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Papst ordnete die Geheimhaltung an

Missbrauchsfälle in der Kirche mussten an Ratzingers Glaubenskongregation gemeldet werden.
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Der Schweizer Theologe Hans Küng hat Papst Benedikt XVI. vorgeworfen, wichtige Informationen über Missbrauchsfälle geheim gehalten zu haben. „Es gab in der ganzen katholischen Kirche keinen einzigen Mann, der so viel wusste über die Missbrauchsfälle, und zwar ex officio – von seinem Amt her“, sagte Küng. Der Kirchenkritiker bezieht sich auf einen Brief, den Joseph Ratzinger im Mai 2001 in seiner damaligen Funktion als Chef der Glaubenskongregation geschrieben hatte.

„Gegen das sechste Gebot“

In dem Schreiben, das auch auf der Website des Vatikans steht, wurden die kirchlichen Würdenträger angewiesen, alle Voruntersuchungen und Anschuldigungen zu Missbrauchsfällen an Ratzinger weiterzuleiten. Die Untersuchungen sollten geheim bleiben. „Er kann doch nicht nur den Bischöfen den Zeigefinger machen – ihr habt das nicht genügend gemacht – er selber hat die Instruktionen gegeben: als Chef der Glaubenskongregation und auch als Papst wieder neu“, sagt Küng. Die wichtigsten Passagen aus dem Brief „De Delictis Gravioribus“: „Die der Glaubenskongregation vorbehaltenen schweren Straftaten, die bei der Feier der Sakramente oder gegen die Sittlichkeit begangen werden, sind:

» Straftaten gegen die Heiligkeit des hochheiligen eucharistischen Opfers und Sakramentes (…);

» Straftaten gegen die Heiligkeit des Bußsakramentes (…);

» Straftaten gegen die Sittlichkeit, nämlich: die von einem Kleriker begangene Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs mit einem noch nicht 18-jährigen minderjährigen Menschen.

Nur diese oben namentlich aufgezählten Straftaten sind der Glaubenskongregation als Apostolischem Gerichtshof vorbehalten. Wenn ein Bischof oder Hierarch auch nur vage Kenntnis von einer derartigen Straftat hat, muss er sie nach abgeschlossener Voruntersuchung an die Glaubenskongregation weitermelden, (…). Zu beachten ist, dass die Verjährungsfrist für eine Strafklage gegen Strafhandlungen, die der Glaubenskongregation vorbehalten sind, zehn Jahre beträgt. (…) Aber bei einer von einem Priester begangenen Straftat an einer minderjährigen Person beginnt die Verjährung erst mit dem Tag, an dem die Person das 18. Lebensjahr vollendet hat. An den bei den Bischöfen eingerichteten Gerichtshöfen dürfen für diese Strafverfahren nur Priester die Ämter des Richters, des Kirchenanwalts, des Notars und des Strafverteidigers gültig wahrnehmen. Sobald der Fall vor Gericht wie auch immer beendet ist, sind die gesamten Akten des Verfahrens möglichst rasch von Amts wegen an die Glaubenskongregation zu übermitteln. Alle Gerichte der Lateinischen Kirche und der Katholischen Ostkirchen sind verpflichtet, die Rechtsvorschriften zu den Straftaten und Strafen sowie zum Strafverfahren jedes der beiden Kirchengesetzbücher einzuhalten (…). Prozesse dieser Art unterliegen der päpstlichen Geheimhaltung. Durch diesen Brief (…) sollen nicht nur schwere Straftaten (…) vermieden werden. Er bezweckt darüber hinaus, dass Bischöfe und Hierarchen wachsame Seelsorge betreiben, um vor allem für die Heiligkeit der Priester und der Gläubigen Sorge zu tragen, auch mit Hilfe notwendiger Strafen.

Rom, am Sitz der Glaubenskongregation, am 18. Mai 2001, Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt, Tarcisio Bertone Sekretär“.

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