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Nationalratswahl: ÖVP-Chef Kurz will Straftatbestand für Dirty Campaigning

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz fordert die Einführung eines Straftatbestandes "Dirty Campaigning".
ÖVP-Obmann Sebastian Kurz fordert die Einführung eines Straftatbestandes "Dirty Campaigning". ©AP (Sujet)
ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat sich am Sonntag für die Einführung eines Straftatbestandes "Dirty Campaigning" ausgesprochen. Er begründet dies mit den Vorfällen im aktuellen Nationalratswahlkampf und der Causa Silberstein. Auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss würde Kurz unterstützen. SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern will hingegen "runter vom Gas".

Kurz kritisierte die SPÖ einmal mehr, den Berater Tal Silberstein engagiert und damit Dirty Campaigning nach Österreich geholt zu haben. Er würde daher in der Causa auch einen U-Ausschuss unterstützen: “Ich bin für volle Aufklärung dieser ganzen Affäre.” Er schloss außerdem aus, dass er Informationen über die SPÖ-Wahlkampagne erhalten oder dafür bezahlt hat: “Ich interessiere mich nicht für die SPÖ-Kampagne.”

Schmutzkübelkampagnen: Kurz fordert Nachschärfungen

Derzeit kommen jene, die schmutzige Methoden im Wahlkampf anwenden ungeschoren davon, monierte Kurz und forderte Nachschärfungen. Strukturelles Dirty Campaigning und das bewusste Herabsetzen des politischen Gegners durch Falschmeldungen sollen daher verboten werden. Über die Einhaltung einer solchen Regelung sollte der unabhängige Parteien-Transparenz-Senat innerhalb von maximal zwei Wochen entscheiden, hieß es aus seinem Büro gegenüber der APA. Als Sanktionen werden etwa Kürzungen der Parteienförderung je nach Schwere des Vergehens bis hin zur Rückzahlung des Jahresbetrages und auch ein Mandats- und Amtsverlust vorgeschlagen. Letzteres soll zusätzlich immer nach einer rechtskräftigen Verurteilung aufgrund eines “Wahl-Delikts” des Strafgesetzbuchs (Paragraf 261 ff StGB) erfolgen. Gefordert sieht man auch die Sozialen Netzwerke als Verantwortliche. Sie sollen demnach verpflichtet sein, Falschmeldungen und Hasskriminalität nachzugehen und diese zu löschen.

Inhaltlich warb Kurz in der “Pressestunde” für die ÖVP-Steuersenkungspläne und Entlastung kleiner und mittlerer Einkommensbezieher. Auch verwies er auf den Familien-Steuerbonus von 1.500 Euro pro Kind. Menschen, die hart arbeiten, soll mehr zum Leben bleiben, so der Parteiobmann. Wer so wenig verdient, dass er keine Steuern zahlt, könne auch nicht davon profitieren, räumte er ein. Es sollen jedoch auch die Sozialversicherungsbeiträge reduziert werden. Der bis 2020 befristete höhere Spitzensteuersatz hingegen könnte verlängert werden, geht es nach Kurz: “Der kann durchaus so bleiben.”

Das ÖVP-Steuermodell

Kürzungen für Familien etwa bei der Schülerfreifahrt oder der Familienbeihilfe seien nicht geplant. Bei letzterer pocht Kurz aber darauf, dass diese nicht für Kinder im Ausland fließen soll, dies sei eine “Verschwendung des Steuergeldes und nicht gerecht”.

Über das ÖVP-Steuermodell habe man mit Experten gesprochen, diese meinen, es sei ambitioniert aber machbar, so Kurz. Die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer würde drei bis vier Mrd. Euro kosten und dies sei das erste, was er umsetzen möchte. Der Spitzenkandidat verteidigte auch die Pläne, die Körperschaftssteuer für nicht entnommene Gewinne abzuschaffen. Damit sollen Investitionen in Österreich sichergestellt werden, nicht jedoch etwa Finanzinvestitionen. Insgesamt hat das Paket ein Volumen von zwölf bis 14 Mrd. Euro: “Und ich kann garantieren, wir werden nur Dinge machen, die wir gegenfinanzieren können.”

Angesprochen auf etwaige Kürzungen bei den Förderungen meinte Kurz, dass für den Mehraufwand in der Flüchtlingsunterbringung 2,7 Mrd. Euro ausgegeben werden. Bei der illegalen Migration und der “Migration” in das Sozialsystem gehe es um “unendlich große Summen”. Auch bei der Familienbeihilfe werden 300 Mio. Euro ins Ausland überwiesen, betonte der Minister.

Die Pendlerpauschale hingegen stellt er nicht infrage, ebenso wenig die steuerliche Besserstellung des 13. und 14. Gehalts. Kurz meinte weiters, dass die gute Wirtschaftsentwicklung ein Drittel der Pläne finanzieren würde.

