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"Game City": Computerspiele "könnten die Welt retten"

Jene Gamer, die seit Freitag zum Ausprobieren der neuesten Computerspiele in die "Game City"-Messe im Wiener Rathaus strömen, können dies mit gutem Gewissen tun:

Denn Videospiele “könnten die Welt retten”, sagte Spieleforscher James Paul Gee zur Eröffnung der Konferenz “Future and Reality of Gaming”, die die zweite Ausgabe der Game-Messe wissenschaftlich begleitet. Computerspiele lehren die kommende Generation, mit Komplexität und systematischem Denken umzugehen. Und nur dadurch könnten die Zivilisations-gefährdenden Probleme wie Klimawandel, Überbevölkerung oder Wirtschaftskrisen gelöst werden.

Computerspiele werden von Massenmedien, Politikern und Pädagogen gerne als Sündenböcke für Leseschwächen, Aufmerksamkeitsdefizit bis hin zu Amokläufen herangezogen. Dieses vereinfachende Denken könnte nicht falscher sein, sagte der Professor an der Arizona State University – und es ist auch nicht adäquat für jene Probleme, die die jungen Menschen von heute in ihrem künftigen Leben erwarten werden. Das Denken, das die Aufgaben des 21. Jahrhunderts erfordern, dürfe nicht linear oder vereinfachend sein, sondern vernetzt, systemisch und komplex, sagte Gee. Computerspiele haben, zumindest in einem geeigneten pädagogischen Umfeld, ein “großes Potenzial, die Menschen für systemisches Denken zu faszinieren”.

So habe auch der Entwickler des hoch komplexen Evolutions-Spieles “Spore”, Will Wright, gesagt, dass Computergamer beim Spielen “so etwas wie einen wissenschaftlichen Prozess” vollziehen: Sie sammeln Daten, oft in Teams mit Aufgabenverteilung, versuchen, die hinter der Oberfläche liegenden Mechanismen zu erkennen, merken sich hoch komplexe Abläufe und lernen aus ihren Fehlern. “Und die Menschen haben auch noch Spaß daran”, betonte Gee. Gamer wollen, wie alle anderen Schüler auch, “leichte Schulklassen. Aber sie wollen auch komplizierte Spiele.”

Beim Computerspielen erwerben die jungen Menschen von heute “spielerisch Qualifikationen, die im Arbeitsalltag höchst erwünscht” sind, sagte auch Jugendministerin Andrea Kdolsky (V). Die Diskussion über Games auf die Gewalt einzuengen und Spieler als “potenzielle Amokläufer abzustempeln”, sei eine “Themenverfehlung”, so Kdolsky. Denn dafür gebe es keine seriöse wissenschaftliche Bestätigung.

Fast 50 Prozent der Jugendlichen spielen mehrmals die Woche am Bildschirm, betonte die Ministerin – Games sind “längst selbstverständlicher Bestandteil von Freizeitaktivitäten”. Verbote von Spielen wie in anderen Ländern seien der falsche Weg. Die Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen (BUPP) bietet daher eine wöchentlich aktualisierte Liste empfehlenswerter Spiele.

Spiele seien für sich “weder gut noch schlecht”, sagte Gee. So habe die US-Armee zwar vor dem Irakkrieg mit Spielen für Soldaten den Krieg “erspielt. Aber danach sind sie draufgekommen, dass wir besser ‘Frieden’ gespielt hätten”, denn dies sei der schwierigere Teil der Aufgabe. In den USA sei weiters zu sehen, dass arme und reiche Kinder zwar Zugang zu den gleichen Spielen haben, die reichen jedoch durch ihr lernorientiertes Umfeld mehr daraus lernen. Dies zu ändern sei eine gesellschaftliche und pädagogische Aufgabe. Spiele seien kein Wundermittel – man müsse ihr Potenzial auch zur Entfaltung bringen.

“Das, was wir als Kultur verstehen, ist aus dem Spiel entstanden”, sagte Michael Wagner von der Donauuni Krems, die gemeinsam mit dem Familienministerium, der Stadt Wien und der Universität Wien die Konferenz veranstaltet. Der Spieler werde zum “Miterschaffer” der Spielewelt, sagte Gee über jene Spiele, in denen die Gamer strategischen Einfluss haben. “Keine zwei Personen spielen dasselbe Spiel. Dies befreit die Kreativität – denken Sie darüber nach, was möglich wäre, wenn Lehrer genauso arbeiten könnten.” So könnte mit Zivilisations-Aufbauspielen die Weltgeschichte verändert oder mit “Spore” gar die Evolution neu aufgerollt werden – und Schüler daraus mehr lernen als beim Auswendig-Pauken. Und auch des Belohnungs-/Bestrafungssystem sei in Games anders als in der Schule: Beim Spielen sei das Versagen Teil des Spaßes. In den Schulen werde durch die hohen Kosten, die das Versagen für die Schüler hat, freies Denken verhindert.

Im vielfältigen Angebot an Computer- und Konsolenspielen, das ab Freitagmittag (13.00 Uhr) bis Sonntag im Rathaus für die Besucher der “Game City” zugänglich ist, muss wahrlich niemand dasselbe Game öfter spielen. Neueste Konsolen und Spiele können ausprobiert werden. Dies soll vor allem auch den Eltern und Lehrern einen niederschwelligen Zugang zur Welt der Computergames geben, wird betont. Weitere Vorträge der Konferenz beschäftigen sich mit Spielkulturen, Computerspielen als “neue Märchen” und dem Beitrag der Computerspiele zur Bildung.

Zum Thema:

http://www.game-city.at

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