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Mustang - Trailer und Kritik zum Film

Als in der Hochzeitsnacht kein Blut auf dem Leintuch ist, schrillen bei Selmas Schwiegereltern die Alarmglocken. Die junge Türkin ist die erste von fünf Schwestern, die zwangsverheiratet wird.

Von kleinen Rebellionen und großen Einschränkungen in einer reaktionären, patriarchalischen Gesellschaft erzählt Deniz Gamze Ergüvens eindrücklicher Erstlingsfilm “Mustang”. Ab Donnerstag im Kino.

Mustang – Die Geschichte

Mit dem ersten Tag der Sommerferien fängt das Martyrium für die zwölfjährige Lale (Günes Nezihe Sensoy) und ihre vier älteren Schwestern Selma (Tugba Sunguroglu), Nur (Doga Zeynep Doguslu), Ece (Elit Iscan) und Sonay (Ilayda Akdogan) an. Weil sie nach der Schule mit ein paar Burschen im Meer herumgetollt haben, zerreißen sich die Nachbarn im nordtürkischen Dorf an der Schwarzmeerküste das Maul ob des angeblich “unsittlichen” Verhaltens der lebensfrohen Teenager. Ihre Großmutter und ihr Onkel, bei denen sie seit dem Tod ihrer Eltern leben, reagieren prompt, hauen zu – und sperren die Mädchen schließlich ein.

Nach und nach wird ihr Haus zur Festung, zur “Fabrik für Ehefrauen, der wir nicht entkamen”, erzählt Lale im Off. Die Fenster werden vergittert, ein Zaun wird gebaut und nach jedem Fluchtversuch aufgestockt. Die Mädchen werden in sackartige Kleider gesteckt, dürfen nicht mehr in die Schule gehen und werden stattdessen zuhause unterrichtet – in für Hausfrauen essenziellen Bereichen wie Kochen, Backen und Manieren. Nach und nach sollen sie alle verheiratet werden, werden potenziellen Schwiegereltern präsentiert. Doch die Solidarität zwischen den Schwestern ist so groß wie der Freiheitsdrang, den sie verspüren. Und so erschaffen sie sich immer wieder schöne Momente untereinander, und gelingt ihnen einmal sogar die Flucht zu einem Fußballspiel, das aufgrund von Ausschreitungen nur von Frauen besucht werden darf.

Mustang – Die Kritik

Durch die Erzählperspektive der unbedarften Lale sowie sonnendurchflutete, wunderschön fotografierte Aufnahmen zwischen den Schwestern hält die franko-türkische Regisseurin Deniz Gamze Ergüven von Anfang bis Ende bei all der Tragik eine erbauliche Leichtigkeit aufrecht. Infolgedessen nimmt man ihren gemeinsam mit Alice Winocour geschriebenen Film weniger als Anklage mit erhobenem Zeigefinger sondern vielmehr als feministisches, hoch aktuelles Plädoyer für die Bewahrung der Lebensfreude und das Recht eines selbstbestimmten Lebens wahr.

Als solches hat “Mustang” einen wahren Siegeszug hinter sich, wurde nach der Uraufführung bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Lux-Filmpreis des Europaparlaments und als bestes Debüt beim Europäischen Filmpreis ausgezeichnet und ging für Frankreich ins Rennen um den Auslandsoscar. Das ist auch dem herausragenden, jungen Cast zu verdanken, mit dem man lacht, weint, hofft und sich ärgert.

Je mehr die Mädchen eingeschränkt werden, desto stärker bilden sich ihre einzelnen Persönlichkeiten heraus und ergeben sich fünf sehr unterschiedliche Schicksale und Enden, angesiedelt zwischen Elend und Hoffnung. So heiratet Sonay früher als gewünscht, aber zumindest aus Liebe, fällt Selma nach ihrer Zwangsehe mit einem fremden Mann in eine Depression und findet Lale in einem Lieferwagenfahrer einen Vertrauten, der einen Ausweg ins ferne Istanbul bieten könnte… Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age-Film, der einen Einblick in eine uns unbekannte, rückschrittliche Welt bietet und dessen Heldinnen einen nachhaltig beeindrucken.

(APA)

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