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Finnland entscheidet über weiteren Atom-Ausbau

Das finnische Parlament soll am Donnerstag (1.7.) über den Bau zweier neuer Atomreaktoren abstimmen.
Atomkraftwerke in Europa

Die Regierung in Helsinki hatte Ende April vorgeschlagen, zwei von drei Bauanträgen verschiedener Konsortien zu genehmigen und dies unter anderem mit steigendem Energiebedarf begründet. Trotz Widerstandes in Teilen der Regierung und etlichen offenen Fragen wird eine Mehrheit im Parlament für die Baugenehmigungen erwartet. Finnland würde mit rund 5,4 Millionen Einwohnern somit künftig über sieben Atomreaktoren verfügen.

Derzeit sind in Finnland insgesamt vier Reaktoren an zwei Standorten in Betrieb. Der in Bau befindliche fünfte Reaktor, Olkiluoto 3 (OL-3) an der westfinnischen Küste, soll nach derzeitiger Planung Anfang 2013 in Betrieb gehen. Das Projekt ist wegen zahlreicher Baumängel rund vier Jahre in Verzug. Die französische AKW-Baufirma Areva und der Auftraggeber, der finnische Energiekonzern TVO, streiten sich um Pönale und Mehrkosten in Euro-Milliardenhöhe.

Bei den Bauanträgen, über die am Donnerstag abgestimmt werden soll, handelt es sich um ein weiteres Projekt von TVO (OL-4), sowie jenes des Konsortiums Fennovoima unter Federführung des deutschen E.ON-Konzerns. Der Antrag eines dritten Anbieters, der finnischen Fortum für noch ein weiteres Atomkraftwerk, wurde von der Regierung im April vorerst abgelehnt.

Die an der Regierung von Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi beteiligten Grünen, die ebenfalls mitregierende Schwedische Volkspartei sowie die Abgeordnete der autonomen Aland-Inseln wollen gegen den Regierungsantrag stimmen. Es wird auch erwartet, dass einige Abgeordnete von Kiviniemis Zentrumspartei aus der Regierungslinie ausscheren und mit Nein stimmen wollen.

Dennoch gilt es als unwahrscheinlich, dass der Regierungsvorschlag fällt. Etliche Abgeordnete der Opposition sind deklarierte Atom-Befürworter. Der Wirtschaftsausschuss des Parlamentes signalisierte vergangene Woche ebenfalls bereits Grünes Licht für die beiden zusätzlichen AKW.

Als möglich gilt dagegen ein Aufschub der Abstimmung, weil etliche Fragen ungeklärt sind. Beispielsweise verfügt der Antrag von Fennovoima über keine vertragliche Lösung für die Endlagerung des anfallenden Atommülls aus seinem geplanten AKW. Eine solche ist für den definitiven Baubeginn allerdings Voraussetzung. Außerdem hat Fennovoima noch keinen fixen Standort für sein Projekt genannt. Zweifel über die Wirtschaftlichkeit der neuen Atomkraftwerke konnten bisher auch nicht vollständig beseitigt werden.

Die Regierung hatte ihren positiven Beschluss für die beiden AKW-Anträge mit dem steigenden Energiebedarf der Industrie und der Notwendigkeit der Reduktion von CO2-Emissionen sowie der erwünschten Verringerung der Abhängigkeit von russischen Stromimporten begründet.

Die Grünen, Greenpeace und andere Kritiker sehen im weiteren Ausbau der finnischen Atomenergieproduktion eine reine Geschäftemacherei mit vergleichsweise billigem Exportstrom sowie eine unnötige Verzögerung der von der Regierung selbst proklamierten langfristigen Umstellung auf nachhaltige Energiequellen.

Außerdem wird befürchtet, dass die Projekte wesentlich weniger finnische Arbeitnehmer beschäftigen wird, als dies von den bauwilligen Betreibern behauptet wird. So blieben die ursprünglichen Angaben von TVO über den Anteil einheimischer Arbeitsplätze beim Bau des AKW OL-3 bisher weit hinter den Angaben zurück.

Zuletzt sank auch die Zustimmung in der finnischen Bevölkerung zu einem Ausbau der Atomenergie. Laut einer im März veröffentlichten Umfrage unterstützten 53 Prozent der Bevölkerung den Bau weiterer AKW. Vier Jahre davor waren es noch 62 Prozent gewesen. Der Anteil der Atomgegner stieg von 33 auf 43 Prozent.

 

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