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Nico, 1988 - Kritik und Trailer zum Film

Nico war eine Popikone im New York der 60er-Jahre. Das exzessive Leben der deutschen Sängerin endete mit dem Unfalltod 1988. Daraus hätte ein US-Regisseur womöglich ein pralles, zu Tränen rührendes Kinomelodram gemacht. "Nico, 1988", der preisgekrönte Porträtfilm der Italienerin Susanna Nicchiarelli, konzentriert sich indes auf die tristen letzten Jahre von Christa Päffgen alias Nico.

Das Leben der legendären deutschen Künstlerin Nico hat viele Zutaten für ein pralles Melodram: Eines der ersten Supermodels, Pop-Art-Muse von Andy Warhol und The Velvet Underground, Schauspielerin und Sängerin, Geliebte von Alain Delon, Junkie. Und beim Unfalltod mit 49 Jahren traurig verglühter Fixstern. Nun nähert sich “Nico, 1988” dieser Figur an. Ab Freitag im Kino.

Nico, 1988: Kurzinhalt zum Film

Die italienische Regisseurin Susanna Nicchiarelli und die dänische Schauspielerin Trine Dyrholm nehmen sich der Geschichte von Christa Päffgen (1938-1988) alias Nico an. “Nico, 1988” verzichtet völlig auf Pathos, geht teilweise brutal ehrlich mit den Problemen seiner gescheiterten Hauptfigur um und meidet zudem konsequent die klassische Biopic-Struktur.

Also keine glamourösen Modelauftritte und 60er-Jahre-Filmszenen, keine ikonischen Auftritte mit Warhol in der “Factory” oder als Lou Reeds “Femme Fatale”. Der preisgekrönte Arthausfilm beschränkt sich, von einigen flackernden Originalaufnahmen und kurzen, dokumentarisch wirkenden Rückblenden abgesehen, auf die letzten Jahre des einstigen Kultstars der New Yorker Kunst- und Musikszene. Und die verliefen sehr trist – ein exzessives Leben forderte seinen Tribut.

Mit Eindrücken des Kindes Christa vom brennenden Berlin des Jahres 1945 beginnt “Nico, 1988”. Dann spult der Film 40 Jahre vor: In einem Radiointerview sagt die lange drogensüchtige Sängerin, sie lebe in Manchester, weil diese nordenglische Stadt sie an die Ruinen der zerstörten deutschen Metropole erinnere. Nicht nur in dieser Szene wirkt Nico gänzlich charmefrei – längst will sie wieder Christa genannt werden, und sie kämpft wütend um Anerkennung für ihre Solokarriere seit dem Debüt “Chelsea Girl” (1967) und dem von der Kritik gefeierten Nachfolger “The Marble Index” (1969).

Die eindrucksvolle Schauspielkunst von Trine Dyrholm (46), die schon in Thomas Vinterbergs “Die Kommune” brillierte (Silberner Bär bei der Berlinale 2016), trägt auch den Nico-Film. Alle Gesangsszenen übernahm die Dänin selbst – eine echte Herausforderung, denn die deutsche Musikerin tremolierte gern mit tiefer Stimme und hartem Akzent, und das noch dazu sehr eigenwillig.

Nico, 1988: Die Kritik

“Nico sang oft schief, und manchmal klang sie wirklich schlimm”, sagte Dyrholm dem britischen “Guardian”. “Aber das ist egal. Sie erzählte in ihren Liedern eine Geschichte.” Oft waren Sounds und Texte sehr düster – damit wurde Nico wichtig für prägende Musikstile der 70er und 80er Jahre wie Punk und Gothic-Rock.

Es passiert nicht allzu viel in den 93 Minuten von “Nico, 1988”, und doch ist dies ein intensiver, tief melancholischer Film. Er schildert die drei letzten Jahre des Ex-Stars im Zeitraffer als eine Art Road Movie: Heroinsucht und Methadon-Versuche, Auftritte vor kleinem, oft irritiertem Publikum, Streitereien mit der jungen Begleitband aus “Amateur-Junkies”, abgeranzte Unterkünfte, aber auch die bewegende Annäherung an ihren einzigen Sohn Ari, dessen Vater wohl Delon war.

“Für mich ist der zweite Teil ihres Lebens so viel interessanter als der erste”, sagt die 1975 in Rom geborene Regisseurin Nicchiarelli, die schon für ihren ersten Langspielfilm “Cosmonaut” (2009) mehrfach ausgezeichnet wurde. “Da wurde sie wirklich sie selbst.” Einen sympathischen Menschen präsentiert “Nico, 1988” gleichwohl nicht. Selbst ihr Tod nach einem Fahrradsturz auf Ibiza – letztlich in Folge eines zu spät erkannten geplatzten Aneurysmas (Arterienerweiterung) – wird kühl abgeblendet, eine versöhnliche Begräbnisszene gibt es auch nicht.

Wo ein Hollywoodregisseur wohl Ecken und Kanten für eine zu Tränen rührende Filmbiografie abgeschliffen hätte, betont Nicchiarelli die Brüche von Nicos Vita und ihre selten kaschierten Unzulänglichkeiten. Ein kompromissloser Porträt- und Musikfilm, der in Venedig 2017 mit dem Orizzonti Award ausgezeichnet wurde und beim italienischen Filmpreis David di Donatello Auszeichnungen für das beste Drehbuch und den besten Sound einheimste.

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(APA/Red)

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