landeshauptmann-Stellvertreterin darum bemühen, im nächsten Bundesvorstand einen geschäftsführenden Obmann zu küren.

Mikl-Leitner-Aus auch als ÖAAB-Obfrau

Die offizielle Übergabe erfolgt dann im Herbst bei einem Bundestag. Wer den Arbeitnehmerbund geschäftsführend leiten wird, steht noch nicht endgültig fest. Aller Voraussicht nach wird die Aufgabe aber an den Generalsekretär und oberösterreichischen Landesobmann August Wöginger übergehen.

Klubobmann Reinhold Lopatka (ÖVP), der Mikl-Leitner 2011 als einfacher Abgeordneter bei deren Kandidatur als AAB-Obfrau unterlegen war, hat mittlerweile kein Interesse mehr an der Funktion. Er halte die AAB-Obmannschaft mit dem Amt des Fraktionschefs für nicht vereinbar, da er die Interessen aller Bünde gleichermaßen vertreten müsse.

ÖVP-Rochade: Lopatka hat “null Problem” mit Wechsel

Die ÖVP lässt keinen Zweifel daran, dass die Rochade zwischen Innenministerium und niederösterreichischer Landesregierung auf Wohlgefallen stößt. Klubchef Reinhold Lopatka lobte den designierten Ressortchef Wolfgang Sobotka als “Profi”, der nahtlos an die Politik von Johanna Mikl-Leitner anschließen werde. Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling sieht der Zusammenarbeit freudig entgegen.Letzteres mag überraschen, gelten doch der Finanz- und der neue Innenminister nicht unbedingt als politische Freunde. Vor einigen Monaten hatte Sobotka Schelling noch in einem Streit um die Folgen der Heta-Pleite gedroht: “Bei Philippi sehen wir uns wieder.”

Lob für Wolfgang Sobotka

Zumindest nach außen lässt den Finanzminister das heute kalt. Vielmehr betonte er in einer Aussendung: “Schon bei der Gesundheitsreform als auch bei den Vorbereitungen zum neuen Finanzausgleich hat Wolfgang Sobotka Handschlagqualität bewiesen.” Er sei überzeugt, dass Sobotka auch als Innenminister mit Fachwissen und Umsicht agieren werde. Das glaubt auch Lopatka. Im Gespräch mit der APA lobt er Sobotkas Durchsetzungsstärke und politische Erfahrung. Er habe daher “null Probleme” mit dem in St. Pölten fixierten Wechsel.

Im Schatten der Rochade zwischen Wien und St. Pölten wurde auch noch eine Änderung im Parlamentsklub der ÖVP vollzogen. Am Montag bestätigte der Wirtschaftsbund eine Meldung der “Presse”, wonach der Niederösterreicher Werner Groiß die Rolle des Finanzsprechers übernimmt. Der bisherige Finanzsprecher Andreas Zakostelsky, seit April Chef der VBV-Gruppe, wird Sprecher für private Vorsorge.

Grüner Pilz verlangt Sobotka-Hearing im Innenausschuss

Weniger angetan von Sobotka ist Peter Pilz: Heftige Kritik an der ÖVP-Personalrochade hat der Grüne Sicherheitssprecher am Montag geübt. Er nannte den designierten Innenminister einen “spekulierenden Musikschullehrer” und verlangte ein Hearing im Innenausschuss. Sollte sich Sobotka nicht den Fragen der Abgeordneten stellen, werde man ihn mit einem Misstrauensantrag im Nationalrat empfangen, kündigte Pilz an.Die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sei mit ihrem Job “- ich sag’s freundlich – gefordert gewesen”, konstatierte Pilz bei einer Pressekonferenz. Zu Sobotka wisse er eines: “Der Mann kann’s mit Sicherheit nicht.” Der VP-Landespolitiker habe mindestens “eine Milliarde Euro an Wohnbaugeldern verzockt”, Sobotkas Spuren würden in Offshore-Gebiete wie Malta, die Kanalinseln und auf die Cayman-Islands führen.

