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Mordfall: Die letzten Stunden von Bekir C.

Hittisau/VN - Die Ermittlungsergebnisse ermöglichen eine grobe Rekonstruktion – das Opfer ahnte Schwierigkeiten.
Tatverdächtiger frei
Mordalarm im Bregenzerwald
Leiche in Hittisau gefunden

Dass der 26-jährige Bekir C. ermordet wurde, war den Ermittlern rasch klar. Nun sind die Untersuchungen so weit gediehen, dass sich die letzten Stunden des jungen Mannes relativ gut rekonstruieren lassen. Immer noch in U-Haft: Necmettin G., ein 55-jähriger gebürtiger Anatolier, drei Töchter, zwei Söhne, seit einiger Zeit Notstandshilfebezieher. Er bat seinen Verteidiger Stephan Wirth, erneut Beschwerde gegen die Fortdauer seiner U-Haft einzubringen. Der Verdächtige bleibt nämlich dabei: Er sei unschuldig und habe Bekir C. nie zuvor gesehen. Kurz vor zwei Uhr nachmittags kontaktiert Bekir C. offenbar die Tochter des Hauptverdächtigen. „Was treibst du, wann sehen wir uns?“, smst er. Die junge Frau antwortet ihrem Freund, dass sie etwas anderes vorhabe. Am späteren Nachmittag schlendert Bekir C. in das Bregenzer Bistro, wo er arbeitet. Auf seinen Chef macht er einen depressiven Eindruck. Differenzen zu Hause, wie der Verheiratete erzählt. Er trinkt zwei Corona-Bier, vier bis fünf Tequila und eine Whisky-Cola. Bei anschließenden Anrufen erscheint er seiner Freundin „seltsam“. „Lustig und traurig zugleich, durcheinander und betrunken“, beschreibt sie ihre Wahrnehmungen. Bekirs Chef schickt den Angetrunkenen heim. Der dreht eine Runde, kommt wieder und trinkt weiter. Die Warnung, nicht mehr zu fahren, schlägt er in den Wind, ehe er mit quietschenden Reifen losfährt und sich auf den Weg zu seiner Bekannten macht.

Tatort Parkplatz

Bekir C. kündigt seinen Besuch nochmals telefonisch an. Die Angerufene ist zwar nicht begeistert, doch sie geht runter zur Türe und will ihm öffnen. Plötzlich erhellen Scheinwerfer eines Autos die Szenerie. Der Lenker schaltet um auf Fernlicht. Die junge Frau hört und erkennt laut Protokoll die Stimme ihres Vaters: „Mein Sohn, was machst du bei dieser Wohnung?“, fragt er angeblich energisch auf Türkisch. Bekir C. ahnt Probleme, und versucht ihnen verzweifelt aus dem Weg zu gehen. „Ich weiß nicht wo ich bin, kenne hier niemanden. Ich habe was getrunken, lass mich los“, soll der 26-jährige versucht haben zu entkommen. In der Folge berichten Zeuginnen von Schlägen, Geschrei und dem Davonfahren des Wagens. Sogar das Enkelkind des Hauptverdächtigen wurde wach und fragte angeblich schlaftrunken nach, warum der Opa unten so herumschreie. Ab diesem Zeitpunkt gibt es nur mehr wenige Aussagen – und diese gehen völlig auseinander. Die Verantwortung des 55-Jährigen ist so konträr, dass sie mit der des 17-jährigen Sohnes kaum verglichen werden kann. Necmettin G. gab an, er sei mit dem Auto in Dornbirn gewesen, habe einen Automatenkaffee getrunken und sei dann weiter nach Bregenz gefahren, dort habe ihn dann die Polizei zur Einvernahme beordert. Er weigert sich lange, seinen PIN-Code bekannt zu geben. „Ich bin kein Terrorist“ sagt er. Jener Mann, der nach vier Jahren Volksschule angeblich auch eineinhalb Jahre die Polizeischule in Izmir besucht haben soll, bestreitet weiterhin jede Tatbeteiligung. Sein Sohn hingegen gibt zu, mit Vater und Opfer gemeinsam Richtung Hochhäderich gefahren zu sein. Nach seiner Verantwortung wurde dabei nichts gesprochen, Bekir C. sei ohne Zwang eingestiegen, mitgefahren und habe ruhig im Wagen gesessen. Nachdem der 17-Jährige ausgestiegen war, sei sein Vater weiter gefahren. „Dann habe ich einen Schuss gehört. Ich dachte ein Jäger hätte geschossen“, gibt der Junior zu Protokoll.

Hin- und hergerissen

Die Tochter des Hauptverdächtigen, derzeit im Zeugenschutzprogramm weil sie sich entschlossen hat gegen ihren Vater auszusagen, ist hin- und hergerissen. „Bekir ist tot. Mein Bruder und meine Mutter reden nicht mit mir, mein Vater soll Bekir umgebracht haben“, so die junge Frau. Die Situation belastet sie sehr. Bekir war in ihrem Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung eine „Stütze“, wie sie sagt. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, dass ihr Vater Bekir umgebracht haben könnte, sagt sie allerdings „Nein“. Sie hält das Familienoberhaupt für stur, es habe sie kontrolliert und streng erzogen, geschlagen habe sie ihr Vater jedoch nie. Mord traut sie ihm nicht zu. Sie habe in jener Nacht gehört, wie ihr Vater Bekir wegen seiner Trunkenheit am Steuer zur Rede stellte und gedacht, er bringe Bekir deshalb zur Polizei.

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