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Messerstich-Prozess: Angeklagter bekennt sich "nicht schuldig"

Spannung beim Prozess in Wien.
Spannung beim Prozess in Wien. ©APA
Der Angeklagte, ein Taxifahrer, der in Wien-Leopoldstadt seine Freundin mit einem Küchenmesser attackiert haben soll, bekennt sich vor Gericht "nicht schuldig".
Der Prozessstart

Der 57-jährige Taxifahrer bekannte sich “nicht schuldig”. Sein Verteidiger Rudolf Mayer kritisierte die Polizei, die in diesem Fall “schlampig” ermittelt habe. Es sei davon auszugehen, dass die 35-Jährige auf den Mann eingestochen habe, was in der Anklageschrift allerdings mit keinem Wort erwähnt wird.

Taxifahrer erlitt Stichwunden

Fest steht, dass der 57-Jährige zwei Stichwunden im Rücken, daneben aber auch zwei Verletzungen an der Schulter und in der Brust aufwies. Wie zwei Zeugen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ausgesagt hatten, war der Mann röchelnd aus seiner Wohnung gekommen und soll am Gang “Sie hat mich abgestochen” erklärt haben, ehe er vor dem Wohnhaus das Bewusstsein verlor und zusammenbrach. Der elfjährige Sohn hatte vor der Polizei stets erklärt, er habe dem Vater nur in den Rücken gestochen, während die Frau abgestritten hatte, überhaupt ein Messer ergriffen und zugestochen zu haben.

Eskalation wegen eines Kalendereintrags

Wie der Verteidiger ausführte, soll sich die Tatortgruppe des Landeskriminalamts geweigert haben, “wegen so einer G’schicht’ auszurücken”, so Mayer unter Verweis auf den Akteninhalt. Die am Tatort anwesenden und mit der Spurenaufnahme betrauten Beamten hätten dann zwar zwei Messer sichergestellt, ein drittes, am Boden liegendes aber nicht weiter beachtet. Ein Beamter habe das einfach zurückgelegt. “Das hat sauber ausg’schaut. Weil’s sauber ausg’schaut hat, hab ich’s wieder zurückgelegt”, zitierte Mayer dessen Angaben. Zeugenaussagen zufolge soll der Angeklagte darüber hinaus mit einem keramikfarbenen Messer in der Hand aus der Wohnung gekommen sein. Ein solches war offenbar gar nicht Gegenstand der polizeilichen Erhebungen, da es bei der in Schriftform gegossenen Spurenauswertung nicht einmal erwähnt wird.

“Vielleicht hat er sich sogar verteidigt gegen ihren Stich”, ersuchte der Anwalt die Geschworenen, dem Beweisverfahren besonders aufmerksam zu folgen. Sein Mandant hatte nach seiner Festnahme zunächst erklärt, sich – was den Tatablauf betrifft – an nichts mehr erinnern zu können. In seiner Einvernahme schilderte er nun jedoch, er habe der 35-Jährigen einen Faustschlag versetzt, weil diese den Kalender mit der verdächtigen Eintragung ihm aus der Hand und an sich reißen wollte. Plötzlich habe sie ein Messer in der Hand gehabt und ihn gestochen, “weil ich sie geschlagen habe”. Daraufhin habe er mit einem anderen Messer zwei oder drei Mal zugestochen: “Ich hatte Angst, dass sie weiter zusticht.”

Auf die Frage, warum er das bisher nicht erzählt habe, erwiderte der Angeklagte: “Ich habe geglaubt, sie versöhnt sich. Ich wollte sie nicht belasten.” Grundsätzlich merkte er noch an, die Frau habe ihn “ausgenutzt” und als “Sprungbrett” gebraucht: “Wie sie mit der Schule (gemeint: die Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester, Anm.) fertig war, da hat sie mich nicht mehr gebraucht.”

Mutter und Sohn fanden Zuflucht bei den Nachbarn

Die Nachbarn, die gegenüber der Familie wohnen, konnten Schreie des Angeklagten und seines Sohnes hören, ebenso ein Pumpern und Türen zuknallen, erklärten sie im Anschluss als Zeugen. Der Elfjährige habe geschrien: “Papa hör auf, du bringst sie um!” Kurz darauf hämmerte es an ihrer Tür und der Bub stand davor. Dieser sei total außer sich gewesen und habe “Ich habe ihn umgebracht, ich muss ins Gefängnis” ebenso wie “Er bringt sie um” gesagt.

Dann sei die Mutter hinter dem Sohn nachgekommen und auch in die Wohnung der Nachbarn gelaufen. Den Angeklagten sah der Zeuge mit einem Keramik-Messer in der Hand im Gang stehen. Er habe in Richtung Wohnungstür geschaut, sodass er dachte, der 57-Jährige wolle auch in die Wohnung hinein. Laut der Nachbarin habe der Sohn “geschrien wie am Spieß – meine Mama stirbt”. Er habe ihr erklärt, dass er dreimal auf den Vater eingestochen habe, aber nur in den Rücken.