Spekulation um Wohnbaugelder

Die Vorwürfe waren erstmals 2008 aufgetaucht und besagten, dass NÖ-Wohnbaugelder hochspekulativ veranlagt worden seien. In der Folge griffen die Grünen die Anschuldigungen auf und kritisierten beispielsweise 2013 in einer Dringlichen Anfrage, dass Landeshauptmann Erwin Pröll und Finanzlandesrat Sobotka im Zusammenhang mit Veranlagungen der Wohnbaugelder die Finanzverwaltung eines der größten Bundesländer “in ein Casino” verwandelt hätten.

Vom großen Einbruch an den Finanzmärkten 2008 hätten sich die niederösterreichischen Veranlagungen bis heute nicht erholt, hieß es damals in der Begründung der Dringlichen. Eine zukünftige Erholung werde auch dadurch beinahe unmöglich gemacht, “dass in immer größerem Ausmaß die verbleibenden Werte zum Stopfen niederösterreichischer Budgetlöcher verwendet wurden”. Der Rechnungshof habe einen Fehlbetrag per 31.12.2008 von 996,79 Mio. Euro errechnet.

Pilz gegen Sobotka als Innenminister: U-Ausschuss verlangt

Als der Milliardenschaden nicht mehr zu leugnen gewesen sei, hätten die Verantwortlichen “durch die Gründung von Offshore-Gesellschaften zur ‘Auslagerung’ verlustbehafteter Papiere das Desaster zu verschleiern” versucht. Dadurch sei der Schaden noch zusätzlich erhöht worden, betonten die Grünen damals. Die ÖVP hatte die Vorwürfe bisher stets auf das Schärfste zurückgewiesen.

Pilz betonte nun, dass die Vorwürfe längst mit einem Untersuchungsausschuss aufzuklären gewesen wären. Sobotkas Bestellung sei nicht hinzunehmen. Der Grüne Mandatar sprach von einem niederösterreichischen VP-Versorgungssystem: Landeshauptmann Pröll wolle einen “musizierenden Spekulanten” auf eine Deponie verfrachten, habe in Niederösterreich keinen Platz und schicke ihn deshalb in die Bundesregierung. Die Bundes-ÖVP sei “offensichtlich entmündigt”.

Ressorttausch zwischen SPÖ und ÖVP gefordert

Der grüne Sicherheitssprecher schlug vor, in Zukunft “keine Minister mehr ins Amt zu lassen”, wenn sie nicht öffentliche Hearings absolviert haben. Außerdem machte er sich für einen Ressorttausch zwischen SPÖ und ÖVP stark. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) sei ein “herausragender Sicherheitsexperte”. Er sei nicht mit allem einverstanden, was Doskozil macht. “Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem hervorragenden Sicherheitsexperten im Innenministerium und einem spekulierenden Musikschullehrer, ist mir der Sicherheitsexperte tausendmal lieber.”

Pilz kündigte darüber hinaus an, die “Casino-Agenden” genau zu untersuchen. “Wir werden auch die Panama-Papers durchforsten”, sagte der Sicherheitssprecher der Grünen.

Für Pröll stellte sich Frage nach Rücktritt nicht

Die Frage nach einem Rücktritt stelle sich für ihn nicht, sagte Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Montag im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radios. Mit der am Sonntagabend offiziell vollzogenen Rochade sei eine “normale personelle Entscheidung” getroffen worden. Alles andere werde “zum gegebenen Zeitpunkt” in der Partei besprochen und entschieden.Die ÖVP-Rochade – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zurück nach St. Pölten, der bisherige LHStv. Wolfgang Sobotka in die Wiener Herrengasse – sei erfolgt, damit ein “funktionstüchtiges Regierungsteam in Niederösterreich” auch in Zukunft gut weiterarbeiten könne, sagte Pröll.