Mehr Transparenz bei Förderungen

Auch in der Forschungsförderung fließe in Österreich viel Geld in die Strukturen. Einsparungen verspricht sich die ÖVP auch durch die Zusammenlegung der 21 Sozialversicherungsträger in einen. Bei Förderungen sei generell auch mehr Transparenz gefordert und hier habe er bereits mit einigen Landeshauptleuten gesprochen; werden die Verpflichtungen nicht erfüllt, sollen Konsequenzen drohen. Die Forderung nach einer Ausgabenbremse verteidigte Kurz, wehrte sich aber gegen den Vorwurf, damit gäbe es etwa weniger Geld für die Bildung. Die öffentliche Verwaltung müsse aber effizienter werden und so sei es möglich, dass in gewissen Bereichen “nicht jede Pensionierung nachbesetzt” werde.

Zum Thema Migration pochte Kurz auf den Stopp der illegalen Migration und verwies auf Resettlement: “Das wird das Modell der Europäischen Union werden.” Integration funktioniere durch Leistung, nicht aber durch unbegrenzte Zuwanderung. Er selbst werde von vielen Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt und sei noch nie ausländerfeindlich oder hetzerisch gewesen, meinte er auf die Frage nach Unterschieden zu FPÖ-Positionen beim Thema Zuwanderung.

Kurz rechnet bei all den Vorschlägen auch mit Widerständen: “Wenn wir das umsetzen, was wir vorhaben, wird es enorme Widerstände geben.” Er habe jedoch eine “dicke Haut entwickelt und gelernt, Widerstände auszuhalten”.

Kern will “runter vom Gas”

Bundeskanzler und SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern will im Streit mit der ÖVP über angebliches Dirty Campaigning “runter vom Gas”. “Ich denke schon, dass es jetzt ein richtiger Moment ist, inne zu halten”, sagte er am Sonntag in der ORF-“Pressestunde” vor der Nationalratswahl. Kern vertraut bei der Aufarbeitung der Vorkommnisse den Gerichten und sieht darin einen “Bärendienst für Politik”.

“Natürlich haben wir schon mehr gelacht”, bewertete Kern die Stimmung in seiner Partei. Von Medien kolportierte Rücktrittspläne bestätigte er aber nicht, “da geht es ja nicht um Befindlichkeiten”. Bedrückend ist für den Bundeskanzler, dass es durch die jüngsten Vorgänge im Wahlkampf noch schwieriger sei, eine schwarz-blaue Regierung zu verhindern. Zu dem von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz vorgeschlagenen Straftatbestand zu Dirty Campaigning äußerte er sich nicht konkret.

Zu einem möglichen Untersuchungs-Ausschuss zu den Vorwürfen blieb Kern verhalten, vorstellen kann er sich diesen schon. “Das wichtigste ist, dass sich die Gerichte die Sachen anschauen”, meinte der Kanzler. Die Verfahren würden auch zeigen, wer letztendlich dahintersteckt. Berater Tal Silberstein zu nominieren, sei jedenfalls “ein schwerer Fehler” gewesen. Dessen angeblichen Mitarbeiter Peter Puller hat Kern laut eigener Aussage weder engagiert, noch gekannt.

Keine Berater mehr im SPÖ-Wahlkampf

Auch mit einer weiteren kolportierten Aktion will der SPÖ-Chef nichts zu tun haben: Kommunikationsberater Rudi Fußi soll jene Frau unter Druck gesetzt haben, die verdächtigt wird, Dokumente rund um die Dirty-Campaigning-Affäre weitergegeben zu haben. Fußi, der immer wieder Rede-Bausteine für Kern geliefert hatte, sei nicht von der SPÖ bezahlt worden, sagte der Parteichef. Die angebliche Aktion habe dieser “absolut freiwillig getätigt”.

Berater gebe es im SPÖ-Wahlkampf mittlerweile gar keinen mehr, berichtete der Bundeskanzler. Man habe eine Werbeagentur sowie Menschen wie Altkanzler Franz Vranitzky, deren Rat man suche. Alles andere sei eine “Mystifizierung” des Wahlkampfes und “bewusst gespielt”. Allgemein seien die Vorgänge “nicht nur unmoralisch, sondern in jeder Hinsicht verrückt und blödsinnig”, übte Kern Selbstkritik. Nun sei es aber wieder an der Zeit, auf wichtige Themen zu setzen.

