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CETA-Beschluss im Nationalrat umstritten

Handelsabkommen CETA
Handelsabkommen CETA ©APA
Die bevorstehende CETA-Ratifizierung hat am Mittwoch die "Aktuelle Europastunde" des Nationalrats geprägt.
Proteste gegen CETA
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FPÖ stimmte CETA zu

SPÖ und Liste Pilz attackierten vor allem die Freiheitlichen, die “umgefallen” seien. Die FPÖ verteidigte sich mit dem Verweis auf die Verbesserungen, die beim Handelsabkommen der EU mit Kanada erreicht worden seien.

Seitens der SPÖ argumentierte Europasprecher Jörg Leichtfried, dass die Ratifizierung eine Ignoranz gegenüber den laufenden Verfahren zu CETA vor EuGH und deutschem Verfassungsgericht darstelle. Besonders stören ihn die “Geheimtribunale”, also Schiedsgerichte, wo Arbeitnehmerrechte unter den Tisch fallen würden. In Richtung der Freiheitlichen meinte Leichtfried, dass der ÖVP etwa ältere Arbeitslose egal seien, wisse man: “Aber FPÖ, sagt’s mir, was ist mit euch?”

Liste Pilz: “Umfaller der Sonderklasse”

In die gleiche Kerbe schlug Bruno Rossman von der Liste Pilz. Er warf FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einen “Umfaller der Sonderklasse” vor und warnte vor Abkommen des Raubtierkapitalismus.

Die FPÖ-Haltungsänderung verteidigte der Abgeordnete Roman Haider. Schließlich seien CETA “alle Giftzähne” gezogen worden. SPÖ-Klubobmann Christian Kern habe dagegen noch davor vom wahrscheinlich besten Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen habe, gesprochen.

Ohnehin immer schon für das Abkommen waren ÖVP und NEOS. Vorläufig in Anwendung ist CETA ja schon und für ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig hat sich damit die Position der Linken verschlechtert, seien doch die “Weltuntergangsprophezeiungen” nicht eingetroffen. EU-Mandatar Othmar Karas argumentierte, dass Handelsabkommen Europas einziges Instrument seien, “unser Recht, unsere Werte und unsere Standards global durchzusetzen.”

Die NEOS-Europaparlamentarierin Angelika Mlinar betonte, dass der Binnenmarkt das Herzstück der EU sei und auch die Voraussetzung biete, um konkurrenzfähig zu bleiben und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Lokale “Autarkie-Phantasien” seien falsch. Was es brauche, seien faire Handelsabkommen.

SPÖ bringt “dringliche Anfrage” ein

Die SPÖ brachte einen “Dringlichen Antrag” ein, mit dem sie erreichen will, dass entweder eine Volksabstimmung über den Pakt zwischen EU und Kanada vorgenommen wird oder die Sonderklagerechte für Konzerne gestrichen werden.

Noch unter der Regierung des heutigen SPÖ-Klubobmanns Christian Kern hatte CETA die erste Stufe genommen und wird “vorläufig angewendet”. Dabei sollte es fürs erste aber auch bleiben, finden die Sozialdemokraten. Denn der gesamte Investitionsschutz inklusive der Konzernklagerechte gelte erst, wenn auch Österreich und somit der Nationalrat zugestimmt habe, wird in der Begründung des “Dringlichen” betont.

In die Pflicht genommen wird von Kern und Kollegen vor allem die FPÖ, habe doch deren Parteichef Heinz-Christian Strache noch vor wenigen Monaten kundgetan, dass eine Volksabstimmung über das Abkommen “Koalitionsbedingung” sei. Nun aber hätten die Freiheitlichen im Regierungsprogramm der Ratifikation von CETA bedingungslos zugestimmt und damit “geradezu kapituliert”.

SPÖ verweist auf Volksbegehren

Verwiesen wird seitens der SPÖ auch darauf, dass immerhin mehr als 562.000 Österreicher im Zuge des Volksbegehrens “Gegen TTIP/CETA” ihre Kritik an den transatlantischen Abkommen kundgetan und ein Verfassungsgesetz gefordert hätten, das eine Genehmigung der Pakte nur auf Grundlage einer eigenen verfassungsrechtlichen Ermächtigung ermöglichen würde. Nun gelte aber die Bedrohung durch Konzernklagen mit Zustimmung der FPÖ für alle Zukunft unbefristet – ganz im Gegensatz zur temporären Aufschiebung des Rauchverbots in der Gastronomie, das die Freiheitlichen im Tausch für die CETA-Zustimmung bei den Koalitionsverhandlungen herausgeholt hätten.

Was die SPÖ schon gar nicht versteht, ist die Eile der Regierung. Denn CETA liege derzeit sowohl vor dem Europäischen Gerichtshof als auch vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht. Aufgrund eines ähnlichen EuGH-Urteils sei dabei sogar davon auszugehen, dass der Gerichtshof CETA nur unter Auflagen genehmigen werde. Dabei habe sogar Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erst vergangenen September kundgetan, dass man auf den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs warten werde.

