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Abschaffung der Grenzgänger-Klausel war ein "Schuss nach hinten"

15 Mill. Euro pro Jahr. Um diese nicht gerade als Bagatellbetrag wegwischbare Summe weniger Steuern lukriert die Republik Österreich von in die Schweiz auspendelnden Grenzgängern, seit das Wiener Finanzministerium auf eine Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz gedrängt und diese in Verhandlungen auch durchgesetzt hatte.

„Diese Änderung erweist sich als gewaltiger Schuss nach hinten – das Abkommen muss dringend neu ausverhandelt werden!“

Diese Forderung erhebt Steuer-Experte Mag. Martin Feurstein von der Dornbirner Kanzlei Igerz. Er legt Wert auf die Unterscheidung, dass aus der Abkommensänderung zwar der Republik Österreich (also der Gemeinschaft der Steuerzahler) massiver Schaden erwächst, nicht jedoch dem einzelnen Grenzgänger. „Dem ist schließlich egal, ob er mehr an die Schweiz oder an Österreich abführt. Für ihn bleibt es letztlich ein Nullsummenspiel“, erklärt Feurstein.

Österreichs Fiskus hatte – noch unter der Verantwortung von Karlheinz Grasser – nicht zuletzt deshalb so heftig auf eine Abschaffung der „Grenzgänger-Klausel“ gedrängt, weil er eigentlich mit einem letztlich höheren Steueraufkommen bzw. geringeren Steuerausfällen gerechnet hatte. Und sich dabei saftig verrechnet hatte. Feurstein: „Zum einen wurde das ,Grenzgängersteueraufkommen Schweiz’ mit 80 Mill. Euro veranschlagt – es sind aber nur 40, in den 80 waren auch Grenzgänger nach Liechtenstein eingerechnet, mit dem gar kein solches Abkommen existiert.“ Zweitens, so der Experte, unterstellte das Bundesministerium für Finanzen (BMF) ein Durchschnitts- Grenzgänger-Einkommen pro Jahr in Höhe von 50.000 Euro (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge vom Brutto). „Der Realität entsprechen würden 35.000 bis maximal 40.000 Euro, von denen dann noch Lohnsteuer abgezogen wird“, zieht Feurstein daraus den Schluss, dass „Rechnen und Kalkulieren jedenfalls keine Stärke dieses Ministeriums verkörpern, oder dass die Mitarbeiter des Ministeriums nicht fähig sind, sich das notwendige Datenmaterial zu besorgen“. Auch die Tatsache, dass über das für 2007 fällige Grenzgänger-Steueraufkommen aus der Schweiz – sie überweist laut Abkommen 12,5 Prozent der von den Grenzgängern geleisteten Steuereinnahmen nach Wien – laut BMF noch keine aussagefähigen Daten existieren sollen, macht Feurstein stutzig: „Das lässt Schlimmstes befürchten. Immerhin schreiben wir Mitte 2009, also dürften mindestens 95 Prozent veranlagt sein.“

Dem Dornbirner Steuer-Fachmann ist schon klar, dass Österreich kaum griffige Argumente besitzt, um den Schweizern ein Aufschnüren und Neuverhandeln des Abkommens schmackhaft zu machen. Notfalls könnte Wien gar das gesamte Abkommen aufkündigen, falls die Eidgenossen beim Thema Grenzgängerbesteuerung sich absolut taub stellen sollten. „Freilich könnte das fürs Ministerium, für dortige Spitzenbeamte äußerst peinlich werden. Denn vermutlich hätte ein x-beliebiger Wirtschafts-Student entdeckt, dass die Ministerialen seinerzeit von falschen Annahmen ausgingen“, glaubt auch Feurstein selbst an keinen großen Vorstoß in nächster Zeit.

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