Nicht der erste Streit

Dass es in der Wohnung zu Streitereien gekommen war, ist laut den Nachbarn nicht das erste Mal gewesen. Drohungen habe das Paar aber nie gehört. Die Zeugin ist laut eigenen Angaben mit der Mutter befreundet. Eine weitere Nachbarin sagte ebenso, dass es ständig Streitigkeiten gegeben habe. Sie verständigte bereits einmal die Polizei, da sie den Sohn schreien hörte. Die Mutter sagte einst zu ihr, sie habe Angst vor ihrem Lebensgefährten, weil er sie bedrohe und sie glaube, dass seine Drohungen irgendwann wahr werden.

Die DNA-Sachverständige bekam lediglich zwei Messer zur Untersuchung, beiden hätten die DNA des Vaters und der Mutter aufgewiesen. Ein rot-weißes Messer wies hauptsächlich die DNA der Mutter auf, eines mit einem schwarzen Griff, bei dem die Klinge abgebrochen war, hatte die DNA des Angeklagten am Griff und die DNA der Frau an der Klinge. Die DNA des Sohnes war an beiden Messern erkennbar.

Frau stellte Stiche in Abrede

Die 35-jährige Frau betonte in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme, sie habe “zu keinem Zeitpunkt ein Messer in der Hand gehabt”. Sie hätte “keine Möglichkeit und keine Zeit gehabt”, nach einem zu greifen, bemerkte sie.Wie die Krankenschwester schilderte, hatte sie jahrelang unter der Eifersucht ihres Lebensgefährten und damit verbundener Verdächtigungen gelitten: “Er hat fieberhaft nach einer Affäre gesucht. Jeder Mann in meinem Umfeld war verdächtig.” Als der 57-Jährige im Internet bei einer Weihnachtsfeier entstandene Fotos entdeckte, welche die Frau mit männlichen Tischnachbarn zeigten, sei die Situation untragbar geworden.

Ermittlungen auch gegen die 35-Jährige

Aufgrund der Verletzungen, die der Angeklagte erlitten hatte, war von der Staatsanwaltschaft ursprünglich auch gegen die Frau ermittelt worden. Das Verfahren wurde eingestellt, weil die Anklagebehörde nicht davon ausging, dass die 35-Jährige dem Mann zwei Wunden im Brust- und Schulterbereich zugefügt hatte, die dieser neben zwei Stichen in den Rücken erlitten hatte.

Für letztere war laut Anklage der elfjährige Sohn des Paares verantwortlich, der seiner Mutter zu Hilfe kommen wollte. Der Gerichtsmediziner Christian Reiter hielt es – wie er bei seiner Gutachtenerstattung zu Protokoll gab – für “nicht unrealistisch”, dass der Bub für alle vier Stiche verantwortlich zeichnete. Der 1,70 Meter große Elfjährige müsste in diesem Fall mit der linken Hand auch noch von hinten das Messer zwei Mal über die Schultern des Vaters hinweg gegen Brust und Schulter des 57-Jährigen geführt haben. Für Reiter war das insofern vorstellbar, als der Bub Linkshänder ist und jenem diese Stichführung “technisch möglich” gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Schüler zugebilligt, in Notwehr gehandelt zu haben – gegen ihn wurde daher nicht weiter ermittelt.

Kopfverletzungen nicht dokumentiert

Von den drei Kopfverletzungen, die die niedergestochene 35-Jährige davon getragen hatte, konnte sich der Gerichtsmediziner nur zu einer konkret äußern. Das Messer war ihr in mehreren Zentimetern Tiefe in die Schädelschwarte gedrungen, wobei die Klinge abbrach. Die anderen beiden Wunden waren im Spital nicht näher beschrieben, “sondern einfach zugenäht worden” (Reiter) bzw. überhaupt übersehen worden, wie später die Hausärztin der Frau feststellte. Dabei handelte es sich um eine zwei Zentimeter lange Schnittwunde.

Die Angaben des Elfjährigen wurden den Geschworenen in Form einer DVD zur Kenntnis gebracht, die nach einer kurzen Pause abgespielt wurde. Der Bub war im Vorfeld kontradiktorisch vernommen und dabei gefilmt worden, was ihm eine weitere Aussage ersparte. Der Schüler bezeichnete seinen Vater dabei als “schlimmen Papa”, der ihm Geld gegeben habe, wenn er diesem auf die Nerven ging. Abgesehen davon sei der Vater “einfach krank, weil er eifersüchtig ist”. Ständig habe er die Mutter “nach einem anderen Mann gefragt”. Zu einem Messer gegriffen und auf den Vater eingestochen habe er aus einem einzigen Grund: “Ich wollte nur, dass er aufhört.”

Die Verhandlung wurde zur Ladung von zwei krankheitsbedingt nicht erschienen Zeugen auf 4. November vertagt.

(apa/red)

 

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