Nur mehr vier Frauen in der Regierung

Ein Gruppenbild mit immer weniger Damen, so präsentiert sich die Bundesregierung nach der Rochade in der ÖVP-Regierungsmannschaft. Denn dort ist nur noch eine Frau, nämlich Familienministerin Sophie Karmasin, vertreten. Die SPÖ hat zwei Ministerinnen und eine Staatssekretärin. Vier Frauen in der Regierung und nur 25 Prozent Frauenanteil, das gab es zuletzt 1997.Das Kabinett Viktor Klima (1997 bis 2000) war ebenfalls 16 Köpfe stark und hatte drei Ministerinnen und eine Staatssekretärin umfasst, genau ein Viertel war also weiblich. In der darauffolgenden ersten schwarz-blauen Regierung (Schüssel I) im Jahr 2000 stieg der Frauenanteil auf rund 31 Prozent bzw. fünf Personen, wobei Susanne Riess-Passer (FPÖ) die erste Vizekanzlerin Österreichs wurde.

Blick zurück auf Regierungsteams

Das Kabinett Schüssel II (2003) konnte sieben Frauen vorweisen, was bei insgesamt 18 Köpfen 39 Prozent bedeutete. Als die SPÖ unter Alfred Gusenbauer das Kanzleramt zurückeroberte, hatte die Neuauflage von Rot-Schwarz ab 2007 einen Frauenanteil von 40 Prozent – sechs Ministerinnen und zwei Staatssekretärinnen fanden sich in der 20-köpfigen Regierungsriege.

Das erste Regierungsteam unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ab 2008 umfasste 18 Personen, davon sechs Ministerinnen und eine Staatssekretärin (wieder 39 Prozent). Ab 2013 war das Kabinett 16 Personen stark, davon vier Ministerinnen und eine Staatssekretärin (32 Prozent); mit dem Wechsel von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach Niederösterreich sind es nur mehr drei plus eins, also 25 Prozent, und die ÖVP stellt nur noch ein weibliches Regierungsmitglied.

Historisch betrachtet war in den ersten zwanzig Jahren der Zweiten Republik überhaupt keine Frau in der Regierung vertreten. Dies änderte sich mit der ersten Sozialministerin Grete Rehor in der ÖVP-Alleinregierung von Josef Klaus 1966. Unter Bruno Kreisky (SPÖ) waren es zunächst eine Ministerin und eine Staatssekretärin und diese Zahlen stiegen dann leicht auf zwei Ministerinnen und sechs Staatssekretärinnen ab 1979. Bis 1990 waren maximal zwei Frauen Regierungsmitglieder.

Schittenhelm hat “lachendes und weinendes Auge”

ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm sieht die Personalrochade in ihrer Partei mit “einem lachenden und einem weinenden Auge”, sagte sie der APA am Montag. Positiv sei, dass mit Johanna Mikl-Leitner eine Frau in die Landesregierung einziehe und wohl auch Landeshauptfrau werde. Der geringe Frauenanteil in der Bundesregierung gefalle ihr nicht, doch auch sie habe für Sobotka gestimmt, betont sie.”Ich hätte mir auch eine Frau gewünscht”, räumte sie ein. Doch der Parteibeschluss für Sobotka sei einstimmig erfolgt, also auch mit ihrer Stimme. “Wolfgang Sobotka ist sicherlich prädestiniert” für den Ministerjob, verwies sie auf seine langjährige Erfahrung in der Landesregierung. Sie selbst kenne ihn aus ihrer Zeit im niederösterreichischen Landtag sowie als Bürgermeisterin als guten und korrekten Partner. Er sei ein “offener und direkter” Mensch und werde sicher für “frischen Wind” im Bund sorgen.

Die übrigen ÖVP-Minister leisteten gute Arbeit, hielt Schittenhelm fest, deshalb gebe es auch “keine Notwendigkeit”, jemand anderes zu Gunsten einer Frau einfach auszutauschen. Da müsse sie “Realistin bleiben” und auf eine Chance für mehr Frauenbeteiligung nach der nächsten Wahl hoffen.

>>ÖVP-Rochade fixiert: SPÖ will mit Sobotka “gut zusammenarbeiten”

(apa/red)

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