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Todesschüsse auf Anwaltstochter trafen auch EU-Ambitionen

Die Schüsse im Zentrum von Zagreb trafen auch die EU-Ambitionen des Beitrittskandidaten Kroatien mitten ins Herz. Kein Wunder, dass Premier Ivo Sanader in Folge mit Ministerwechseln im Innen- und Justizressort und der Ankündigung eines Anti-Mafia-Gesetzes demonstrative Betriebsamkeit an den Tag legte.

Der Mord an der Anwaltstochter Ivana Hodak am Montag wurde nämlich auch in Brüssel registriert. Von dort wird Zagreb ohnehin schon länger gemahnt, fällige Reformen im Justizwesen und Maßnahmen im Kampf gegen Korruption und das Organisierte Verbrechen endlich durchzusetzen.

Erst Mitte September hatte es einen Rüffel von oberster Stelle gegeben: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso forderte mehr Anstrengungen in den Bereichen Justiz, Grundrechte und Wettbewerb. Es bleibe noch viel zu tun, um entscheidende Verhandlungskapitel zu öffnen. Beinahe postwendend zeigte Zagreb dann Handlungsbereitschaft. Am 19. September stürmten bewaffnete Polizisten höchst medienwirksam Institute der Universität Zagreb und nahmen 21 Professoren und Lehrbeauftragte fest.

Die “Uni-Mafia” soll Studienzulassungen, Diplome und Prüfungsnoten um Summen von bis zu 9.000 Euro verkauft haben. Peinlich für die konservative Regierung von Sanader (Kroatische Demokratische Gemeinschaft/HDZ) war freilich die Verhaftung von Desa Mlikotin-Tomic. Die Wirtschaftsprofessorin und HDZ-Abgeordnete war im Parlament Vorsitzende des Antikorruptionsausschusses. Allerdings kann man die Verhaftung auch als Zeichen werten, dass die Regierung bei der Korruptionsbekämpfung keinen Unterschied zwischen Freund und Feind macht.

Ein paar Wochen zuvor hatte ein Gerichtsurteil für mediales Aufsehen gesorgt. Ein prominenter Herzchirurg war in der Adria-Hafenstadt Rijeka zu neun Jahren Haft und fünf Jahren Berufsverbot verurteilt worden, weil er erwiesenermaßen in 18 Fällen von Patienten nicht erlaubte Geldzuwendungen in Höhe von umgerechnet rund 31.000 Euro angenommen hatte. Es war die bisher höchste Strafe in einer Korruptionsaffäre in Kroatien. Der Angeklagte hatte sich aber bereits ins benachbarte Bosnien-Herzegowina abgesetzt.

Dennoch galten solche Fälle als Beweis dafür, dass die kroatischen Behörden und Politiker die Auflagen aus Brüssel ernst nehmen und etwas gegen Korruption und Mafia-Zustände tun wollen. Die regelrechte Hinrichtung der 26-jährigen Tochter des Anwalts Zvonimir Hodak, der auch den von Wien an Zagreb ausgelieferten Ex-General und früheren Vize-Verteidigungsminister Vladimir Zagorec vertritt, zeigte aber ihre Ohnmacht gegenüber dem Organisierten Verbrechen.

Der Kroatien-Berichterstatter im Europaparlament, der SPÖ-Politiker Hannes Swoboda, sieht in dem Mord vom Montag einen schweren “Schlag” für Kroatiens EU-Bemühungen, aber auch eine “Chance”. Der Tod von Ivana Hodak könnte der Anlass sein, den mafiösen Strukturen im Lande tatsächlich zu Leibe zu rücken. Die Sprecherin von Erweiterungskommissar Ollie Rehn forderte energische Maßnahmen und erinnerte daran, dass die Justizreform eine unabdingbare Voraussetzung für einen EU-Beitritt ist.

Entsprechend entschlossen zeigte sich auch Staatspräsident Stipe Mesic: “Das war eine Liquidation im Mafia-Stil, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.” Die Minister-Wechsel seien nur die logische Konsequenz gewesen. Am kommenden Freitag tagt der kroatische Sicherheitsrat, um weitere Maßnahmen zu koordinieren. Am Dienstagabend veranstalteten Hunderte Kroaten in Split, Rijeka oder Zagreb mit Kerzen Friedensmärsche gegen die Gewalt.

Sanader musste sich aber auch Schelte gefallen lassen. “Der Einzige, der zurücktreten sollte, ist er selbst”, monierte Oppositionschef Zoran Milanovic (Sozialdemokraten/SDP), “Er hat uns weisgemacht, dass alles in Ordnung ist. Das waren reine Lügen.” Auch die Installierung von Ivan Simonovic als Justizminister stieß nicht auf reine Zustimmung. Simonovic ist zwar Jurist, bisher tummelte er sich aber eher auf dem diplomatischen Parkett. Von 1996 bis 2002 war er Botschafter bei der UNO, sowohl in HDZ- als auch SDP-geführten Regierungen bekleidete er hohe Posten im Außenministerium.

Kritische Geister vermuten daher ein taktisches Manöver. Die Berufung diene nicht den Justizreformen, sondern sei Teil einer Marketing-Strategie nach außen. Mit seiner diplomatischen Erfahrung ist Simonovic schließlich darin geübt, sein Land international im besten Licht erscheinen zu lassen. Und Sanader ist immer noch der Meinung, dass Kroatien bereits 2009 alle Verhandlungskapitel abschließen und EU-Reife erlangen kann. Die Union ist da skeptisch. Swoboda hält einen Beitritt im Jahr 2010 für “unmöglich”.

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