Zu Koalitionen nach der Wahl zeigte sich Kern in alle Richtungen offen und will mit allen sprechen. Dennoch glaubt er, dass die “Vorbereitungshandlungen von Schwarz-Blau” zu schnellen Ergebnissen führen würden und die SPÖ in der Opposition landen könnte: ” Ich glaube, dass wird uns blühen, ob es uns passt oder nicht.” Ob er als Dritter den Kanzler stellen würde, wie Wolfgang Schüssel (ÖVP)? “Nein, dass kann ich mir absolut nicht vorstellen, ich wüsste auch nicht, welche Partei das machen soll.”

Steuerpläne der SPÖ

Ansonsten betonte Kern jene Sachthemen, deren Umsetzung er sich weiter sicher ist – sollte die SPÖ an der Macht bleiben: Steuer-Privilegien für Internetkonzerne gehörten beendet, auch Erbschafts- und Vermögenssteuern müssten eingeführt werden. Eine Wertschöpfungsabgabe sei nur eine Frage der Zeit, da die zunehmende Digitalisierung für einen Wandel sorge. Zum von Kurz propagierten Subsidiaritätspakt meinte Kern: “Mir geht es um Effizienz und nicht um ein ideologisches Konzept.”

Eine nach wie vor differenzierte Haltung behält Kern beim Reizthema Islam. “Muslime sind schon seit sehr langer Zeit Teil unserer Realität”, meinte er dazu, daneben gebe es aber sicher “unübersehbare Probleme”, wie etwa die Radikalisierung mancher. Der Kanzler will “mit eiserner Konsequenz und eiserner Faust dort vorgehen, wo unsere Verfassung infrage gestellt wird”. Ansonsten müsse die Lebensweise der Muslime akzeptiert werden.

Die Flüchtlingspolitik der Regierung verteidigte Kern abermals. Man habe bereits viele Menschen aufgenommen, “aber wir können nicht über die Grenzen unserer Möglichkeiten hinausgehen”. Daher sei es wichtig gewesen, die Migration zu begrenzen. Dies zeige sich nun auch in den Zahlen, die Monat für Monat sinken. Zur EU-Politik sagte er: “Ich bin der Auffassung, dass wir ein starkes Europa brauchen” – allerdings für Menschen, nicht für Konzerne.

FPÖ-Kritik und Grünen-Appell

Die FPÖ hat am Sonntag Kritik an der Vorgangsweise von Kommunikationsberater Rudi Fußi geübt und die Grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek forderte in einer Aussendung von SPÖ und ÖVP ein Abrüsten der Worte im Wahlkampf. Die ehemalige Dolmetscherin von Tal Silberstein, die von Fußi unter Druck gesetzt worden sein soll, erklärte unterdessen, sie habe von der ÖVP kein Geld bekommen.

Die SPÖ sieht die Dolmetscherin des gefeuerten Silberstein als mögliche Quelle der vielen Informationslecks in den vergangenen Wochen. “Krone.at” berichtete am Samstag, Fußi habe der jungen Frau in WhatsApp-Nachrichten “Schweigegeld” angeboten – dieser betonte allerdings, es handle sich um eine Belohnung für Infos zur Weitergabe seiner private E-Mails. Die SPÖ distanzierte sich daraufhin von der Vorgangsweise des Kommunikationsberaters.

Am Sonntag erklärte die junge Frau via einer Vertrauten auf “Krone.at”, sie habe “Angst”. Weiters betonte sie: “Von der ÖVP habe ich nie Geld angeboten bekommen. Und auch sonst nichts.”

“Sittenbild des verrotteten Politsystems”

Kritik an Fußi setzte es auch seitens der FPÖ, dieser sei ein “Sittenbild des verrotteten Politsystems”, erklärte Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Dass er der Übersetzerin etwa einen “Deal” vorschlage, um einer etwaigen Strafverfolgung zu entgehen, seien “Zustände wie in einer Bananenrepublik”, stellte Kickl fest.

Die Grünen forderten von SPÖ und ÖVP ein Abrüsten der Worte und einen sensiblen Umgang mit der Sprache. Konkret kritisierten sie Aussagen von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, wonach SPÖ-Mitarbeiter “entsorgt” wurden oder dass der 15. Oktober eine Volksabstimmung darüber sein solle, ob “wir die Silbersteins in Österreich wollen”. Das sei ein “verhetzender Sprachgebrauch”, so Lunacek. Sie wandte sich an enttäuschte Wähler der beiden Noch-Koalitionsparteien und lud sie ein, ein Stück des Weges mit den Grünen zu gehen.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bekräftigte unterdessen die Forderung nach einer Verschärfung des Strafrechts. Strukturelles Dirty Campaigning könne derzeit nicht ausreichend bekämpft werden, denn selbst wenn eine Gegenäußerung vor einer Wahl noch kurzfristig möglich ist, bleibe der politische Mitbewerber angepatzt zurück. Hier werde es neue Maßnahmen brauchen, so der Vizekanzler in einem Statement gegenüber der APA.

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(APA/Red)

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