Mit der “voreiligen und überhasteten” Ratifikation durch Österreich begebe sich Schwarz-Blau nun vollständig seiner Verhandlungsposition in den bevorstehenden Nachverhandlungen, glaubt die SPÖ: “Es ist wie beim Autokauf: Die bessere Ausstattung gibt es sicher nicht mehr, wenn man den Kaufvertrag schon unterschrieben hat.”

Hofer verteidigt freiheitlichen Sinneswandel

FPÖ-Regierungskoordinator Norbert Hofer hatte zuvor vor Journalisten den Sinneswandel der Freiheitlichen verteidigt, die als Oppositionspartei stets gegen CETA gewettert hatten. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) betonte, “es ist ein sicheres und hochqualitatives Abkommen”.

Hofer räumte ein, dass er als Bundespräsidentschaftskandidat gegen CETA aufgetreten ist, und erklärte seine Haltungsänderung am Mittwoch damit, dass bei der “Richtungsentscheidung” die Mehrheit letztlich für Alexander Van der Bellen gestimmt habe, der für das Handelsabkommen war. Außerdem sei man ans Koalitionsabkommen mit der ÖVP gebunden: Die Zustimmung zu CETA sei für die Volkspartei entscheidend für eine Zusammenarbeit gewesen. “Bei diesem Punkt hat die FPÖ einen Kompromiss möglich gemacht, und zu dem stehen wir.”

Einen Gesichtsverlust vor den freiheitlichen Wählern kann Hofer nicht erkennen: “Mein Gesicht ist noch immer vorhanden.” Die Bedenken, die man vor zwei Jahren gehabt habe, seien zu wesentlichen Teilen ausgeräumt, meinte Hofer etwa mit Blick auf Umwelt- und Sozialstandards.

Aktivisten protestieren vor Bundeskanzleramt

Vor dem Bundeskanzleramt protestierten während der Regierungssitzung neben den Aktivisten von Greenpeace, die angekettet mit Stahlketten den Haupteingang des Kanzleramtes blockierten, zahlreiche weitere Aktivisten gegen das Abkommen. Vertreter des Bündnisses “anders handeln” kritisierten das Vorhaben und appellierten vor allem an die Abgeordneten der FPÖ, im Parlament die Zustimmung noch zu verweigern. So erklärte etwa Alexandra Strickner von Attac Österreich, die FPÖ habe sich vor der Wahl gegen CETA positioniert, um Stimmen zu gewinnen, jetzt aber bediene die Partei “offensichtlich die Interessen von Konzernen”. Wie auch Vertreter von GLOBAL 2000 oder Greenpeace äußerte Strickner die Hoffnung, dass Abgeordnete der Freiheitlichen bei der Abstimmung im Parlament ihre Meinung noch ändern.

Unter die Demonstranten mischte sich auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, der einmal mehr seinen Ärger kundtat. “Die FPÖ, Heinz-Christian Strache persönlich, ist hier umgefallen, total”, sagte er. CETA komme nun, ohne dass dem Abkommen die “Giftzähne” gezogen wurden. Die SPÖ habe immer gesagt, wenn das Freihandelsabkommen in dieser Form komme, werde man es nicht ratifizieren.

Wirtschaftsministerin mit Seitenhieb auf SPÖ

Die Wirtschaftsministerin startete ihr Statement im Pressefoyer unterdessen mit einem Seitenhieb auf die SPÖ – nämlich einem Zitat des roten Parteichefs und früheren Kanzlers Christian Kern aus dem Jahr 2016: CETA sei “wahrscheinlich das beste Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat”. Sie schließe sich “voll inhaltlich an”, erklärte Schramböck. Es sei wichtig, neue, hochwertige Partnerschaften abzuschließen. CETA “hält die hohen Standards und bietet Chancen für die Wirtschaft”, bekräftigte sie.

Es sei wichtig, dass man Bedenken ernst nehme, meinte sie zu den Protesten, aber Kanada sei ein hoch entwickeltes Industrieland, zu dem man schon lange Geschäftsbeziehungen unterhalte. Europäische Standards seien sichergestellt, man habe zuletzt “weder Chlorhühner bei uns entdeckt, noch eine Ahornsirupschwemme bei uns gehabt”.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ), die formal für völkerrechtliche Verträge zuständig ist, erklärte die Zustimmung der Freiheitlichen ebenfalls damit, dass dies eine der wesentlichen Bedingungen der ÖVP für die Koalition gewesen sei, “vielleicht sogar eine Conditio sine qua non”. Nicht so gerne über CETA reden wollte FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek. Beim Handelsabkommen seien einige Giftzähne gezogen worden, “wir halten uns ans Regierungsprogramm”, meinte er lediglich. Lieber wollte Kunasek die geplanten “Sicherheitsinseln” des Bundesheers – energie- und lebensmittelautarke Kasernen für den Krisenfall – bewerben (siehe APA190 vom 14. Mai).

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(APA)

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