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Mikl-Leitner im Ausnahmezustand

©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Innenministerin will den Rechtsstaat aushöhlen. Und niemand hält sie auf – weder die Parteifreunde noch der Koalitionspartner SPÖ.

Das sogenannte „Staatsschutzgesetz“ ist noch nicht einmal beschlossen, da setzt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schon zum nächsten Schritt an: Auch in Österreich soll der Ausnahmezustand möglich werden, in dem sich die Beamten nicht weiter an den Rechtsstaat halten müssen, sondern im Wesentlichen tun und lassen können, was sie wollen.

Wer jetzt glaubt, er habe ohnehin nichts zu verbergen und daher auch nichts zu befürchten, sollte vorsichtig sein: Ein missverständliches Wort oder ein blöder Scherz in den sozialen Medien, der dann vielleicht auch noch von den falschen Leuten geteilt wird, und schon ist man unter Umständen verdächtig. Auszuschließen ist das jedenfalls nicht: Behördliche Willkür, die ein Stück weit zum Ausnahmezustand gehören würde, kann jeden Bürger ins Visier geraten lassen. Irgendeine Begründung ließe sich immer finden.

Gerade in einem Land wie Österreich, das noch immer eine Demokratie mit einer ordentlichen Verfassung ist, mag all das verrückt klingen. Allein schon das theoretisch Mögliche sollte jedoch zu denken geben.

Grundsätzlich ist es ja nachvollziehbar, dass die Innenministerin darauf achtet, dass die Polizei auf dem schnellsten und einfachsten Weg potenzielle und vor allem auch tatsächliche Terroristen ausfindig machen kann. Sicherheitsvorkehrungen zu setzen, die dafür sorgen, dass die Kollateralschäden gering bleiben und der Rechtsstaat einigermaßen gewahrt wird, ist nicht ihr Job. Darum müssten sich andere kümmern. Der Justizminister etwa. Oder der Koalitionspartner. Doch Wolfgang Brandstetter (ÖVP) macht nicht den Eindruck, als würde ihn derlei interessieren. Und die SPÖ hat gegenüber Mikl-Leitner noch immer nachgegeben; selbst in der Debatte um die Errichtung eines Grenzzauns bei Spielfeld oder beim Staatsschutzgesetz – und auch für den Ausnahmezustand ist sie nun offen.

Das verheißt nichts Gutes. Denn bei jeder Debatte über einen Ausnahmezustand müssen zugleich auch die Rechte von uns allen berücksichtigt werden. Das fängt schon damit an, dass zu klären ist, ab wann er überhaupt ausgerufen werden dürfte: Reicht es, dass in einem anderen europäischen Land ein schwerer Anschlag verübt worden ist? Oder muss Österreich selbst am Rande eines Bürgerkriegs stehen? Zu klären ist außerdem die Frage, wer Hausdurchsuchungen und solche Dinge, die in Frankreich unter den besonderen Umständen ohne weiteres möglich sind, zumindest im Nachhinein kontrolliert, damit den Beamten von vornherein klar ist, dass sie gute Gründe für ihr Vorgehen haben müssen. Gipfeln müsste eine Debatte über einen Ausnahmezustand schließlich in einem Widerstandsrecht, wie es das deutsche Grundgesetz enthält: Jeder Bürger darf sich gegen jeden auflehnen, der sich über alle Regeln hinwegsetzt. Allein das ist die adäquate Antwort auf eine (fast) allmächtige Polizei.

Sehr wahrscheinlich sollte man zunächst aber überhaupt die Stopp-Taste drücken, ehe man über all diese Dinge nachdenkt. Denn die Innenministerin ist bekannt dafür, zu dramatisieren. In der Flüchtlingskrise ließ sie schon im Frühjahr Zelte errichten und sprach dann bereits im Sommer von einem „Notstand“. Ein solcher ist jedoch nicht in Sicht. Zum Glück nicht. Also gibt es vielleicht auch gar keinen Grund, Mikl-Leitner in den Ausnahmezustand zu folgen.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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