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Mongolei: Demonstranten stürmen Parteizentrale

In der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator haben etwa 1.500 Demonstranten das Hauptquartier der größten politischen Partei des Landes gestürmt und sich auf die Suche nach führenden Funktionären begeben.

In der Mongolei hat die am Mittwoch ausgebrochene Regierungskrise Unruhen ausgelöst. Etwa 1.500 wütende Demonstranten stürmten am Donnerstag in der Hauptstadt Ulan Bator die Zentrale der größten Partei des Landes, der Mongolischen Revolutionären Volkspartei (MRVP). Der Parteisitz wurde nach Angaben eines Sprechers schwer beschädigt. Ob Tote oder Verletzte zu beklagen sind, wurde nicht mitgeteilt. Hunderte Polizisten und Soldaten rückten zum Schutz des nahe gelegenen Parlamentsgebäudes an.

Die Demonstranten protestierten gegen den Austritt der ex-kommunistischen MRVP aus dem vor 15 Monaten gebildeten Regierungsbündnis mit der mittlerweile auseinander gefallenen „Vaterland-Demokratie-Koalition“ (MDC). Die ernste Zuspitzung der Krise ging nach ersten Informationen auf ein Fernsehduell zwischen Ministerpräsident Tsakhiagin Elbegdorj und dem Vorsitzenden der MRVP, Miyegombo Enkhbold, zurück. Dabei hatte der MRVP-Chef den Premier direkt zum Rücktritt aufgefordert, teilte der Sprecher der von dem US-amerikanischen Milliardär George Soros finanzierten Organisation „Open Society Forum“ in Ulan Bator mit. Elbegdorj hatte die Forderung zurückgewiesen.

Die größte Partei des Landes begründete ihren Schritt damit, dass Elbegdorj die wichtigsten Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption nicht in den Griff bekomme. Das Parlament, der Große Volks-Hural, hätte am Donnerstag entscheiden sollen, ob die MRVP-Ministerrücktritte angenommen werden.

Die MRVP war mehr als 70 Jahre in dem zwischen Russland und China gelegenen 2,7-Millionen-Einwohner-Land an der Macht. Sie hatte 1990 ihr Machtmonopol aufgegeben und Mehrparteienwahlen ermöglicht. Sie sagte sich damals vom Marxismus-Leninismus los, um eine „demokratische Gesellschaft auf der Basis der humanistischen Werte“ bei gleichzeitiger „Rückbesinnung auf den Buddhismus“ aufzubauen. Die so genannte Äußere Mongolei wurde 1921 unabhängig, während die Innere Mongolei eine autonome Region der Volksrepublik China ist.

Die Koalition kam 2004 zu Stande, nachdem die MRVP bei den Parlamentswahlen die Hälfte ihrer Mandate verlor. Elbegdorj von der zur MDC gehörenden Demokratischen Partei wurde Ministerpräsident. Eine Vereinbarung sah vor, dass er im heurigen Jahr das Amt des Regierungschefs an einen MRVP-Vetreter übergibt. Vor einem Jahr brach die Vaterland-Demokratie-Koalition auseinander. 25 ihrer Abgeordneten traten zur MRVP-Fraktion über.

Entscheidung über Regierung verschoben

Nach den überraschenden Unruhen, die durch das Auseinanderbrechen der Regierungskoalition ausgelöst worden sind, hat das mongolische Parlament, der Große Volks-Hural, am Donnerstag in Ulan Bator die Entscheidung über die Abberufung der Regierung von Ministerpräsident Tsakhiagin Elbegdorj auf den morgigen Freitag verschoben. Elbegdorj erhob vor dem Plenum schwere Vorwürfe gegen die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP), deren Minister von ihren Ämtern zurückgetreten sind, betonte aber, dass er sich dem Willen der Parlamentsmehrheit unterwerfen werde.

Tausende Demonstranten hatten zuvor das Hauptquartier der MRVP gestürmt. Die Demokratische Partei des Regierungschefs sieht in dem Rücktrittsmanöver einen Versuch, laufenden Ermittlungen wegen Korruption gegen den erst kürzlich gewählten MRVP-Vorsitzenden, den langjährigen Bürgermeister von Ulan Bator, Miyegombin Enkhbold, zuvorzukommen.

Die chinesische Regierung äußerte unterdessen ihre Sorge über die Krise in dem rund 2,8 Millionen Einwohner zählenden nördlichen Nachbarland, das nach dem Zusammenbruch einer Schutzmacht Sowjetunion den Übergang zur Demokratie geschafft hatte. Peking hoffe, dass die Mongolei ihre politische Stabilität wahren könne, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Kong Quan, sprach aber zugleich von einer „inneren Angelegenheit“.

China beunruhigt

In der zu China gehörenden Inneren Mongolei, wo es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Unruhen und verstärkten Sezessionsbestrebungen gekommen ist, leben mehr Mongolen als in der souveränen Mongolischen Republik (Äußere Mongolei), die ein demokratisches Mehrparteiensystem eingeführt hat. Die USA hatten der Regierung in Ulan Bator eine Sicherheitsgarantie gewährt. Mit Moskau schloss die Mongolei 1993 einen Freundschaftsvertrag mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren.

Peking erhebt laut einem Geheimpapier des chinesischen Staatssicherheitsdienstes auch Anspruch auf die Mongolische Republik und die von Mongolen bewohnten Gebiete Russlands, die früher zum chinesischen Kaiserreich gehört hatten. Das Dokument enthielt keinen Hinweis darauf, dass China die historisch begründeten Ansprüche auf die seit 1921 unabhängige Äußere Mongolei und die zu Russland gehörende Burjatische Republik auch durchsetzen will.

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