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Noch viele Lücken bei Barrierefreiheit: "Typisch österreichischer Schlendrian"

Noch immer ist Barrierefreiheit in Österreich nicht selbstverständlich.
Noch immer ist Barrierefreiheit in Österreich nicht selbstverständlich. ©dpa/Sujet
Mit Beginn von 2016 laufen die Übergangsbestimmungen zum Behindertengleichstellungsgesetz aus. Soweit zumutbar, müssen ab dann alle Geschäfte, öffentliche Gebäude und Verkehrsmittel barrierefrei zugänglich sein. Behindertenvertreter verorten nach wie vor viele Mängel.
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Behindertenvertreter begrüßen dies grundsätzlich, fordern aber auch eine rasche Umsetzung der Vorgaben. Vor allem im Tourismusbereich sehen sie noch Mängel.Wien. Der Präsident des Österreichischen Zivil-Invalidenverbands (ÖZIV), Klaus Voget, sagte, er freue sich natürlich, dass die zehnjährige Übergangsfrist endlich ausläuft.

Schade sei, dass die Zeit seitens der Unternehmer kaum dazu genützt worden ist, sukzessive Maßnahmen zu ergreifen, dies müsse jetzt nachgeholt werden.

“Typisch österreichische Schlendrian”

Auch Martin Ladstätter, Obmann des BIZEPS-Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, sieht noch Nachholbedarf: “Der typisch österreichische Schlendrian bei der Umsetzung von Menschenrechten führte leider dazu, dass sehr viele Unternehmen der etappenweisen Verpflichtung zur Schaffung von Barrierefreiheit nicht nachkamen. Es gibt auch positive Beispiele, die aber leider die Ausnahme bilden”, sagte er in einer Stellungnahme.

Obwohl das Gesetz auch weiterhin Ausnahmen für Unternehmen vorsieht, ist nach Vogets Meinung nicht jedes kleine Geschäft automatisch von der Vorschrift, Barrierefreiheit zu gewähren, ausgenommen: Alle müssten schauen, dass sie ihre Dienste den Kunden zugänglich machen können – wenn das Geschäft nicht barrierefrei zu gestalten ist, dann etwa über Zustelldienste. Bei der Öffentlichen Hand sieht Voget gut 50 Prozent der öffentlichen Gebäude bereits als barrierefrei an, hier sei man “gut unterwegs”.

Behindertenvertreter: “Hürden beseitigen”

Veränderungsbedarf sehen die Behindertenvertreter vor allem daran, dass Betroffene, die bei Verstößen gegen das Gesetz klagen, nur einen Anspruch auf Schadenersatz haben, nicht aber darauf, dass die jeweiligen Unternehmer bzw. öffentlichen Stellen dazu verpflichtet werden können, die Hürden zu beseitigen und die Barrierefreiheit zu ermöglichen.

Auch Ladstätter bemängelte diesen Punkt: Das Gesetz kenne keinen Beseitigungsanspruch. Kein Unternehmer müsse sich fürchten, weil das Gesetz vorsehe, dass niemand “unverhältnismäßige Belastungen” durchführen muss, so seine Kritik.

Voget will freilich Druck auf säumige Unternehmen – etwa durch Klagen – ausüben: “Irgendwann wird der Druck auf ein solches Unternehmen so groß, dass sie was tun.”

Schadensersatz bei Missachtung von Barrierefreiheit

Als zu gering sieht der ÖZIV-Präsident auch die Schadensersatzansprüche bei Missachtung der Vorschriften an. Denn diese seien nicht hoch genug, dass eine entsprechende Klage bis zum Obersten Gerichtshof getragen wird. Eine solche Rechtsprechung durch den OGH wäre aber wichtig, denn nur dann würde Rechtssicherheit bestehen. Das Gleichstellungsgesetz an sich sei nämlich hinsichtlich der Barrierefreiheit zu unkonkret ausgestaltet, so Voget.

Als “ganz gut” bezeichnete er die Situation beim Öffentlichen Verkehr. Sowohl die ÖBB wie auch alle anderen Linien hätten sich auf die neue Situation “gut eingestellt”. Auch die Bahnhöfe würden sukzessive barrierefrei ausgestaltet, sagte er. “Ich bin hier zufrieden.”

Mängel sieht der ÖZIV-Präsident allerdings im Tourismusbereich: Barrierefreie Quartiere seien – abgesehen von hochpreisigen Fünf-Sterne-Hotels – “praktisch nicht vorhanden”.

(APA)

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